Skip to main content

Mechthild Heil: Wir brauchen standardisierte Entschädigungsansprüche

Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (Epl. 07)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir verabschieden heute den letzten Haushalt in dieser Wahlperiode. Die Haushaltsberatung ist immer ein guter Zeitpunkt, um nach vorne zu schauen. Aber ich will auch einmal Bilanz ziehen und sagen, was wir in den letzten dreieinhalb Jahren für die Verbraucherinnen und Verbraucher erreicht haben.

(Zuruf des Abg. Stephan Brandner [AfD])

Im Koalitionsvertrag hatten wir das Ziel festgeschrieben, dass wir den Verbraucherinnen und Verbrauchern mehr Sicherheit geben, dass sie sich eigenverantwortlich und selbstbestimmt in den verschiedenen Märkten bewegen können. Das ist uns auch gelungen.

Die großen Flaggschiffe in der Verbraucherpolitik, der vzbv, aber auch die verschiedenen Marktwächter, die Stiftung Warentest: Sie alle stehen wirklich sehr gut da. Auch der Sachverständigenrat für Verbraucherfragen und die Deutsche Stiftung Verbraucherschutz, die vielen Ombudsleute und auch die Schlichtungsstellen – auch unsere eigene Schlichtungsstelle, die wir eingerichtet haben – machen gute Arbeit. All diese Institutionen haben wir über die Jahre hinweg mit viel Geld, mit immer wieder neuen Mitteln unterstützt, am Leben erhalten und sie sogar ausgebaut. Der Grund, warum wir das gemacht haben, ist klar: Sie machen richtig, richtig gute Arbeit für die Verbraucherinnen und Verbraucher, und sie tragen auch zu guter Information bei. Sie sind die Anlaufstelle für Verbraucherinnen und Verbraucher, jetzt noch vermehrt, weil wir die aufsuchende Verbraucherarbeit eingeführt haben. Sie sind die Organisationen, die dort, wo es am Markt schwarze Schafe gibt, wo man den Angeboten nicht vertrauen sollte, wo es unlauteres Geschäftsgebaren gibt, den Finger auf die Wunde legen.

Diese Institutionen helfen den Verbraucherinnen und Verbrauchern direkt, aber sie helfen auch uns in der Politik, und sie helfen auch der Justiz; sie geben nämlich gute Hinweise, wo man den Finger in die Wunde legen kann und wo wir als Gesetzgeber neue Gesetze machen oder bestehende Gesetze nachschärfen müssen.

Und genau da wollten wir hin: Wir wollten weg von einer Politik, die nur auf Zuruf reagiert, die nur auf Zeitungsartikel reagiert, hin zu belastbaren Analysen und zu Forschung. Ein Beispiel dafür sind die Marktwächter. Wir haben drei Marktwächter eingeführt – in den Bereichen Finanzen, Digitales und Energie –, die alles das, was sie von den Verbraucherzentralen genannt bekommen, systematisch auswerten und uns entsprechende Hinweise geben. Ein anderes Beispiel sind die Stellen, die wir im Bereich der Universitäten, im Bereich der Forschung geschaffen haben. Auch das ist für unsere Arbeit unglaublich wichtig.

Und, lieber Herr Fechner, wir haben die Musterfeststellungsklage eingeführt. Ich darf nur an die Kollegin Winkelmeier-Becker erinnern. Ich selbst habe mit Ihrem Kollegen Kelber verhandelt. Mitnichten ist das etwas, was Sie alleine aus der Taufe gehoben haben,

(Dr. Johannes Fechner [SPD]: Na ja!)

sondern daran waren Mütter und Väter beteiligt, und ich würde gerne meine Kollegin Winkelmeier-Becker in dem Zusammenhang nennen.

(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Johannes Fechner [SPD]: Na ja!)

Ein Versprechen aus dem Koalitionsvertrag haben wir allerdings noch nicht eingehalten; das sind die fairen Verbraucherverträge. Die stecken leider noch im Ministerium der Justiz und für Verbraucherschutz fest.

(Mechthild Rawert [SPD]: Dann fragen Sie einmal nach dem Vertrag für die ambulante Pflege aus dem BMG!)

Worum geht es da im Kern? Anders, als im Koalitionsvertrag vereinbart, will das Ministerium den Vertragspartnern vorschreiben, dass eine Vertragslaufzeit nur maximal ein Jahr betragen darf. Heute sind es zwei Jahre, und man kann den Vertrag immer nach drei Monaten kündigen. Deswegen fordere ich Sie, Frau Lambrecht, auf: Seien Sie vertragstreu!

(Lachen des Abg. Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sagt die CDU!)

Das erwarten wir von einer Justizministerin. Sie haben eben angekündigt, dass Sie dem Kollegen Altmaier folgen werden und auch so vertragstreu sind und dieses Gesetz ins Kabinett einbringen werden. Wir warten darauf, wir warten im Interesse der Verbraucherinnen und Verbraucher darauf, weil in diesem Gesetz noch mehr stehen wird, zum Beispiel im Hinblick auf unlautere Telefonwerbung. Also wir erwarten, dass Sie das jetzt auch durchsetzen.

(Beifall des Abg. Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU])

Aber, Frau Ministerin Lambrecht, wir sind in der Verbraucherpolitik nicht nur auf Ihre Themen und Ihre Durchsetzungskraft angewiesen, Verbraucherpolitik spielt auch in vielen anderen Bereichen der Bundespolitik eine Rolle. Ich möchte an dieser Stelle an den Nutri-Score erinnern – das ist das Nährwertprofil, das auf den Lebensmittelverpackungen erscheint; Dank an dieser Stelle an die Ministerin Klöckner! –, den wir eingeführt haben, oder zum Beispiel an die digitale Rentenübersicht, die den Menschen eine Übersicht über ihre finanzielle Lage im Alter gibt und vielleicht auf ihre Versorgungslücke im Alter hinweist. Ein Dank an Minister Heil an der Stelle, nicht etwa, weil er mit mir verwandt oder verschwägert wäre, sondern wirklich aus Überzeugung! Ein Dank auch an unseren Kollegen Peter Weiß, der sich immer sehr, sehr stark dafür eingesetzt hat!

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die Coronapandemie trifft auch den Bereich der Verbraucherpolitik. Wir haben gesehen: Das stellt uns vor ganz neue Herausforderungen, nicht nur bei der Durchsetzung der Fluggastrechte und der Reiserechte, sondern überhaupt in der digitalen Welt; da sind neue Herausforderungen. Also: Wie können wir den Kunden, den Verbraucherinnen und Verbrauchern, ganz konkret helfen, sich sicher auf den Plattformen zu bewegen, digitale Angebote zum Beispiel von ihren Händlern vor Ort zu nutzen, aber auch bei den großen Anbietern wie Amazon, Google oder Facebook sich zu bewegen und das alles, ohne unseren Innenstädten zu schaden und sie ausbluten zu lassen? Wie können wir – Herr Müller hat es eben auch gesagt – Prozesse für die Verbraucherinnen und Verbraucher digitalisieren und verkürzen? Das gilt nicht nur für die Ministerien, das gilt genauso für die Verbraucherzentralen oder – Sie haben es erwähnt – für das Patentamt, das gilt für die Universitäten, für Banken, Versicherer.

Wir brauchen standardisierte Entschädigungsansprüche, die man digital anmelden kann, wie es zum Beispiel Minister Scheuer bei der Bahn im Zusammenhang mit den Verspätungen angesprochen hat. Das ist der richtige Weg. Da haben wir in Zukunft noch viel, viel Arbeit vor uns. Ich wollte Ihnen sagen: In der Vergangenheit haben wir gut gearbeitet, wir sind gut aufgestellt für die Zukunft. Ich freue mich darauf, dass wir da im nächsten Jahr weitermachen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Esther Dilcher [SPD])