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Peter Altmaier: Wir brauchen eine große gemeinsame Offensive auf allen staatlichen Ebenen

Rede zur wirtschaftlichen Erholung nach der Corona-Krise

Peter Altmaier, Bundesminister für Wirtschaft und Energie:

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe der Debatte natürlich bereits heimlich gelauscht, um mich auf ein Gespräch vorzubereiten, das wirklich wichtig ist.

(Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das müssen Sie doch gar nicht heimlich tun! Sie sind hier herzlich willkommen!)

Es geht um die Frage: Wie können wir es im Interesse unserer Arbeitnehmer, unserer Familien und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des ganzen Landes ermöglichen, möglichst schnell, nachhaltig und wirksam wieder in eine Phase wirtschaftlichen Wachstums zu gelangen?

Ich möchte mich aber zunächst noch einmal bei all den vielen im Pflege- und im Krankenbereich – den Ärzten, den Menschen im Gesundheitswesen – und auch bei all denen bedanken, die in den Parlamenten – auch in den Kommunalparlamenten – daran mitgewirkt haben, dass wir die medizinische Herausforderung der Pandemie, was die Zahl der Todesopfer angeht, was die Zahl der Infektionen angeht, was die Verläufe angeht, was die Behandlungsmöglichkeiten angeht, bis zum heutigen Tag wesentlich besser bewältigt haben als die meisten anderen Länder um uns herum in einer vergleichbaren Situation. Das war eine großartige Leistung. Dafür bin ich dankbar, und darauf können wir gemeinsam stolz sein.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Herren, das Gleiche gilt für die wirtschaftliche Situation. Die Pandemie hat die Welt in eine Rezession gestürzt. Der Internationale Währungsfonds erwartet für dieses Jahr eine Rezession von 3 Prozent weltweit. Diejenigen, die wie der Kollege Schneider und andere bereits während der Banken- und Börsenkrise Mitglieder dieses Hohen Hauses waren, wissen: Damals war es ein Einbruch um 0,1 Prozent weltweit. Das bedeutet, dass ein Land wie Deutschland, das sehr stark exportorientiert und auf fast allen internationalen Märkten erfolgreich unterwegs ist, selbstverständlich auch die Rückwirkungen spürt.

So kommen zwei Dinge zusammen: zum einen die Sorgen und die Nöte der vielen Selbstständigen, Handwerker, Mittelständler und Angehörigen der freien Berufe, deren Geschäfte und Unternehmen über Wochen geschlossen waren und zum Teil immer noch geschlossen sind und die Umsatzrückgänge von bis zu 100 Prozent in Kauf nehmen mussten. Und zum anderen die Sorgen derer, die Güter und Waren für den Export produzieren und feststellen müssen, dass Aufträge gecancelt werden, weil in den auftraggebenden Ländern die wirtschaftlichen Verhältnisse so schlecht geworden sind.

Da stellt sich für uns die Frage, wie wir damit umgehen können, wie wir darauf reagieren müssen. Es kann ein einfaches Weiter-So nicht geben. Es kann auch ein einfaches Abschreiben von früheren Erfolgsrezepten nicht geben. Wir müssen uns klar werden, wo wir stehen, was wir wollen und wie wir damit umgehen. Für mich ist klar: Wir brauchen eine große gemeinsame Offensive auf allen staatlichen Ebenen. Um die Menschen zu ermuntern, dieses System der sozialen Marktwirtschaft, das so viele Jahrzehnte erfolgreich war, durch investive Entscheidungen, durch Käufe, durch die Bereitschaft, wieder auf Selbstständigkeit und unternehmerische Initiative zu setzen, zu stärken und mit neuer Kraft zu versehen. Ohne Wachstum gibt es keine Gerechtigkeit. Ohne Wachstum gibt es auf Dauer keinen Umweltschutz, keine erfolgreiche Bildungspolitik, keine menschenwürdige Infrastruktur, kein funktionierendes Gesundheitssystem.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD – Zuruf der Abg. Heike Hänsel [DIE LINKE])

Deshalb: Ja, wir brauchen wieder Wachstum in Deutschland. Wir wollen aus dieser Krise wieder herauskommen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, in dem Augenblick, in dem viele nicht wussten, wie es weitergeht, in dem sich viele die größten gesundheitlichen, aber auch geschäftlichen und beruflichen Sorgen gemacht haben, hat die Bundesregierung umsichtig, geschlossen und entschlossen gehandelt. Wir haben einen Schutzschirm für Hunderttausende, ja für Millionen von Unternehmerinnen und Unternehmern aufgespannt, für Betriebe, aber auch für viele Millionen Beschäftigte.

Wie im Bereich der gesundheitlichen Herausforderung, so ist es auch im Bereich der Wirtschaftspolitik gelungen, viele Auswirkungen abzumildern oder abzuschirmen. Wir haben in Deutschland einen Anstieg der Arbeitslosigkeit, einen Anstieg von Unternehmensinsolvenzen, die Gott sei Dank weitaus geringer sind als in anderen Ländern um uns herum. Wenn Sie über den Atlantik zu unseren Freunden in die USA schauen: Dort sind inzwischen über 20 Millionen Menschen als Folge der Coronapandemie arbeitslos gemeldet. Wenn Sie nach Europa schauen: Einige unserer Nachbarstaaten haben große Probleme, ihre sozialen Sicherungssysteme angesichts der Herausforderungen instand zu halten. Deshalb brauchen wir auch europäische Solidarität, wenn es um Aufschwung und Wiederaufbau geht.

Wir haben es bei uns ermöglicht, viele Millionen Arbeitsplätze zu retten, indem wir Kurzarbeit zugelassen haben. Wir haben es ermöglicht, unsere mittelständischen Strukturen zu erhalten, indem wir für die Solo-Selbstständigen und die Unternehmen mit bis zu zehn Mitarbeitern umfassende und angepasste Soforthilfen bereitgestellt haben, indem wir Kreditprogramme der KfW aufgelegt haben bis hin zu einem Rettungsfonds für Unternehmen, die ohne eigenes Verschulden in Not geraten sind.

Ich sage das nicht aus Daffke oder deshalb, um die Bundesregierung in ein gutes Licht zu rücken, sondern ich sage das, weil es um Millionen von Existenzen geht. Alleine bei der Lufthansa, die uns in dieser Woche beschäftigt hat und immer noch beschäftigt, stehen über hunderttausend Arbeitsplätze auf dem Spiel.

Ich habe bei allem, was man diskutieren kann, nirgendwo jemanden gehört, der gesagt hat: Lasst doch dieses Unternehmen einfach in die Insolvenz gehen. Vielmehr waren sich alle einig, dass wir nach den erfolgreichen Jahren unserer Wirtschaftspolitik, in denen wir gut gewirtschaftet haben, in denen Rücklagen entstanden sind, in denen wir die schwarze Null mit Zähnen und Klauen verteidigt haben, solange die Zeiten gut waren, zum jetzigen Zeitpunkt die Möglichkeit haben, dort zu helfen, wo Hilfe notwendig und angebracht ist.

Mit der Lufthansa sind wir im Augenblick so weit, dass das staatliche Hilfspaket bereitsteht. Wir verhandeln in Brüssel mit der Europäischen Kommission über die Einzelheiten einer Genehmigung. Ich möchte an dieser Stelle eines mit allem Nachdruck sagen und mit allem Respekt vor den zuständigen Stellen, die wir natürlich jederzeit beachten: Es ist nicht nur im deutschen Interesse, sondern es ist auch im Interesse der Europäischen Union, dass wir nicht zulassen, dass am Ende als Folge dieser Pandemie ein industriepolitischer Ausverkauf wichtiger Interessen Europas, der Europäischen Union und unseres eigenen Landes stattfindet.

Wir wollen nach dem Ende dieser Krise im globalen Wettbewerb mit wettbewerbsfähigen Unternehmen, die wir haben, auch weiter unsere Rolle auf den globalen Märkten spielen. Deutschland ist ein Land, das auf den globalen Märkten wettbewerbsfähig ist. So wird es auch in Zukunft bleiben. Deshalb erhalten wir die Lufthansa und andere Unternehmen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Zuruf des Abg. Stephan Brandner [AfD])

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir werden als Koalition in der kommenden Woche darüber sprechen, wie wir die Konjunktur in Schwung bringen können. Es geht um kein einfaches Konjunkturprogramm. Wir müssen dafür sorgen, dass es eine große Welle von Innovationen gibt, dass es eine große Bereitschaft gibt, dabei auch den Gedanken der Nachhaltigkeit, zu dem wir uns gemeinsam bekennen, zu verankern. Dass wir bereit sind, unorthodoxe Wege zu gehen, wenn es um Freiräume für Unternehmen und Beschäftigte geht.

Meine Damen und Herren, wann, wenn nicht jetzt, besteht die Möglichkeit, eine umfassende Entbürokratisierung ins Werk zu setzen, die den Menschen Mut macht, dass es sich lohnt, wieder zu investieren und wieder neu loszulegen?

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Wann, wenn nicht jetzt, ist der Zeitpunkt gekommen, den Menschen zu sagen: „Wir sorgen dafür, dass die Sozialabgaben als Folge dieser Coronapandemie nicht steigen, sondern unter 40 Prozent bleiben“? Und wann, wenn nicht jetzt, ist der Zeitpunkt gekommen, den Menschen zu sagen: „Die Energie- und Stromkosten werden auch in Zukunft bezahlbar bleiben“?

(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf des Abg. Alexander Ulrich [DIE LINKE])

Dafür stehen wir als Bundesregierung, und dafür setzen wir uns gemeinsam ein.

Wir wollen einen Aufschwung für alle. Wir wollen einen Aufschwung, der Arbeitnehmern, der Familien, der Unternehmern, Selbstständigen, Handwerkern und Mittelständlern zugutekommt. Die Strukturen, wie sie in Deutschland gewachsen sind, reflektieren nicht nur unsere Leistungsfähigkeit, sie reflektieren auch unsere Kultur und unsere Identität.

Wir möchten, dass die vielen, vielen Einzelunternehmen in der Gastronomie, in den freien Berufen, bei den Künstlern, aber auch in allen anderen Bereichen eine Chance haben, dort erfolgreich weiterzumachen, wo die Coronapandemie zu einer Unterbrechung geführt hat.

(Zuruf des Abg. Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Wir haben die Kraft und wir haben die Möglichkeit, diesen neuen Anfang gemeinsam zu gestalten. Ich möchte alle in diesem Haus einladen, dabei mitzuwirken.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Alexander Ulrich [DIE LINKE]: So eine schwache Rede!)