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Norbert Barthle: Der weltweite Handel braucht gerechte Strukturen

Redebeitrag zur Errichtung des Beratungszentrums für das Recht der WTO

Norbert Barthle, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung:

Sehr verehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich beginne meine Rede ausnahmsweise nicht mit einem Stichwort zur Coronapandemie, sondern mit zwei Stichworten, die für uns im BMZ, die für die gesamte Bundesregierung ausschlaggebend sind für die Arbeit, die wir leisten: Armut und Hunger. Die Reduzierung von Armut und Hunger ist Kernbestandteil unserer DNA; das ist die Zielsetzung unserer Entwicklungspolitik.

Armut und Hunger reduziert man am einfachsten, indem man dazu beiträgt, dass Arbeitsplätze entstehen und erhalten bleiben. Wenn es um Arbeitsplätze, um Jobs geht, dann am besten um faire, ordentlich bezahlte Arbeitsplätze.

(Johannes Selle [CDU/CSU]: Ganz genau!)

Das ist das beste Mittel, um Armut zu bekämpfen. Dazu braucht es Wachstum, dazu braucht es Handel. Der Handel ist immer noch der beste Treiber für wirtschaftliche Entwicklung. Deshalb muss man sich auch um den weltweiten Handel kümmern. Da braucht es gerechte Strukturen, und um diese gerechten Strukturen bzw. ein regelgebundenes Handeln zu sichern, gibt es eine schöne Organisation: die WTO.

Mit der WTO tragen wir dazu bei, dass Handelsbeziehungen fair gestaltet werden können. Das ist genau das, was wir wollen. Wir wollen keinen freien Handel, sondern wir wollen fairen Handel. Darum geht es uns insgesamt.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Damit sind wir bei dem Punkt, um den es heute in zweiter Lesung geht, beim Beratungszentrum für das Recht der Welthandelsorganisation, ACWL abgekürzt, Advisory Centre on WTO Law. Das ist eine internationale Institution mit Sitz in Genf. Das ist ein kleines, feines Institut, das hohes internationales Ansehen genießt. Davon konnte ich mich bei meinem letzten Besuch in Genf überzeugen.

Dieses Institut kümmert sich um Entwicklungsländer. Warum? Entwicklungsländer haben sehr häufig nur kleine Mannschaften in ihren Vertretungen, haben häufig wenig Kompetenz, wenn es um Handelsfragen geht, und können es sich nicht leisten, teure private Beratung einzukaufen. Deshalb wurde dieses Beratungszentrum eingerichtet. Es unterstützt Entwicklungsländer, wenn es um Streitbeilegungsverfahren innerhalb der WTO geht; denn wo es Regelungen gibt, gibt es auch Regelverstöße, und Regelverstößen muss man nachgehen, und dann gibt es eben Streit.

In diesem Beratungszentrum war Deutschland bisher, seit 2017, assoziiertes Mitglied. Jetzt streben wir die Vollmitgliedschaft an, sofern der Deutsche Bundestag dies am heutigen Tag beschließt. Warum wollen wir das? Ganz einfach: Mit dem Status eines Vollmitglieds kann man umfänglich mitreden, mitbestimmen, auch ein Veto einlegen, wenn das notwendig wäre. Dann bewegen wir uns im Kreis von 11 Industrieländern und 37 Entwicklungsländern. Ich glaube, es steht Deutschland gut an, sich diesem Kreis als Vollmitglied anzuschließen; damit leisten wir einen Beitrag dazu, dass Deutschland seinen internationalen Ruf als verlässlicher Partner in der Entwicklungspolitik auch dort in Genf weiter festigen kann.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Sascha Raabe [SPD])

Das waren einige Argumente, die dafürsprechen, als Vollmitglied beizutreten. Ich will noch ein Argument anfügen, das aus meiner Sicht eines der stärksten Argumente ist – es ist nicht das stärkste, aber es ist durchaus ein Argument –: Das Ganze kostet uns eigentlich nichts. Es kostet uns nicht mehr, als wir als assoziiertes Mitglied bereits leisten. Die Mitgliedschaft in diesem Beratungszentrum kostet uns 1,9 Millionen Euro, aufgeteilt in fünf Jahresscheiben; in diesen Coronazeiten ist das ein Betrag, über den es sich fast nicht zu reden lohnt. Danach entstehen keine weiteren Verpflichtungen.

Sie sehen: Dieses Institut erfüllt für die Entwicklungsländer zentrale, ganz wichtige Aufgaben; denn anders können sie sich nicht wehren und ihre Rechte durchsetzen. Dazu leistet dieses Institut einen ganz wertvollen Beitrag. Deshalb bitten wir um Unterstützung und um Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf.

Heute ist ein wahrlich historischer Tag, nicht nur wegen des Beginns der EU‑Ratspräsidentschaft, sondern auch, weil wir als BMZ ganz selten in Gesetzgebungsverfahren eingebunden sind. Wir machen in der Regel keine Gesetze, sondern wir sorgen für gute Taten auf dieser Welt. Deshalb bitte ich nochmals um Zustimmung, gerade angesichts der Situation in den Entwicklungsländern, die von der Pandemie so schwer getroffen sind. Gerade da, wo Hunderten Millionen von Menschen Hunger, Armut und Tod drohen, ist diese kleine, feine Einrichtung besonders wichtig.

Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)