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Stephan Harbarth: Wir haben Fortschritte erzielt

Haushaltsgesetz 2018 - Rede zum Einzelplan 07 - Recht und Verbraucherschutz

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir führen diese Debatte heute in einer Zeit, in der das Vertrauen der Menschen in die Funktionstüchtigkeit des Rechtsstaats in vielen Teilen des Landes geringer ist, als wir uns dies wünschen. Wir werden gegen diese zu konstatierende Erosion des Vertrauens in den Rechtsstaat in der Großen Koalition mit dem Pakt für den Rechtsstaat ein starkes Signal setzen. Wir werden in der neuen Legislaturperiode klarmachen: Wir ergreifen alle Maßnahmen, die erforderlich sind, um unseren Rechtsstaat in seiner Funktionsfähigkeit zu erhalten und zu schützen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Dieser Pakt für den Rechtsstaat besteht aus einem Dreiklang: mehr Personal, bessere Ausstattung und ein besserer gesetzlicher Rahmen. Mit diesem Dreiklang konnten wir in der vergangenen Legislaturperiode bereits in der Innenpolitik – mehr Personal, bessere Ausstattung und mehr gesetzliche Befugnisse – Erfolge verzeichnen. Ich will ein Beispiel nennen: Die Zahl der Wohnungseinbrüche ist im letzten Jahr um 23 Prozent gesunken. Das ist ein sehr beachtlicher Fortschritt. Ich möchte beim Thema „Kampf gegen die Wohnungseinbrüche in Deutschland“ insbesondere unseren Polizistinnen und Polizisten in Deutschland für ihren großartigen Einsatz danken.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Aber noch immer erfolgt in diesem Land alle vier Minuten ein Wohnungseinbruch. Statistisch werden in den 90 Minuten, die wir jetzt über Justiz und Verbraucherschutz sprechen, über 20 Wohnungseinbrüche verübt. Dies ist keine Bilanz, bei der wir uns entspannt zurücklehnen können. Ja, wir haben in den vergangenen Wochen Stimmen vernommen, dass man, da sich die Situation verbessert habe, keine weiteren Anstrengungen brauche. Das halte ich für falsch. Niemand käme auf die Idee, zu sagen, wir müssten uns in der Arbeitsmarktpolitik nicht weiter anstrengen, weil wir die niedrigste Arbeitslosenquote seit der Wiedervereinigung haben. Wir haben Fortschritte erzielt. Für uns als Union bleibt aber klar: Wir brauchen in diesem Bereich bessere Aufklärungsmöglichkeiten.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Die Aufklärungsquote hat sich im letzten Jahr auf 17,8 Prozent erhöht. Dies bedeutet aber auch, dass über 80 Prozent der Einbrüche nicht aufgeklärt werden. Zu Beginn eines Ermittlungsverfahrens ist häufig nicht eindeutig zu klären, ob es sich um einen bandenmäßigen Wohnungseinbruch handelt oder um einen nichtbandenmäßigen Wohnungseinbruch. Konkrete Anhaltspunkte hierfür ergeben sich meistens erst aus einer Telekommunikationsüberwachung. Deshalb muss diese künftig auch bei einem nichtbandenmäßigen Wohnungseinbruch möglich sein.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wir haben im Koalitionsvertrag vereinbart, dass wir den Ermittlern die notwendigen Ermittlungsinstrumente zur Verfügung stellen werden. Für uns ist und bleibt der Kampf gegen den Wohnungseinbruch, bei dem in die Intimsphäre der Menschen eingedrungen wird, ein Kernthema dieser Wahlperiode.

Wenn wir die Kriminalität und ihre Entwicklung in Deutschland analysieren, dann müssen wir, glaube ich, einen Augenblick im Bereich der Kinderpornografie verweilen. Wir sehen hier eine schlimme Entwicklung. Laut Meldungen des Bundeskriminalamtes blieben im vergangenen Jahr 8 400 Fälle von Kinderpornografie unaufgeklärt. Das sind über 20 ganz fürchterliche Kinderschicksale jeden Tag. 8 400 Fälle des Besitzes und der Verbreitung von Kinderpornografie mussten der Staatsanwaltschaft zur Einstellung vorgelegt werden, und zwar aus einem einzigen Grund: Der Ermittlungsansatz, die IP-Adresse, konnte nicht weiterverfolgt werden. Mangels Vorratsdatenspeicherung war sie nicht beim Provider hinterlegt.

Wir stehen vor der großen Herausforderung, dass der EuGH mit seinem Urteil Ende 2016 sehr restriktive Vorgaben für eine Vorratsdatenspeicherung formuliert und das Oberverwaltungsgericht Münster die Speicherpflicht quasi ausgesetzt hat. Aktuell findet also keine Speicherung statt. Wesentliche Ermittlungsansätze fallen weg. Gleichzeitig sehen wir einen erschreckenden Anstieg bei der Kinderpornografie in unserem Land. Für uns als Union ist klar, dass wir uns damit nicht abfinden wollen. Es gibt in diesem Land ein Recht auf Datenschutz. Es gibt aber auch ein Recht von Kindern, nicht missbraucht zu werden.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Dr. Eva Högl [SPD])

Wir möchten deshalb Sie, Frau Bundesministerin, bitten, in diesem schwierigen Feld mit der Expertise Ihres Hauses einen Vorschlag zu unterbreiten, wie Sie gedenken, mit dem Anstieg bei der Kinderpornografie rechtspolitisch umzugehen, und uns mitzuteilen, welche Maßnahmen Ihnen geeignet erscheinen, um diese armen Kinder in Deutschland besser zu schützen.

Damit gefasste Täter ein zügiges Verfahren erhalten, haben wir im Koalitionsvertrag punktuelle, konkrete und zielgerichtete Maßnahmen zur Beschleunigung von Strafverfahren vereinbart. Wir werden unter anderem die Möglichkeiten zur Ablehnung missbräuchlicher Befangenheits- und Beweisanträge ausweiten, und wir werden bei besonders umfangreichen Strafverfahren die gebündelte Vertretung der Interessen von Nebenklägern ermöglichen. Der Koalitionsvertrag gibt hierzu einen klaren, einen eindeutigen Handlungsauftrag. Jede Verzögerung in der Abarbeitung geht zulasten des Opferschutzes, der Effizienz des Strafverfahrens und schadet damit der Justiz als Ganzes. Deshalb ist es wichtig, dass wir diese Teile des Koalitionsvertrages nun rasch in Angriff nehmen.

Zu einem effizienten Verfahren gehört für uns auch, dass die Wahrheitserforschung ermöglicht wird. Wir werden sicherstellen, dass Beteiligte vor Gericht ihr Gesicht zeigen. Identität und Mimik müssen für das Gericht erkennbar sein. Ein ganz oder teilweise verdecktes Gesicht im Gerichtsverfahren werden wir nicht hinnehmen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ein weiteres Kernthema ist für uns die Verbesserung der Einsatzmöglichkeiten von DNA-Analysen im Strafverfahren. Künftig sollen alle Merkmale, die dem Zeugenbeweis zugänglich sind – etwa Augenfarbe, Haarfarbe, Hautfarbe –, auch abgefragt werden dürfen. Damit Täter schneller gefasst werden können und Opfer verhindert werden, sollten wir auch dies schnell anpacken.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir haben in der Großen Koalition Handlungsfähigkeit unter Beweis gestellt. Wir werden uns rasch des Mietrechts annehmen. Wir haben die entsprechenden Beschlüsse zwischen den Fraktionen verabschiedet. Für uns als Rechtspolitiker ist klar: Wir werden Veränderungen des Mietrechts vornehmen. Wir müssen aber immer bedenken: Wir werden die Probleme am Wohnungsmarkt in den Ballungsräumen nicht durch Reformen des Mietrechts allein lösen. Sie sind nur ein Baustein. Wer allein das Mietrecht verändern möchte, der schafft damit keinen zusätzlichen Wohnraum. Wir werden zusätzlichen Wohnraum nur dann bekommen, wenn wir Anreize dafür setzen, dass Menschen in den Bau neuer Wohnungen investieren. Die Zahl der neu gebauten Wohnungen ist hoch. Sie ist aber noch nicht so hoch, wie sie sein sollte.

Wir werden in diesem Zusammenhang auch einfordern, dass wir uns rasch um die Regelungen des Wohnungseigentumsrechts kümmern. Auch in diesem Bereich sind wichtige Veränderungen erforderlich, um die Modernisierung von Wohnungen gerade mit Blick auf den demografischen Wandel in unserem Land voranzutreiben – ein Thema, das gerade für viele ältere Menschen von Relevanz ist.

Wir diskutieren im Augenblick viel über die Frage: Wie geht es in Europa weiter? Wir als Rechtspolitiker sollten diese Debatte nicht allein den Europapolitikern oder den Außenpolitikern überlassen, sondern auch in der Rechtspolitik Akzente setzen, um Europa voranzubringen. Wir haben in der Entschließung des Deutschen Bundestags vom Januar dieses Jahres zum Thema „Neuer Élysée-Vertrag“ vereinbart, dass wir den deutsch-französischen Wirtschaftsraum stärken und ausbauen wollen, und zwar auch durch eine Vielzahl rechtspolitscher Weichenstellungen. Das gilt für die Harmonisierung des Unternehmensrechts und des Insolvenzrechts zwischen Deutschland und Frankreich und für Veränderungen im Gesellschaftsrecht. Es ist für uns wichtig, dass wir als Rechtspolitiker die Aufgabe, die uns gestellt ist, annehmen, uns mit Vorschlägen zur Schaffung eines einheitlichen europäischen Rechtsraums auch in die Europapolitik einzubringen. Wenn die Menschen an solchen ganz greifbaren Punkten spüren, welche Vorteile Europa bringt, dann müssen wir uns, glaube ich, auch etwas weniger Sorgen machen, als wenn wir die Debatten über Europa immer nur abstrakt führen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir freuen uns auf eine herausfordernde Legislaturperiode mit einem ambitionierten Programm, und wir freuen uns, dieses in der Großen Koalition gemeinsam zum Erfolg zu führen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)