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Matthias Hauer: Versäumnisse gehören schonungslos auf den Tisch

Redebeitrag zum Fall Wirecard

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Skandal um den Finanzdienstleister Wirecard hat den Finanzplatz Deutschland erschüttert. 1,9 Milliarden Euro, angeblich angelegt auf philippinischen Treuhandkonten: verschwunden oder nie dagewesen? Ein Drittel der Bilanzsumme des Unternehmens: eine Fata Morgana? Durchsuchungen, Haftbefehle, ewig andauernde Prüfungen, ein DAX-Konzern im Sturzflug: Da gibt es sehr viel aufzuklären.

Dabei gehören Versäumnisse schonungslos auf den Tisch. Das sind wir Anlegern, Mitarbeitern, Investoren, aber auch allen anderen Akteuren am Finanzmarkt schuldig. Unternehmen und Finanzaufsicht müssen verlässlich und ordnungsgemäß agieren. Ein solcher Fall darf sich in Deutschland nicht wiederholen. Wir als CDU/CSU erwarten, dass der Skandal konsequent und lückenlos aufgeklärt wird, sowohl strafrechtlich als auch aufsichtsrechtlich und politisch.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die bislang enthüllten Vorgänge bei Wirecard sind nicht nur ein Bilanzskandal. Sie sind ein einmaliger Vorgang in der deutschen Wirtschaftsgeschichte. Strafrechtlich ist zunächst die zuständige Ermittlungsbehörde, die Staatsanwaltschaft, in der Pflicht. Hier laufen die Ermittlungen. Wir haben die Erwartung, dass diejenigen, die Straftaten begangen haben, mit aller Härte des Gesetzes zur Rechenschaft gezogen werden.

Aufsichtsrechtlich und politisch ist der Fall aber ebenso aufzuklären. Da komme ich nicht umhin – Dr. Bayaz hat es gerade auch schon erwähnt –, mich mit der ersten Reaktion unseres Bundesfinanzministers zum Fall Wirecard auseinanderzusetzen. Olaf Scholz hat am vorletzten Montag noch gesagt, die Aufsichtsbehörden hätten im Fall Wirecard ihren Job gemacht. – Das war in höchstem Maß irritierend. Was heißt „ihren Job gemacht“? Heißt das „Weiter so“? Heißt das „Alles richtig gelaufen“? Das klang jedenfalls nicht wie der Startschuss für eine dringend notwendige politische Aufarbeitung.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Und BaFin-Chef Felix Hufeld hat sich am selben Tag schon deutlich klarer geäußert. Er hat von einem „Desaster“ gesprochen. Immerhin äußert sich mittlerweile auch Olaf Scholz anders. Er muss raus aus der Defensive und mit konsequenter Aufklärungsarbeit beginnen. Wir haben dem BMF viele Fragen gestellt, auch zu seiner eigenen Rechtsund Fachaufsicht über die BaFin. Unser gemeinsames Ziel muss es sein, Lücken und Schwächen im Aufsichtsregime zu schließen.

Gestern im Finanzausschuss ist uns Herr Hufeld auf unsere Fragen keine Antworten schuldig geblieben. Ich hoffe, das bleibt so. Wir dürfen erwarten, dass die BaFin nicht nur eine starke Aufsicht ist, sondern auch stark in der Aufarbeitung des Falls Wirecard mitarbeitet.

(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Na ja!

Mein Vertrauen ist geschwunden!)

Zudem müssen wir klar beantworten, was Kernaufgaben der BaFin sind, und vor allem, was sie nicht sind. Dazu gehört zum Beispiel nicht das Führen von Vergleichswebsites für Bankgebühren; das hatten die Grünen in der letzten Sitzungswoche beispielsweise beantragt. Dazu gehört aber auch nicht die zusätzliche Aufsicht über 38 000 Finanzanlagenvermittler, was Anliegen der SPD ist.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir alle in diesem Hohen Hause sollten politisch dazu beitragen, dass sich die BaFin auf ihre Kernaufgaben konzentrieren kann. Das ist – Fall Wirecard lässt grüßen – bitter nötig. Zahlreiche Problemfelder gilt es nun in den folgenden Wochen und Monaten zu beleuchten. Vier will ich Ihnen exemplarisch nennen:

Erstens: die Rolle der Wirtschaftsprüfer. Dazu wurde gerade schon einiges gesagt; dazu wird gleich Kollege Fritz Güntzler noch einiges mehr sagen. Deshalb will ich mich darauf beschränken, das anzusprechen.

Punkt zwei: das zweistufige Verfahren der Bilanzprüfung. Wieso hat es Probleme nicht ans Licht gebracht? Hatte die BaFin das Recht, selbst tätig zu werden, Sonderprüfungen durchzuführen? Oder braucht die BaFin exakt solche Rechte in jedem Stadium des Verfahrens? Das gilt es zu klären.

Der dritte Punkt: die Rolle der Deutschen Prüfstelle für Rechnungslegung. Wie kann es sein, dass die Prüfung weit über ein Jahr dauert? Die DPR hat betont, dass ihre Prüfungen derzeit streng nach den Vorgaben der Ministerien von Frau Lambrecht und Herrn Scholz erfolgen und dass sie – so steht es in der Pressemitteilung – von der Vertragskündigung durch die beiden Ministerien aus der Presse erfahren hat. Auch zu Ablauf und Dauer der Verfahren gibt es reichlich Klärungsbedarf.

Vierter und letzter Punkt: die Beaufsichtigung von Fintechs. Ob ein Unternehmen Finanzholding oder Technologieunternehmen ist, hier muss Klarheit bei der Aufsicht her. Gerade bei großen Playern mit einem Labyrinth aus ausländischen Beteiligungen muss im Zweifel eine stärkere Aufsicht erfolgen.

Abschließend bleibt festzustellen: Jetzt ist das Bundesfinanzministerium am Zug. Wir erwarten kurzfristig Antworten auf unsere Fragen. Ich nehme an, dass der Finanzminister heute nicht da ist, weil er gerade an der Beantwortung unserer Fragen intensiv arbeitet. Wir brauchen ein BMF-Konzept, aus dem hervorgeht, wie solche Unternehmen wirksamer kontrolliert werden können. Der Fall Wirecard erfordert unseren vollen Einsatz.

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Kommen Sie zum Schluss, bitte.

Matthias Hauer (CDU/CSU):

Auch wenn morgen die parlamentarische Sommerpause beginnt, sage ich deutlich: Wir als Union stehen zur Aufklärung bereit, auch für mögliche Sondersitzungen des Finanzausschusses während der Sommerpause.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie des Abg. Dr. Danyal Bayaz [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])