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Matthias Hauer: Transparenz - genau das muss unser Anspruch sein

Redebeitrag in der aktuellen Stunde zu Cum Ex Steuerdeals der Warburg Bank und Rolle der Politik

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Millionengeschenke auf Kosten der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler an eine Hamburger Privatbank, die illegale Steuertricksereien gemacht hat, und Hamburger Finanzbehörden, die lascher als nahezu alle anderen Finanzbehörden gegen Cum/Ex-Steuerbetrug vorgegangen sind, und das alles während der Amtszeit des heutigen Finanzministers Olaf Scholz als Erster Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg – darum geht es in der heutigen Aktuellen Stunde. Da drängen sich natürlich viele Fragen auf: zu bislang verschwiegenen Treffen von Herrn Scholz mit dem Bankenchef – insofern gibt es tatsächlich einen neuen Sachverhalt, weswegen wir uns heute zu Recht in einer Aktuellen Stunde treffen –, aber auch zu politischer Einflussnahme durch den heutigen Bundesfinanzminister und durch andere Hamburger SPD-Größen zulasten der Steuerzahler.

Noch einmal zur Erinnerung: Worum geht es eigentlich bei den sogenannten Cum/Ex-Geschäften? Vermeintlich findige Banken und Investoren haben Aktiengeschäfte allein mit dem Ziel getätigt, sich Kapitalertragsteuer zweimal erstatten zu lassen, die nur einmal gezahlt wurde. Grundlage dieser kriminellen Geschäfte war ein Aktienhandel rund um den Dividendentermin, nämlich kurz davor, Cum-Dividende, und kurz danach, Ex-Dividende. Durch Leerverkäufe und das gezielte Ausnutzen von Fristen fielen der rechtliche und der wirtschaftliche Eigentümer der Aktie auseinander. Mit großer krimineller Energie gelang es so, die Abführung der Kapitalertragsteuer doppelt bescheinigt und damit doppelt erstattet zu bekommen. Das war damals noch möglich, weil es nicht dieselbe Stelle war, die den Steuerabzug vornahm und die Steuerbescheinigung ausstellte.

Spätestens seit 2012 sind diese Cum/Ex-Geschäfte nicht mehr möglich. Unter Finanzminister Wolfgang Schäuble wurde die steuerliche Systematik geändert und damit den Cum/Ex-Geschäften die Grundlage entzogen. Dennoch sind wir wachsam und müssen wir auch gemeinsam wachsam sein, andere illegale Steuertricksereien aufzudecken. Da sind wir gemeinsam im Kampf gefordert.

Derzeit sind Staatsanwaltschaften und Gerichte mit den Cum/Ex-Profiteuren befasst. Unsere Erwartungshaltung ist, dass diese Kriminellen auch hart bestraft werden. Selbstverständlich sollte dabei sein, dass staatliche Stellen das Steuergeld zurückholen, das durch solche Betrügereien zulasten der Steuerzahler ergaunert wurde, zumal es laut Anklageschrift im Hamburger Fall um einen insgesamt dreistelligen Millionenbetrag geht. Wir wollen, dass die Betrüger die Steuermillionen nicht behalten können.

(Christian Dürr [FDP]: Leider ist das so!)

In Hamburg scheint das nicht selbstverständlich gewesen zu sein. Während Herr Scholz in der Öffentlichkeit Cum/Ex gerne als strafbar oder auch als „Riesenschweinerei“ bezeichnet, findet Herr Scholz im Zwiegespräch mit diesen Vertretern der Cum/Ex-Betrüger offenbar kein negatives Wort und gibt sogar noch Handlungstipps, was man wem wie schicken soll. Da frage ich Sie, Herr Scholz: Wieso haben Sie da nicht Klartext gesprochen?

(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Genau!)

Wieso haben Sie denen nicht mal den Kopf gewaschen?

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das verstehe ich nicht. Ein kraftvolles Schweigen reicht da einfach nicht für einen späteren Bundesfinanzminister. Da fallen öffentliches Reden und tatsächliches Handeln bei Ihnen offenbar auseinander.

Allein 2016 ging es um eine drohende Verjährung von circa 47 Millionen Euro. Dazu gab es die Treffen zwischen Ihnen und Vertretern der Banken, mindestens zwei persönliche Treffen, ein Telefonat. Das wurde bislang von Ihnen, Herr Scholz, verschwiegen. 2016 hat sich Hamburg dafür entschieden, das verjähren zu lassen. 2017 ging es weiter; es drohte eine erneute Verjährung, diesmal von 43 Millionen Euro. Da musste Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble eingreifen

(Christian Dürr [FDP]: Richtig!)

und Sie auf den Pfad der Tugend zurückbringen. Eine schriftliche Weisung – das muss man sich einmal vorstellen: erst auf schriftliche Weisung! – musste ergehen, damit das von Herrn Scholz geführte Bundesland die betrügerisch erlangten Steuermillionen überhaupt zurückverlangt. Ein unglaublicher Vorgang!

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Christian Dürr [FDP] und Fabio De Masi [DIE LINKE])

Herr Scholz, Sie berufen sich in der ganzen Sache auf Erinnerungslücken, weil Sie viele Gespräche führen. Ich glaube Ihnen, dass Sie viele Gespräche führen; das ist für einen Bürgermeister auch selbstverständlich. Aber man muss sich einmal diese Dimension vor Augen führen: Es geht um mehrere persönliche, auch längere Treffen. Es geht allein um 90 Millionen Euro in 2016 und 2017, Steuergeld. Es geht um eine örtlich bedeutsame Institution, eine Bank mit finanziellen Schwierigkeiten. Und es geht um kriminelle Cum/Ex-Machenschaften. Angesichts dieser Dimension – das muss ich Ihnen sagen, Herr Scholz – halte ich es für wenig glaubhaft, dass Sie daran keine Erinnerung haben.

(Beifall bei der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Als letzten Satz möchte ich sagen: Herr Scholz, Sie sprechen gerne von voller Transparenz. Lassen Sie Ihrem Reden endlich Taten folgen! Genau das muss nämlich unser Anspruch sein.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie des Abg. Fabio De Masi [DIE LINKE])