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Patricia Lips: Große Worte allein reichen nicht

Rede zu Finanzierungsalternativen für einen europäischen Wiederaufbaufonds

Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Der Spiegel titelt: „Abnehmer dringend gesucht – Deutsche Betriebe produzieren wieder – doch für wen?“ Über die Hälfte aller unserer Exporte gehen zu unseren europäischen Nachbarn. Wir können aktuell trefflich über Lockerungen und Öffnungen in wichtigen wirtschaftlichen Branchen im eigenen Land diskutieren. Wenn weite Teile Europas nicht mitziehen können, wenn Liefer- und Produktionsketten nicht geschlossen werden können, dann bleibt manches auch bei uns Makulatur.

(Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist es!)

Wir wollen ein starkes Deutschland. Europa braucht auch einen starken Motor. Doch beides gelingt uns nur in einem gemeinsam funktionierenden Binnenmarkt. Das ist elementar für unser Land.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Andreas Schwarz [SPD] und Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Außerdem: Die Welt sortiert sich gerade neu. Es wird darauf ankommen, wie stark wir aus der Krise herauskommen und welche globale Rolle Europa in Zukunft spielt. Es geht um nichts weniger als unseren Wohlstand, aber am Ende auch um unsere gemeinsamen gesellschaftlichen Werte, und auch das schaffen wir nur gemeinsam.

Vorschläge liegen nun auf dem Tisch. Ganz genauso wie im eigenen Land werden auf europäischer Ebene Maßnahmen in Gang gesetzt und diskutiert: natürlich Soforthilfen während der Krise, der gemeinsame Haushalt, der so oder so eine größere Bedeutung erhalten wird, vermutlich auch muss, und in Verbindung damit jetzt ganz aktuell ein Konjunkturprogramm oder Wiederaufbaufonds – oder wie auch immer man es nennen mag – für die Zukunft.

Den einen ist es zu wenig – das hat die Diskussion heute gezeigt –, den anderen bereits jetzt zu viel. Die kommenden Wochen werden aber zeigen, wo es vor allem noch offene Fragen gibt. Denn eines steht fest: Große Worte allein reichen nicht. Der Teufel steckt wie zumeist im Detail.

Deshalb möchte auch ich schon den einen oder anderen Finger warnend heben. Es geht nicht nur um unfassbar viel Geld und dessen Verteilung; es steht vielmehr ein ganz grundlegender Paradigmenwechsel im Raum. Es geht um die Aufnahme von Schulden über die Europäische Union und auf Vorschlag der Kommission auch um neue, zusätzliche Einnahmequellen.

Kolleginnen und Kollegen, uns ist dabei schon wichtig: Es darf am Ende keine allgemeine Haftungsgemeinschaft geben.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die Rechtsgrundlagen der Verträge sind zu wahren. Wie schnell ist nach einem ersten Schritt ein zweiter getan, selbst wenn zurzeit noch undenkbar?

Die Maßnahmen müssen eine Ausnahme bleiben – es wurde schon betont –, zeitlich, im Volumen begrenzt und ausdrücklich konditioniert. Es ist zu begrüßen, dass dies in weiten Teilen auch schon so vorgesehen ist. Aber wie schnell sind Situationen geschaffen nach dem Motto „Was einmal funktioniert hat, klappt bei Bedarf ganz schnell auch wieder“? Wir schaffen immerhin einen Präzedenzfall.

Und vor allem: Nichts darf zum Stopfen alter Löcher dienen oder in die allgemeinen Haushalte fließen. Dies gilt im Übrigen auch für manchen Plan aktuell im eigenen Land. Alter Wein in neuen Schläuchen schafft keinen dringend benötigten Mehrwert, und das muss uns doch allen wichtig sein.

Last, but not least: Natürlich, die Rechte und Mitsprache des Bundestages müssen immer gewahrt sein; denn auch unser Anteil wird deutlich steigen. Der nationale Haushaltsgesetzgeber muss immer eingebunden sein.

Abschließend: Nur immer mehr Geld wird am Ende aber auch nicht das Allheilmittel sein. Ziel muss bleiben, dass mit allen Maßnahmen, die getroffen werden, die vereinbart werden, die Wettbewerbsfähigkeit gestärkt wird. Dies erst sichert Arbeitsplätze, damit unseren Wohlstand und bietet so die notwendigen Spielräume auch zum Erhalt wichtiger sozialer Errungenschaften.

Insofern wünsche ich uns für die kommenden Wochen und Monate kluge Beratungen im Sinne eines gemeinsamen großen Ganzen. Europa lebt nicht nur durch die einzelnen Regierungen oder ihre Parlamente. Europa lebt vor allem durch die Akzeptanz und das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger, und hier tragen wir eine große Verantwortung.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)