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Klaus-Peter Willsch: "Wir verfolgen eine restriktive Rüstungsexportpolitik"

Die Genehmigung für U-Boote an die Türkei widerrufen

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kollegen! Frau Keul, jetzt haben wir mal wieder so eine Debatte. Ich habe schon darauf gewartet, dass wir mal wieder Rüstungsexporte debattieren. Heute haben wir dazu gleich drei Anträge, und es sind ein paar echte Klassiker dabei.

(Sevim Dağdelen [DIE LINKE]: Sie könnten ja auch mal einen TOP aufsetzen!)

Wieder einmal wird hier von einigen der falsche Eindruck vermittelt, Deutschland wäre die Rüstungsschmiede der Welt.

(Sevim Dağdelen [DIE LINKE]: Das hat keiner behauptet!)

Das ist, wie Sie alle miteinander wissen, absoluter Unsinn.

Die Bundesregierung verfolgt eine restriktive und verantwortungsvolle Rüstungsexportpolitik. Über die Erteilung von Genehmigungen von Rüstungsexporten entscheidet die Bundesregierung im Einzelfall und im Lichte der jeweiligen Situation nach sorgfältiger Prüfung unter Einbeziehung außen- und sicherheitspolitischer Erwägungen. Grundlage hierfür sind die rechtlichen Vorgaben des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen, des Außenwirtschaftsgesetzes und der Außenwirtschaftsverordnung, der Gemeinsame Standpunkt des Rates der Europäischen Union vom 8. Dezember 2008, der Vertrag über den Waffenhandel, The Arms Trade Treaty, sowie die am 26. Juni 2019 in geschärfter Form verabschiedeten Politischen Grundsätze der Bundesregierung für den Export.

Diese Politischen Grundsätze wurden in ihrer Urfassung, auf deren Grundlage wir übrigens noch heute arbeiten, 2000 von einer rot-grünen Bundesregierung verfasst. Streitpunkt war damals der Export von Panzern an unseren NATO-Partner Türkei. Grüne befürchteten einen Einsatz der Panzer als Mittel der inneren Repression, die SPD hielt dem entgegen – was bis heute richtig ist –, dass wir mit NATO-Partnern, mit denen wir gemeinsam unsere Sicherheit gewährleisten, Lieferbeziehungen unterhalten, auch bei Waffen. Heute geht es nicht um Panzer, sondern um U-Boote. Sie haben selbst gesagt: Das Geschäft ist 2009 begonnen worden.

(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da waren Sie auch schon an der Regierung!)

Ich will noch einmal deutlich machen, dass wir nach wie vor eine äußerst restriktive Rüstungsexportpolitik betreiben.

(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Was? So ein Quatsch!)

Sie müssen sich nur noch einmal die Protokolle der Anhörung anschauen, die wir eigens auf Ihren Wunsch hin durchgeführt haben. Damals hat sogar die IG Metall in ihrer Stellungnahme zugegeben:

Auch wenn die Einschätzungen über die Genehmigungspraxis der Bundesregierung unterschiedlich sind, so bleibt doch festzuhalten, dass die Rüstungsexportkontrolle in Deutschland im internationalen Vergleich restriktiv gestaltet ist.

Wissen Sie: Die Türkei gehört nicht zu meinen Urlaubszielen. Ich war dort noch nie im Urlaub, und ich habe auch überhaupt keine Neigung, unter diesen Umständen, unter Erdogan, dorthin zu fahren.

(Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo fahren Sie denn hin? – Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es ist doch keine Frage von Urlaub! Das ist doch kein Kriterium!)

Es gibt sympathischere Staaten, bei denen ich mir eher vorstellen könnte, U-Boote zu liefern. Aber wie dem auch sei: Wir sind, wie auch die Türkei, Mitglied der NATO. Wir können eine außenpolitische, eine verteidigungspolitische Debatte über Bündnisfragen führen,

(Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber nicht über Urlaubsorte!)

aber hier ist nicht der Platz dafür.

Ich bin als Wirtschaftspolitiker darauf erpicht, dass wir als Deutsche zuverlässige Partner in den Technologiefeldern, in denen wir arbeiten, sind, und dazu gehört dieses. Den Grundsatz, dass wir uns innerhalb der NATO gegenseitig mit Waffen und Waffensystemen unterstützen, sollte man wirklich nicht infrage stellen, weil das unsere Bündnisfähigkeit infrage stellt.

Wir hatten diese Woche in der Parlamentsgruppe Luft- und Raumfahrt einen digitalen Termin zum Thema FCAS. Wir versuchen gemeinsam mit Franzosen und mit anderen, die nächste Generation der Luftverteidigung zu entwickeln und aufzubauen. Ich kann Ihnen sagen, dass hier darauf geschaut wird, wie Deutschland mit solchen Themen umgeht. Wenn wir uns in Technologiefragen und in der gemeinsamen Entwicklung, die Perspektiven von mehreren Jahrzehnten haben, als nicht zuverlässig erweisen, dann können wir uns abmelden.

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage oder ‑bemerkung von Herrn Trittin?

Klaus-Peter Willsch (CDU/CSU):

Aber immer. Ja, Herr Trittin, bitte sehr.

Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Lieber Herr Kollege Willsch, Sie hatten gesagt, es sei Ihre Auffassung, dass sich NATO-Partner gegenseitig mit Waffen beliefern; das sei so üblich. Ich habe zwei Fragen. Die erste: Ist es richtig, dass die von Ihnen zitierte Rüstungsexportrichtlinie, deren Autorin hinter Ihnen sitzt, besagt, dass NATO-Mitglieder auch ausgenommen werden können? Und die zweite Frage, die ich habe: Halten Sie es unter NATO-Mitgliedern für üblich, dass ein NATO-Mitglied, nämlich die Türkei, mit Waffen gegen ein anderes NATO-Mitglied, gegen Frankreich, oder auch gegen eine deutsche Fregatte vorgeht? Halten Sie es für üblich unter NATO-Mitgliedern, dass ein NATO-Mitglied in der AWZ anderer NATO-Mitglieder widerrechtlich Explorationen durchführt?

Klaus-Peter Willsch (CDU/CSU):

Herr Trittin, dass Sie es nach wie vor als historische Niederlage empfinden, dass Sie dem damals in der Schröder-Regierung zugestimmt haben, das kann ich nachvollziehen. Aber ich bin nicht Ihr Therapeut, der sich bemüht, Ihre Traumata zu bewältigen. Das müssen Sie schon selbst fertigbringen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Heiterkeit bei der CDU/CSU, der AfD und der FDP – Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE]: Das war aber nicht die Frage! Was soll das jetzt? – Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie müssen mal zum Ohrenarzt!)

Darüber hinaus ist das von Ihnen zu Recht kritisierte Verhalten alles andere als üblich unter militärischen Partnern; da gebe ich Ihnen vollständig Recht. Aber das müssen wir an anderer Stelle diskutieren, das gehört nicht hierher.

(Lachen des Abg. Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Wo, wenn nicht hier?)

Das ist eine bündnis- und verteidigungspolitische Debatte.

(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau die führen wir ja auch gerade!)

Ich habe mich gewundert, wie, als wir gesagt haben: „Jetzt lasst uns angesichts des Verhaltens von Erdogan endlich mal die Beitrittsverhandlungen abbrechen“, von den Grünen immer wieder kam: Nein, um Gottes willen! Wir müssen weiterreden. Wir müssen sie halten. – Machen Sie sich doch mal ehrlich! Das passt doch nicht zueinander, was Sie uns hier alles vortragen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich will noch den zweiten Punkt aufgreifen, der in einem der Anträge gegenständlich ist, nämlich dass es eine Regelungslücke gäbe. Es gibt keine Regelungslücke. Natürlich sind alle E-Mails, Vorarbeiten und Konzeptpapiere mit dem gleichen Genehmigungsvorbehalt unterlegt, mit dem auch die Lieferung und der Verkehr von physischen Waffen unterlegt sind.

Noch ein Zitat aus unserer Anhörung zu diesem Thema: Professor Dr. Joachim Krause hat hierzu deutlich Stellung genommen. Sie sollten Wirklichkeiten auch einfach mal zur Kenntnis nehmen. Ich zitiere:

… Produktionsverlagerungen ins Ausland oder technische Unterstützung ausländischer Unternehmen sind ein unvermeidbares Folgeproblem einer deutschen Rüstungsexportpolitik, die deutlich restriktiver ist als die seiner europäischen Partnerländer.

(Alexander Graf Lambsdorff [FDP]: So ist es! Genau!)

Und jetzt aufgemerkt:

Eine zu strenge deutsche Genehmigungspraxis treibt Unternehmen ins Ausland. In einer globalisierten Wirtschaft und einer integrierten europäischen Wirtschaftszone ist das kaum zu unterbinden.

Das müssen Sie einfach mal zur Kenntnis nehmen. Das sind Wirklichkeiten, mit denen wir uns als Industrienation auseinandersetzen müssen.

Ich will auch noch ein mahnendes Wort zum Thema „Bewaffnung von Drohnen“ sagen. Auch hier wird eine Nagelprobe für unsere internationale Bündnisfähigkeit und Kooperationsfähigkeit anstehen, und der können wir nicht ausweichen.

(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Aha!)

Wenn wir Drohnen, die wir anschaffen, nicht bewaffnen, dann erweisen wir nicht nur den Soldaten, die im Einsatz sind und die nicht nur die Aufklärung, sondern auch die Wirkungsmöglichkeit brauchen, einen Bärendienst, sondern unternehmen auch einen Angriff auf die Wahrnehmung unserer Bündnisfähigkeit und auf die Zuverlässigkeit, mit der uns unsere technologischen Partner betrachten.

Meine Redezeit neigt sich dem Ende zu.

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Nein, sie ist zu Ende.

Klaus-Peter Willsch (CDU/CSU):

Sie ist gerade überschritten. Deshalb höre ich jetzt auf.

(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Kein Wort zu de U-Booten! Thema verfehlt!)

Lesen Sie nach, was Herr Bartels in der „NZZ“ zu diesem Thema geschrieben hat, dann kriegen Sie eine etwas realistischere Einschätzung zu dem ganzen Thema Rüstungsexportpolitik.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)