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Olav Gutting: Für uns hat die Abschaffung des Solidaritätszuschlages absolute Priorität

Gesetz zur Aufhebung des Solidaritätszuschlaggesetzes 1995

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Innerhalb von 24 Stunden debattieren wir in diesem Haus schon zum zweiten Mal über die Abschaffung des Solidaritätszuschlags. Allein das zeigt schon die Wichtigkeit dieses Themas. Wir haben gestern den Antrag der AfD beraten, in dem die sofortige Abschaffung des Solidaritätszuschlags ohne Einschränkungen gefordert wird. Diesen Antrag haben wir mit großer Mehrheit in diesem Haus abgelehnt. Heute beraten wir den Antrag der FDP, in dem ebenso die uneingeschränkte Aufhebung des Solidaritätszuschlaggesetzes gefordert wird, allerdings erst mit Wirkung zum 1. Januar 2020.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch für uns hat die Abschaffung des Solidaritätszuschlages absolute Priorität.

(Lachen und Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Sie haben recht: Es ist eine Frage der Hygiene im Steuerrecht. Es ist auch eine Frage der Rückgewinnung von Vertrauen, wovon wir in den letzten Tagen viel gehört haben. Dazu gehört, dass wir eine Möglichkeit finden müssen, damit die Erhebung des Solis schnellstmöglich ein Ende findet.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

Nach nunmehr fast 25 Jahren hat der Solidaritätszuschlag tatsächlich sein Mindesthaltbarkeitsdatum erreicht bzw. überschritten.

(Beifall des Abg. Christian Dürr [FDP])

Das bedeutet aber nicht, dass der Osten kein Geld mehr bekommen wird. Das ist wichtig festzuhalten. Wir haben noch Bundesmittel zum Beispiel aus der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“, die überwiegend in die neuen Länder fließen. Unabhängig davon ist es steuerpolitisch logische Konsequenz, dass mit dem Auslaufen des Solidarpakts II, mit der Vollendung der deutschen Einheit auch der Soli enden muss. Ich denke, da sind wir uns einig.

Jetzt kommen wir zu den Unterschieden. Sie sind Opposition, wir sind Regierung. Während man sich in der Opposition offensichtlich überhaupt nicht um haushalterische Gesichtspunkte scheren muss, haben wir in der Regierung die Verantwortung, haushaltspolitisch verantwortungsvoll zu handeln.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Sie führen die Zahlen in Ihrem eigenen Gesetzentwurf an: 20 Milliarden Euro pro Jahr würden ab dem Jahr 2020 fehlen. Der zusätzliche finanzielle Spielraum, den wir in dieser Legislaturperiode haben, liegt bei circa 45 Milliarden Euro. Wenn Sie also bei einer vollständigen Abschaffung des Solidaritätszuschlages 20 Milliarden Euro ab 2020 dem Haushalt entnähmen, würden Sie uns damit einen großen Teil des Spielraums nehmen. Wenn Sie keine neuen Schulden machen wollen, bedeutet das: keine Stärkung der Familien, keine Investitionen in Infrastruktur, keine Stärkung des Wohnungsbaus,

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Genau!)

kein Aufwuchs bei Polizei und innerer Sicherheit. Das ist die Wahrheit.

Wir von der Union machen eine ausgeglichene, eine seriöse Haushaltspolitik.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Aus diesem Grund haben wir im Koalitionsvertrag vereinbart, dass wir den Ausstieg aus dem Solidaritätszuschlag ab dem Jahr 2021 in Schritten beginnen. Im ersten Schritt – Sie haben es gesagt – werden bereits 90 Prozent der heutigen Solidaritätsbeitragszahler entlastet; sie werden dann keinen Soli mehr bezahlen müssen. Das bedeutet 10 Milliarden Euro Entlastung auf einen Schlag und das Beibehalten von finanziellen Spielräumen für Wohnungsbau, Kindergeld, Digitalisierung und innere Sicherheit.

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:

Herr Kollege Gutting, der Kollege Dürr würde gerne eine Zwischenfrage stellen.

Olav Gutting (CDU/CSU):

Das darf er.

Christian Dürr (FDP):

Ganz herzlichen Dank, Herr Kollege. – Sie haben gerade den Spielraum von 45 Milliarden Euro vor dem Hintergrund der Versprechen, die die Große Koalition im Koalitionsvertrag festgehalten hat, genannt. Nun besagt die mittelfristige Finanzplanung des Bundes, dass in dieser Legislaturperiode mit Steuermehreinnahmen von 80 Milliarden bis 90 Milliarden Euro zu rechnen ist. Das ist Geld, das zusätzlich erwirtschaftet wird, insbesondere von den kleinen und mittleren Unternehmen. Ich stelle mir die Frage, Herr Kollege: Bleibt angesichts eines so großen Umfangs an Steuermehreinnahmen die Antwort der Union, dass die Mitte der Gesellschaft nur mit 10 Milliarden Euro Entlastung abgespeist werden soll? Ist das am Ende Ihre Botschaft an den Mittelstand in Deutschland?

(Beifall bei der FDP)

Olav Gutting (CDU/CSU):

Lieber Herr Kollege Dürr, Sie müssen nicht lange stehen bleiben; ich will Ihnen kurz antworten: Das ist der Unterschied zwischen Regierung und Opposition. Sie dürfen träumen, wir müssen uns an den Realitäten orientieren.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Ich sage Ihnen aber auch: Es hätte mir natürlich besser gefallen, wenn wir zum Beispiel eine Freibetragslösung gewählt hätten, durch die der Soli dann schrittweise ab 2020/21 abgeschafft würde. Dadurch hätten alle Beitragszahler von dem Ausstieg aus dem Solidaritätszuschlag profitiert.

(Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Hätte man mit der FDP machen können! Sie haben sich verweigert!)

Dass es nun so langsam geht und zudem mit einem Ungleichgewicht, dafür tragen auch Sie Verantwortung;

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Lothar Binding [Heidelberg] [SPD])

denn Sie haben sich der Regierungsverantwortung im Bund verweigert.

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Richtig!)

Das ist die Wahrheit.

(Christian Dürr [FDP]: Der Punkt war doch unverhandelbar!)

Die FDP ist ja auch Mitglied mehrerer Landesregierungen, und die Länder leisten hier keinen Beitrag. Ich habe sie hier einmal als 16 Geier bezeichnet und wurde dafür übel beschimpft. Aber richtig ist: Die Länder weigern sich seit Jahren, ihren Beitrag zu einer Einkommensteuerreform zu leisten. Immer wieder sind es die Landesregierungen, in denen auch Sie sitzen, die ihren Beitrag verweigern und gegen Steuermindereinnahmen votieren. Statt hier unfinanzierbare Vorschläge zu unterbreiten, wäre es sinnvoller, wenn Sie einmal Ihren Einfluss im Bundesrat nutzen würden, damit wir die Zustimmung für eine Einkommensteuerreform bekommen,

(Christian Dürr [FDP]: Die die Union auch nicht verhandeln wollte!)

mit der die Bezieher mittlerer und unterer Einkommen entlastet werden und der Mittelstandsbuckel abgebaut wird. Dafür brauchen wir die Länder. Hier sollten Sie mitmachen. Das wäre sinnvoll.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Im Bund bleibt uns eigentlich nur der Solidaritätszuschlag, an dem wir arbeiten können, um die Bürgerinnen und Bürger zu entlasten; und genau das wollen wir. Wir wollen die Menschen in diesem Land entlasten; aber der Rücken des Bundes ist nicht unendlich belastbar. Wir müssen darauf achten, dass wir haushaltspolitisch vernünftig handeln. Wir können den Soli nicht 2020 auf einen Schlag abschaffen. Wir wollen, dass das so schnell wie möglich geschieht, aber so verantwortungsbewusst wie nötig.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir schreiben in dieser Legislaturperiode – das steht im Koalitionsvertrag, und das werden wir auch umsetzen – das Testament für den Soli und werden mit den Begräbnisvorbereitungen beginnen.

(Dr. Marco Buschmann [FDP]: Intensivstation! – Christian Dürr [FDP]: Ihre Wiederbelebung!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, wir sind uns einig: Der Soli muss weg. Lediglich hinsichtlich des Zeitraums der Abschaffung weichen unsere Auffassungen voneinander ab. Wir, die Union, haben die Verantwortung angenommen, Sie nicht. Wir stehen für stabile Finanzen und für das Ende des Solis, aber eben auch für einen ausgeglichenen Haushalt. Aus diesem Grund müssen wir Ihren Gesetzentwurf heute ablehnen.

(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Florian Toncar [FDP]: Sie haben doch gegen den Koalitionsvertrag gestimmt!)