Skip to main content

Sebastian Brehm: Es handelt sich nicht um eine Ertragsteuer, sondern um eine Realsteuer

Rede zur Abschaffung der sogenannten Urlaubssteuer

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es geht nicht um Parteipolitik, Worthülsen oder Formalien, sondern um die Anwendung geltenden Rechts, insbesondere des Steuerrechts. Darüber diskutieren wir. Wir wollen wieder zur steuerpolitischen Debatte zurückkommen.

Grundgedanke der Ermittlung des gewerbesteuerlichen Einkommens war und ist, eben nicht die ertragsteuerlichen Bemessungen heranzuziehen, sondern eine objektive Ertragskraft zu ermitteln. Das ist übrigens das Wesen. Deshalb handelt es sich nicht um eine Ertragsteuer, sondern um eine Realsteuer. Dies bedeutet, dass die Steuer nach einer objektiven Ertragskraft erhoben werden soll, unabhängig davon, ob das Unternehmen mit Eigenkapital oder Fremdkapital finanziert ist. Deshalb wird der Jahresüberschuss seit jeher durch Hinzurechnungen ergänzt. Den Grundgedanken der Hinzurechnung gibt es seit 1936,

(Stephan Brandner [AfD]: Oh! – Karsten Hilse [AfD]: 1936, ganz schlecht!)

seit Bestehen der Gewerbesteuer. Insofern sind die Hinzurechnungen an sich nichts Neues und gehören zum Wesen der Gewerbesteuer.

Würde man diese Hinzurechnungen dem Grunde nach aufgeben, so wäre die Gewerbesteuer keine Realsteuer mehr, sondern eine weitere zusätzliche Ertragsteuer – übrigens nicht einmal für alle Unternehmen –, und wir würden automatisch – ich glaube, das ist das Ziel sowohl des AfD-Antrags als auch des FDP-Antrags – in eine Diskussion über die Abschaffung der Gewerbesteuer kommen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen der AfD, Sie fordern sogar die gänzliche Abschaffung der Gewerbesteuer ohne jegliche Kompensation.

(Christian Dürr [FDP]: Das geht nicht!)

Als ehemaliger Kommunalpolitiker möchte ich ein Beispiel nennen. In meiner Heimatstadt Nürnberg würde das zu 450 Millionen Euro Mindereinnahmen pro Jahr führen.

(Beifall der Abg. Dr. Dietlind Tiemann [CDU/CSU])

Die Folge wäre: Schließung aller städtischen Schulen und aller städtischen Kindergärten sowie Kürzung aller freiwilligen Leistungen zum Beispiel für die Sportvereine. Ob das ein Wirtschaftsprogramm für den Mittelstand ist, wage ich zu bezweifeln. Das ist mit uns nicht zu machen. Das ist keine Alternative für Deutschland und auch keine Alternative für unsere Kommunen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Marianne Schieder [SPD]: Die AfD ist auch keine Alternative!)

Übrigens, die Frage der Hinzurechnung ist erst kürzlich, 2016, höchstrichterlich vom Bundesverfassungsgericht entschieden und abschließend geklärt worden. Nun gibt es aber wie immer im Steuerrecht Entwicklungen – damit komme ich zum Kern –, die dem Grundgedanken der eigentlichen Gesetzgebung – es war 2008, als wir die Regelungen betreffend die Hinzurechnungen geändert haben – entgegenlaufen. Und da hilft es nicht, zu sagen – wie in Ihrem Antrag –, die Ländererlasse sollten korrigiert werden oder das Bundesfinanzministerium sollte angewiesen werden, hier für Klarstellung zu sorgen. Wenn es hier Fehlentwicklungen gibt, dann müssen wir als Gesetzgeber tätig werden und es in der Gesetzgebung angehen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

In der Systematik der Hinzurechnung haben wir es aber mit mehreren Fragestellungen zu tun – es geht eben nicht so einfach, wie Sie sich das immer malen –, die in dem Kontext mitbehandelt werden müssen. Ist es zum Beispiel überhaupt sinnvoll, dass Unternehmen, die durch Hinzurechnungen Verlust machen, Gewerbesteuer zahlen müssen? Das müssen wir mitbesprechen. Oder gibt es Hinzurechnungen, die dem eigentlichen Grundgedanken zuwiderlaufen? 2016 gab es mehrere Urteile des Bundesfinanzhofs. In einem Fall ging es um die kurzfristige Anmietung von Zimmern. In einem anderen Fall ging es um die kurzfristige Anmietung von Konzertflächen. Hier hat der BFH gesagt, die Hinzurechnung sei gerechtfertigt.

In einem weiteren Urteil ging es um die kurzfristige Vermietung von Messeplätzen. Da hat der BFH gesagt, die Hinzurechnung sei nicht gerechtfertigt. Deswegen, glaube ich, müssen wir auch bei den Hotelzimmern eine ganz klare Einordnung vornehmen und gucken, wie wir hier vorgehen. Das Verfahren vor dem Finanzgericht Münster stammt aus 2016, und das regelt genau diese Frage. Es ist derzeit beim BFH anhängig.

Gerade bei der Hotelzimmeranmietung müssen wir unterscheiden. Da kommt es auf den Einzelfall an, auf den einzelnen Vertrag. Es gibt zum Beispiel Reiseveranstalter, die sich ein komplettes Hotel für ein komplettes Jahr mieten. Das ist dann Anlagevermögen, und damit wird es eigentlich von den Hinzurechnungen wieder erfasst.

Aber es gibt natürlich auch Reiseveranstalter – das sind insbesondere die kleineren und mittleren –, die sich kurzfristig ein paar Zimmer zur sofortigen Weitervermietung mieten. Dann ist es eben kein Anlagevermögen und somit eigentlich von der Hinzurechnung nicht umfasst. Das ist eigentlich die Sachfrage, über die wir reden. Deswegen sollten wir das Ganze an den Finanzausschuss überweisen und im Finanzausschuss noch einmal unter steuerfachpolitischen Gesichtspunkten miteinander besprechen.

Es geht natürlich darum, dass wir die kleinen und mittleren Unternehmer unterstützen. Sie haben bei der Hinzurechnung auch einen Freibetrag von 100 000 Euro. Aber es geht darum, die Systematik richtig zu begreifen und auch richtig einzuordnen. Das werden wir gemeinsam in einer guten steuerpolitischen Debatte im Finanzausschuss tun.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)