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Michael Frieser: Am Ende des Tages eint uns eines: die Unabhängigkeit des Mandates

Redebeitrag in der Aktuellen Stunde zu Lobbyismus

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ein bisschen müssen Sie noch auf das Wochenende warten, aber ich verspreche: Es dauert nicht allzu lange.

Herr Bülow, ich habe hier ein nettes Buch – ich halte es mal hoch, Frau Präsidentin –: die Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages. Darin steht genau und sehr eingehend, was man machen darf. Leider Gottes steht darin nichts über den Missbrauch der Debattenkultur. Aber wir haben es in der letzten Zeit leider Gottes schon öfter erlebt, dass man ein Thema anmeldet, aber dann zu einem ganz anderen redet.

(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie wissen ja, wie man das macht!)

Ihr Einverständnis vorausgesetzt, Frau Präsidentin: In § 8 der Anlage „Verhaltensregeln für Mitglieder des Deutschen Bundestages“ heißt es zum Verfahren:

Bestehen Anhaltspunkte dafür, dass ein Mitglied des Bundestages seine Pflichten nach den Verhaltensregeln verletzt hat, holt der Präsident zunächst dessen Stellungnahme ein und leitet eine Prüfung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht ein.

Das ist genau das, was passiert, und ich kann nur sagen: Wer in einer solchen Debatte versucht, eine Vorverurteilung herbeizuführen, zeigt seine schräge Auffassung von parlamentarischer Demokratie und sorgt am Ende in der Tat für Intransparenz, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Das sollten wir auch dem Kollegen Amthor nicht antun. Denn das, was hier durch den Bundestagspräsidenten getan wird, ist absolut eindeutig.

Deshalb gibt es Verhaltensregeln. Deshalb gibt es genau die Regeln, die uns vorzugeben versuchen, in welcher Art und Weise wir nach dem Abgeordnetengesetz, das Tätigkeiten auch außerhalb des Mandates möglich macht, dieses tun. Da kommt man mit der Saubermann-Rhetorik der AfD keinen Zentimeter weiter. Wollen wir wirklich über die undiskutierten und nicht nachverfolgbaren Spenden aus dem Ausland reden? Wollen wir wirklich über Plakataktionen reden, bei denen keiner weiß, welcher Verein eigentlich dahintersteht? Das sind Reden, die allenfalls Klickzahlen bei Russia Today bringen werden, aber für die parlamentarische Demokratie führen sie uns keinen Zentimeter weiter.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Dann versuche ich doch noch mal darauf hinzuweisen: Die Verhaltensregeln, die wir haben, sollen es dem Bürger und der Bürgerin ermöglichen, sich selbst ein Bild davon zu machen, in welchen theoretischen Beziehungen, vielleicht sogar auch Abhängigkeiten, der einzelne Abgeordnete steht. Das ist das Entscheidende daran. Daran können wir ständig weiterarbeiten. Aber das Thema Lobbyismus hat damit überhaupt nichts zu tun. Damit ist das Thema verfehlt. Denn bei Lobbyismus geht es um Interessenvertretung, und Interessenvertretung in der Politik ist so alt wie die Politik selbst. Das ist doch wahrlich nichts Neues.

Auch das regelt bisher schon der Deutsche Bundestag in der Geschäftsordnung – noch ein kurzes Zitat, Frau Präsidentin –:

Der Präsident des Bundestages führt eine öffentliche Liste, in der alle Verbände, die Interessen gegenüber dem Bundestag oder der Bundesregierung vertreten, eingetragen werden.

Darüber, dass das nicht reicht, sind wir uns vollkommen im Klaren. Dass aus der Wirtschaft, aus den Unternehmen selbst, der Wunsch kommt, in Verbindung mit ihren eigenen Compliance-Vorschriften deutlich, transparent und offen zu sagen, wer an welcher Stelle in der Politik für seine Interessen einsteht und natürlich auch versucht, Einfluss geltend zu machen, das ist etwas, das wir regeln sollten.

Zu den Krokodilstränen über die Frage, ob die Anhörung im Juli oder am 1. Oktober stattfindet, kann ich nur sagen: Wer der Sache dienlich sein will, der bereitet eine ordentliche Anhörung vor, die gemeinsam, hoffe ich, zu einem Ergebnis und am Ende des Tages zu einem Gesetzentwurf führt, der nicht außerhalb des Hauses produziert worden ist.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Am Ende des Tages eint uns eines: die Unabhängigkeit des Mandates. Selbstverständlich ist jeder Kollege selbst dafür verantwortlich. Es gibt einen schönen Spruch von Curt Goetz, der sinngemäß lautet: Hätte er ein Gewissen, hätte er nicht Abgeordneter werden dürfen. – Aber genau darum geht es: das Gewissen selbst zu überprüfen. Da sind die Leitlinien eindeutig. Unabhängigkeit kann nur gewährleistet sein, wenn ich auch transparent mache, was ich vor dem Bundestag getan habe, was ich währenddessen tue und was ich danach tue. Dann können der Wähler und die Wählerin die Entscheidung darüber treffen.

Eine Vorverurteilung in einem unglaublich nebelkerzengeschwängerten Luftraum dieses Deutschen Bundestages, um einen Showdown zu haben, am besten noch bevor der Präsident bei seinen Untersuchungen herausfindet, dass am Ende des Tages wohl kein Verstoß gegen die Verhaltensregeln vorlag, ist zu wenig. Das bietet tatsächlich zu wenig Aufmerksamkeit.

Ich wünsche trotzdem ein schönes Wochenende.

(Beifall bei der CDU/CSU)