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Peter Altmaier: Wir wollen, dass Deutschland ein lebenswertes Land bleibt

Haushaltsgesetz 2018 - Rede zum Einzelplan 09 - Wirtschaft und Energie

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die deutsche Wirtschaft läuft. Sie läuft rund, mit stabilem Wachstum, mit guten Basiszahlen, und zwar in einem Aufschwung, der in das neunte Jahr geht. Es ist eine Erfolgsgeschichte, die ihresgleichen sucht, nicht nur in der jüngeren deutschen Nachkriegsgeschichte, sondern auch in der europäischen Geschichte, wo immer Sie hinschauen. Wir haben einen Aufschwung, der bei den Menschen ankommt und der von den Menschen inzwischen auch wahrgenommen wird.

Die Erwerbstätigkeit eilt von Rekord zu Rekord. Wir werden im nächsten Jahr aller Voraussicht nach die Rekordzahl von 45 Millionen Erwerbstätigen überschreiten. Das ist eine Zahl, die vor wenigen Jahren noch als völlig illusorisch gegolten hätte. Inzwischen nehmen wir sie als selbstverständlich zur Kenntnis. Die Frauenerwerbstätigkeit ist seit 2006 um 10 Prozentpunkte gestiegen.

Wir haben nach wie vor die niedrigste Jugendarbeitslosenquote in der gesamten Europäischen Union. Der Durchschnitt in der EU im ersten Quartal 2018 lag – leider – bei 15,7 Prozent; in Deutschland betrug sie 6,2 Prozent, deutlich weniger als die Hälfte des Durchschnitts. Das ist eine Zahl, auf die wir stolz sein können. Dadurch wird jungen Leuten der Weg in das berufliche Leben erleichtert und ihnen der berufliche Aufstieg ermöglicht.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich das ganz deutlich und nachdrücklich ansprechen: Weil dieser Aufschwung schon ins neunte Jahr geht und weil er zu Anfang des Jahres vorübergehend etwas an Schwung verloren hatte, ohne dass wir die Notwendigkeit haben, unsere Haushalts-, unsere Wachstumsprognosen grundlegend zu korrigieren, treten schon wieder die Ersten auf, die sagen, der Bundeswirtschaftsminister sei doch recht optimistisch; einen so langen Aufschwung gebe es doch gar nicht; wenn der Minister sage, das könne noch viele Jahre so bleiben, dann sei das ein bisschen blauäugig. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich sage Ihnen, gerade auch von einer liberalen Partei, die sich der Wirtschaft und den Menschen in wirtschaftlicher Hinsicht verpflichtet fühlt: Wir sollten diese Erfolgsgeschichte nicht schlechtreden. Wir sollten unser Land nicht schlechtreden. Wir sollten darauf setzen, dass dieser Aufschwung die nächsten Jahre weitergeht – so wie das alle Wirtschaftsforscher für möglich halten, wenn wir die richtigen Entscheidungen treffen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Das, meine Damen und Herren, bedeutet, dass wir nicht einfach nur zuwarten, sondern dass wir die Voraussetzungen dafür schaffen: die Voraussetzungen für mehr Mittelständler, für mehr Selbstständigkeit. Ich habe heute Morgen bei einer Mittelstandstagung angekündigt, dass wir eine Mittelstandsagenda erarbeiten werden mit konkreten Erleichterungen für das Selbstständigmachen, mit konkreten Handreichungen im Hinblick auf die Herausforderungen der Digitalisierung. Wir werden weitere Kompetenzzentren schaffen. Wir haben ein Gründerzentrum geschaffen. Und wir brauchen stabile politische Rahmenbedingungen.

Wir brauchen stabile politische Rahmenbedingungen im internationalen Bereich. In meinen Gesprächen in Washington mit meinen Kollegen Wilbur Ross und Rob Lighthizer, in meinen Gesprächen in Kiew mit dem Staatspräsidenten, dem Außenminister und vielen anderen Persönlichkeiten der Ukraine, in meinen Gesprächen in Russland mit dem Wirtschaftsminister, dem Industrieminister, dem Ministerpräsidenten und dem Energieminister ist eines deutlich geworden: Wir stehen international an einem Kreuzungspunkt. Jetzt entscheidet sich, ob wir in alte Gewohnheiten aus den 20er-Jahren zurückfallen. In der Zeit unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg hat man ja geglaubt, man könne mit Handelsschranken, mit Protektionismus, mit höheren Zöllen und dadurch, dass man gegenseitig die jeweils anderen von den eigenen Märkten fernhält, irgendeinen Vorteil für das eigene Land erzielen. Das Ergebnis ist bekannt: Wir sind damals in eine weltwirtschaftliche Depression geschlittert, von der sich die Industrieländer und die Länder in Europa viele Jahre nicht erholt haben.

Heute ist die Frage: Wollen wir zusehen, wollen wir riskieren, dass wir noch einmal eine solche Trendwende erleiden durch eine Eskalation von Konflikten und Gegensätzen, indem wir schlecht übereinander reden – die einen schlecht über die Europäer, die anderen schlecht über die Amerikaner – mit allen Konsequenzen, die das hat? Oder setzen wir darauf, freie und offene Weltmärkte zu erhalten, die transatlantische Partnerschaft zu stärken, die Interessen der Ukraine auch dann zu berücksichtigen, wenn wir mit Russland über eine stärkere wirtschaftliche Kooperation sprechen, also das Positive zu sehen und nicht das Trennende in den Vordergrund zu stellen, meine sehr verehrten Damen und Herren? Die Gefahren in diesem Punkt sind real vorhanden. Es liegt an uns, ob sie sich materialisieren oder nicht. Deshalb lassen Sie uns dafür eintreten, dass der freie Welthandel eine Chance behält.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP)

Das Zweite, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist, darauf zu achten, dass wir keine falschen Signale aus der politischen Debatte geben. Vor wenigen Jahren war es eine sehr umstrittene Frage, ob man mit dem Versprechen „Wir erhöhen vier Jahre lang keine Steuern“ einen Blumentopf gewinnen kann, also ob es in der Sache richtig ist. Vor vier Jahren war es eine fragwürdige Geschichte, mit dem Angebot von Steuersenkungen in den Wahlkampf zu ziehen. Man wusste ja, wie groß der öffentliche Finanzbedarf war und wie sehr die öffentlichen Haushalte noch in den roten Zahlen steckten. Inzwischen haben wir vier Jahre ohne Steuererhöhungen, mit einer schwarzen Null und mit steigenden Investitionen hinter uns. Das ist etwas, was uns wenige zugetraut hätten und was wir selber uns am allerwenigsten zugetraut hätten. Deshalb wiederhole ich meinen Vorschlag aus der Debatte über das Regierungsprogramm an die vereinigte Opposition: Lassen Sie uns gemeinsam diese Erfolge vor die Klammer ziehen, und lassen Sie uns uns gemeinsam dazu bekennen, dass wir diese Prinzipien auch in Zukunft einhalten und beachten werden. Das wird zu einem enormen Vertrauenszuwachs in unserem Land und bei der Wirtschaft führen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir setzen mit diesem Haushalt Schwerpunkte. Wir entlasten Familien. Wir entlasten untere Einkommen. Wir stärken die Binnennachfrage. Wir stärken Forschung und Entwicklung, und wir stärken Innovationen. Wir helfen bei der Bewältigung des Strukturwandels. Wir werden die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ als eine zentrale Aufgabe und als ein zentrales Instrument des Bundeswirtschaftsministeriums stärken. Wir wollen ein gesamtdeutsches Fördersystem nach 2019. All das sind keine rein technischen Maßnahmen. All das hat ein einziges Ziel, nämlich dass wir in Deutschland gleichwertige Lebensverhältnisse herstellen, dass sich der Aufschwung, den wir haben, nicht auf die großstädtischen Verdichtungsräume beschränkt, sondern dass wir ihn auch in die ländlichen Räume tragen, in die Regionen, die vom Strukturwandel betroffen sind, in die Regionen, in denen die Wiederherstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse nach der deutschen Einheit noch nicht wirklich vorangekommen ist.

Deshalb, meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie uns dafür sorgen, dass wir im Bereich der Wirtschafts- und Strukturpolitik – der Bundesinnenminister, der Bundeswirtschaftsminister und der Bundesfinanzminister in ihrer Zuständigkeit – das klare Signal geben: Wir wollen, dass Deutschland ein lebenswertes Land bleibt, wo man in allen Teilen des Landes Lebensqualität und Selbstverwirklichung findet.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Lassen Sie uns die Investitionsoffensive der Bundesregierung fortsetzen. Wir haben die Investitionsausgaben deutlich erhöht, auch im Haushalt des Bundeswirtschaftsministeriums. Wir haben die Investitionen gegenüber der bisherigen Finanzplanung insgesamt noch einmal um über 7 Milliarden Euro angehoben. Der Bundesfinanzminister hat die volle Unterstützung des Bundeswirtschaftsministers, wann immer er sich für Investitionen entscheidet und nicht nur für konsumtive Ausgaben. Wir als Koalition haben eindeutige Schwerpunkte gesetzt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir konzentrieren uns im Haushalt des Bundeswirtschaftsministeriums auf die Zukunftsbereiche. Wir haben die Investitionen in unserem eigenen Haushalt noch einmal um 20 Prozent auf über 2 Milliarden Euro gesteigert. Wir stellen für die Förderung von Forschung und Entwicklung bis 2022 insgesamt 713 Millionen Euro zusätzlich bereit. Davon werden insbesondere die kleinen und mittleren Unternehmen, die Selbstständigen, die Handwerker profitieren. Wir stärken Unternehmensgründungen und wollen Zukunftsindustrien wie die Mikroelektronik in Deutschland halten und neue Zukunftsindustrien ansiedeln. Wir werden eine Kommission einsetzen, die sich mit dem Strukturwandel durch den Fortgang der Energiewende beschäftigt. Wir werden in dieser Kommission darauf achten, nach vorne zu schauen. Dabei werden wir die Arbeitsplätze im Blick haben und aus Umwelt und Klima keinen Gegensatz machen, sondern dafür sorgen, dass beides in gleicher Weise vorankommt.

(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben in den letzten Jahren gesehen, dass wirtschaftlicher Aufschwung möglich ist, dass nachhaltiges Wachstum möglich ist, dass Umweltschutz und Klimaschutz, Energiepolitik und Energiewende keine Gegensätze sind. Lassen Sie uns daran arbeiten, dass wir einen breiten politischen Konsens haben, der all denjenigen, die zum Aufschwung beitragen, den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, den Unternehmerinnen und Unternehmern, den Mittelständlern, signalisiert, dass die Politik an ihrer Seite ist, dass die Politik versucht, ihnen das Leben nicht schwerer, sondern leichter zu machen. Dafür lohnt sich jeder Einsatz.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)