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Sepp Müller: Wir sprechen uns für für die vollständige Aufklärung des Bilanzskandals aus

Redebeitrag zum Fall Wirecard

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wirecard mausert sich langsam zum größten Finanzskandal in der Geschichte der Bundesrepublik. Was ist passiert? Vor 20 Jahren startete der Zahlungsdienstleister und wurde mittlerweile eines der größten Technologieunternehmen in Deutschland. Die Devise lautete: höher, weiter, schneller. Letzteres hat wahrscheinlich dazu geführt, dass zumindest augenscheinlich Tricksereien stattgefunden haben. Diese Tricksereien fanden in den Büchern von Wirecard statt. Wie ein süchtiger Kartenspieler hat Wirecard mit gezinkten Karten gespielt.

Mit dem rasanten Wachstum expandierte das Unternehmen nach Asien. Aus Asien hören wir mittlerweile Meldungen, dass 1,9 Milliarden Euro fehlen, rund ein Drittel der Bilanzsumme. Warum ist das so schwierig? Stellen Sie sich vor, Sie bauen ein Haus und Sie wollen einziehen. Bei der Bauabnahme haben Ihnen die Bauingenieure gesagt: Alles ist gut. – Beim ersten Regen stellen Sie auf einmal fest, dass das Dach fehlt. Das ist umso erstaunlicher, weil am Planungstisch, hier bei Wirecard am Kartenspielertisch, auch noch viele andere Beteiligte saßen. Die anderen Beteiligten nahmen nämlich die Aussagen anscheinend für bare Münze: Wirtschaftsprüfer, Rate-Agenturen – Pardon, ich meine Ratingagenturen –,

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU und der AfD)

unsere Finanzaufsicht und die Behörden vor Ort.

Ich möchte an dieser Stelle aber ausdrücklich vor voreiligen Schlüssen und Beschuldigungen, ganz gleich in welche Richtung, warnen. Der Präsident der BaFin, unserer Aufsicht, hat gestern im Ausschuss klare Kante gezeigt und die Flucht nach vorne ergriffen.

(Fabio De Masi [DIE LINKE]: Na ja!)

Dennoch sind nicht alle Fragen an das BMF beantwortet worden.

Nun stellen wir fest, dass die einen, die Linken, heute im „Spiegel“ seinen Rücktritt fordern. Ich hätte mich gefreut, wenn die Linken damals so konsequent gewesen wären bei Gregor Gysi, der als Parteivorsitzender der SED-PDS viel Geld in ein anderes Land gebracht hat, wobei immer noch nicht feststeht, wo das Geld ist. Wenn man da so konsequent gewesen wäre, dann wäre das richtig gewesen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der AfD und des Abg. Christian Sauter [FDP])

Auf der anderen Seite in diesem Haus ist wieder das

„U“; da hören wir, dass ein Untersuchungsausschuss gefordert wird. Ich würde mich freuen, liebe AfD, wenn ihr überhaupt im Ausschuss anwesend wärt. Denn als Herr Hufeld befragt wurde, stand Ihr Finanzer vorne vor der Presse und gab die ersten Statements ab. Das kann gar nicht funktionieren. Also: Man muss nicht nach einem Untersuchungsausschuss rufen. Macht lieber eure Arbeit im Finanzausschuss!

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der Abg. Ingrid Arndt-Brauer [SPD])

Derzeit kratzen wir noch an der Oberfläche und sehen möglicherweise nur die Spitze des Eisberges. Daher sprechen wir uns als Unionsfraktion für die vollständige Aufklärung des Bilanzskandals aus: zuerst Transparenz, dann Konsequenz.

(Ralph Lenkert [DIE LINKE]: Wie ist das mit dem Spendenskandal vom Herrn Kohl?)

Transparenz und Konsequenz müssen hierbei die Leitmotive sein. Hier erwarte ich auch vom Bundesfinanzminister Verantwortungsübernahme. Ein einzelner Bilanzprüfer darf nicht zum Bauernopfer werden.

Wir müssen uns über die zukünftige Aufstellung – das haben die Vorredner bereits gesagt – der BaFin unterhalten. Deswegen ist es ja interessant, dass gerade die Grünen diese Aktuelle Stunde beantragt haben. Ich erinnere nur daran, dass es gerade die Grünen sind, die fordern, dass mehr als 30 000 kleine Anlagevermittler von der BaFin überwacht werden sollen. Da frage ich mich schon, wie das zukünftig funktionieren soll, wenn unsere Aufsicht es nachweislich nicht geschafft hat, ein Technologieunternehmen zu beaufsichtigen. Im Fokus der Aufklärung sollten neben der BaFin gleichermaßen die Wirtschaftsprüfer sowie das Finanzministerium stehen.

(Zuruf des Abg. Dr. Jens Zimmermann [SPD])

Wirecard muss sich blank machen. Die Konzernstrukturen sowie die komplexen, weltweiten Beziehungen zu Partnerunternehmen müssen entworren und auseinanderdividiert werden. Wie konnte es so weit kommen, dass bei Wirecard 1,9 Milliarden Euro verschwinden? Sind sie Betrüger oder Opfer? Wir werden es herausfinden. Es gilt: zuerst Transparenz und dann Konsequenz.

Wir brauchen eine starke Aufsicht. Damit diese besser funktioniert, müssen wir für unmissverständliche Regelungen sorgen, unter welchen Bedingungen ein Unternehmen unter die Aufsicht der BaFin fällt.

(Frank Schäffler [FDP]: Aufräumen!)

Mit Blick auf Entwicklungen am Markt wird schnell klar, dass zunehmend Fintechs in den Markt der Zahlungsdienstleister drängen. Die BaFin hatte ursprünglich die Banken, die Volksbanken und Sparkassen im Fokus, aber diese Fintechs nicht. Da müssen wir ansetzen.

Es zeigt sich, dass zunehmend Synergien zwischen großen Playern wie Amazon und ING-DiBa entstehen, die jetzt bekundet haben, dass sie zusammenarbeiten wollen, um in den Markt der Banken zu drängen. Da muss unsere Aufsicht ansetzen.

(Zuruf des Abg. Fabio De Masi [DIE LINKE])

Um aus den Fehlern des Falles Wirecard Lehren zu ziehen, muss der Aufsichtsrahmen den geschilderten Entwicklungen gerecht werden. Deswegen gelingt die Wahrung eines stabilen und vertrauenswürdigen Finanzplatzes nur dann, wenn wir Transparenz in den Fall bringen und dann konsequent handeln. Dafür stehen wir als Union.

(Beifall bei der CDU/CSU)