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Olav Gutting: Wir dürfen international nicht den Anschluss verlieren

Rede zu einer verbesserten Abschreibung für digitale Wirtschaftsgüter

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die digitale Transformation ist das zentrale Thema der laufenden Legislaturperiode. Deutschland muss sich als digitaler Standort positionieren, und wir dürfen hier international nicht den Anschluss verlieren.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das hören wir jetzt auch schon zehn Jahre!)

Da geht es vor allem um das Thema digitale Infrastruktur, gigabitfähige Netze, 5G-Standard, digitale Bildung.

Aber auch in der Steuerpolitik müssen wir auf den digitalen Wandel reagieren. Das Steuerrecht muss die digitale Transformation begleiten. Neben der Sicherstellung der Besteuerung der digitalen Wirtschaft, also der Besteuerung von Google und anderen, kommt es darauf an, dass wir unsere Unternehmen, die im internationalen Wettbewerb stehen, in diesem Bereich nicht steuerlich benachteiligen.

Wenn wir als Investitions- und Innovationsstandort attraktiv bleiben wollen, dann müssen wir uns dem stattfindenden internationalen Steuerwettbewerb stellen und dürfen hier nicht den Kopf in den Sand stecken. Jetzt stellt sich die Frage, ob dieser Antrag der FDP und die darin vorgeschlagenen Maßnahmen sowohl Deutschland als Innovationsstandort stärken als auch unsere Unternehmen bei der digitalen Transformation unterstützen.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Eindeutig ja!)

Ich meine, nein, und wenn, dann nur bedingt. Dieser Antrag greift heute hier definitiv zu kurz.

Ich habe mich ja gefreut, dass die FDP wieder im Bundestag ist, weil so ein bisschen Ordnungspolitik ja nicht schaden kann.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP – Christine Lambrecht [SPD]: Wenn es denn so wäre!)

Aber als ich Ihren Antrag gelesen habe, da habe ich mich an einen Ferienjob erinnert, den ich vor über 30 Jahren mal gemacht habe. Da war ich in einem Unternehmen, das elektronische Bauteile aus Asien bekommen hat. Diese Bauteile haben wir kurz geprüft, und danach haben wir ein Label „Germany“ draufgeklebt. Bei Ihrem Antrag verhält es sich ähnlich. Nur weil Sie „Digitalisierung“ draufschreiben, wird das punktuelle Herumdoktern an den Abschreibungsregeln nicht besser.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Es wurde schon angesprochen: Wir haben hier unklare Rechtsbegriffe. Was sind denn digitale Wirtschaftsgüter, „digitale Innovationsgüter“? Was sind „Wirtschaftsgüter, die der digitalen Transformation dienen“?

(Abg. Markus Herbrand [FDP] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

Das Beispiel wurde schon genannt: Ist es die Kaffeemaschine, die mit einer App gesteuert wird? Das ist nicht definiert.

Wichtig ist es, dass wir uns hier darüber einig werden, welche Güter das sind; denn nur dann können wir abschätzen: Welche Haushaltswirkung hat dieser Antrag? Es ist entscheidend, dass wir die Begrifflichkeiten klären, um abschätzen zu können, was die Folgen sind.

Vizepräsident Thomas Oppermann:

Herr Gutting, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Olav Gutting (CDU/CSU):

Das hat sich, glaube ich, schon erledigt, oder?

(Markus Herbrand [FDP]: Nein, noch nicht!)

– Dann bitte.

Markus Herbrand (FDP):

Herzlichen Dank. – Sie sind nicht der erste Redner, der uns vorwirft – der Kollege Binding hat so ein bisschen in dasselbe Horn gestoßen –, dass wir nicht sauber gearbeitet haben, was die Begrifflichkeiten angeht.

(Christine Lambrecht [SPD]: Wenn es doch stimmt!)

Ich gebe zu: Ich persönlich habe nicht sehr sauber gearbeitet; denn ich hätte sagen müssen, woher ich diese Begriffe habe. Ich habe sie aus dem Koalitionsvertrag von SPD, CDU und CSU.

(Beifall bei der FDP – Christine Lambrecht [SPD]: Dann haben Sie nicht richtig abgeschrieben!)

Darin heißt es:

Investitionen von Unternehmen in die Digitalisierung wollen wir unterstützen. Dazu werden wir überprüfen, ob zugunsten digitaler Innovationsgüter die Abschreibungstabellen überarbeitet werden.

(Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Das ist okay! Da gebt ihr endlich zu, dass ihr abgeschrieben habt!)

– Wir haben nicht abgeschrieben. Wir wollten einfach nur diesen Begriff übernehmen – das ist korrekt –, und dann sagen Sie uns doch bitte nicht in diesem Tenor, das sei ungenau. Das ist nun wirklich Unfug.

(Beifall bei der FDP – Abg. Markus Herbrand [FDP] will wieder Platz nehmen)

Olav Gutting (CDU/CSU):

Wenn Sie während der Antwort bitte noch kurz stehen bleiben!

Der Koalitionsvertrag ist kein Gesetzentwurf; darüber sind wir uns, glaube ich, einig.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Dass wir in die gleiche Stoß- und Zielrichtung marschieren, haben wir, glaube ich, bei dieser Debatte auch schon gemerkt. Ich kann nur anbieten: Lassen Sie uns gemeinsam nach Abgrenzungsmodalitäten suchen!

(Markus Herbrand [FDP]: Ich bin ja dabei!)

Wenn geklärt ist, wie wir diese Güter sauber abgrenzen, dann kann man auch die haushalterischen Auswirkungen Ihrer Vorschläge übersehen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und FDP)

Was die Überarbeitung der AfA-Tabellen angeht: Natürlich ist das eine immerwährende Aufgabe. Man muss allerdings auch anmerken: Die AfA-Tabellen sind lediglich Hilfsmittel, um die Nutzungsdauer von Anlagegütern zu schätzen. Das ist keine bindende Rechtsnorm. Dass es durch geänderte AfA-Tabellen überhaupt zu einer Verkürzung der Abschreibungsdauer in der Praxis auf drei Jahre kommt, bleibt eher zweifelhaft.

Auch die Änderung bei den Regelungen zur Sofortabschreibung bei geringwertigen Wirtschaftsgütern halten wir im Moment nicht für einen Punkt, den man vordringlich anpacken müsste. Wir haben es schon gehört: Zum 1. Januar haben wir bereits die Schwelle für die GWG auf 800 Euro erhöht. Man muss sich das einmal in der Praxis vorstellen. Ich glaube nicht, dass es für die digitale Transformation eines Handwerksbetriebs entscheidend ist, dass er das Smartphone von Samsung für 700 Euro sofort abschreiben kann, aber ein etwas teureres von Apple für mehr als 800 Euro nicht sofort abschreiben kann,

(Markus Herbrand [FDP]: Das kann er ja immer noch!)

sondern dafür den Pool nutzen muss. Das ist nicht die entscheidende Frage, wenn es darum geht, ob er in die digitale Transformation einsteigt. Daher kann das nicht ernsthaft die Antwort sein.

Deswegen müssen wir beim Thema AfA auch aufpassen, dass wir hier nicht die Probleme der Vergangenheit angehen.

Vizepräsident Thomas Oppermann:

Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage, Herr Gutting?

Olav Gutting (CDU/CSU):

Nein. Jetzt muss ich zum Ende kommen. – Wir müssen darauf achten, dass wir in die Zukunft schauen und bei der AfA nicht die Probleme der Vergangenheit lösen. Sie haben schon gehört: Viele der Unternehmen leasen heute ihre Software. Oftmals kann man das dann direkt geltend machen; manchmal kann man es auch aktivieren. Sie nutzen Cloud-Computing. Sie nutzen Internetsoftware. Also, die digitale Transformation hat viele Facetten, und deswegen ist die Sonder-AfA nicht das Entscheidende.

Lassen Sie uns zusammen strukturelle Lösungen finden, wie wir das deutsche Steuerrecht im internationalen Wettbewerb insgesamt attraktiver machen können. Wenn wir uns auf der Welt umschauen, dann kommen wir nicht umhin, festzustellen, dass wir unser Unternehmensteuerrecht in Gänze anschauen und über eine Reform nachdenken müssen. Lassen Sie uns gemeinsam Lösungen erarbeiten, wie wir die steuerliche Attraktivität und die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands im Zeichen des digitalen Wandels erhalten und verbessern können. Ihr heute vorliegender Antrag springt diesbezüglich leider zu kurz. Deswegen werden wir ihn ablehnen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Albrecht Glaser [AfD])

Vizepräsident Thomas Oppermann:

Bevor ich den nächsten Redner aufrufe, möchte ich die Gelegenheit nutzen, eine Delegation der Elfenbeinküste zu begrüßen, die sich hier in Deutschland über das System der dualen Berufsausbildung informiert. Insbesondere möchte ich Herrn Mamadou Koulibaly, den Präsidenten der Nationalversammlung, und Herrn Pascal Affi N’Guessan, den ehemaligen Premierminister der Elfenbeinküste, begrüßen. Seien Sie herzlich willkommen!

(Beifall)

Nächster Redner in der Debatte ist Dr. Jens Zimmermann für die Fraktion der SPD.