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Julia Klöckner: Wenn unsere Bauern aufhören, zu ackern, haben wir alle ein Problem

Redebeitrag zum Einzelplan 10 - Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft

Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrtes Parlament! Auf die Afrikanische Schweinepest gehe ich in dieser Haushaltsrede nicht ein. Zu dieser Frage sind wir im permanenten parlamentarischen Kontakt.

Verehrte Kollegen, die Coronapandemie hat unser Leben, das Arbeiten von uns allen beeinflusst, so auch das unserer Landwirtinnen und Landwirte und der Lebensmittelbranche. Ihre Systemrelevanz ist deshalb nicht nur so dahingesagt. Dass wir trotz zeitweise geschlossener Grenzen jeden Tag mit Lebensmitteln versorgt waren und sind, gilt uns in der Regel als selbstverständlich. Aber in der Coronahochzeit ist es uns noch mal besonders bewusst geworden: Wenn unsere Bauern aufhören, zu ackern, haben wir alle ein Problem.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Es muss also in unser aller Interesse sein, dass Bauernfamilien Freude an ihrem Beruf haben und dass sie sich nicht in erster Linie dafür rechtfertigen müssen, was sie tun. Es muss in unser aller Interesse liegen, dass in der Landwirtschaft tätige Familien mit ihrer Arbeit ein auskömmliches Einkommen erzielen. Und warum? Damit auch die junge Generation Lust darauf hat, Höfe zu übernehmen.

Lebensmittel zu erzeugen, das hat Sinn, nämlich uns zu ernähren. Aber Nahrungsmittelproduktion geht auf Dauer nicht gegen die Akzeptanz von Verbraucherinnen und Verbrauchern. Konsument und Produzent, sie schauten mal gemeinsam in eine Richtung. Heute macht sich der Eindruck eines Gegeneinanders breit. Hohe Erwartungen gibt es auf der einen Seite an die anderen, an die Bauern, nämlich nach mehr Tierwohl, noch mehr Klima- und Umweltschutz, mehr Nachhaltigkeit, mehr Biodiversität und auch nach bezahlbaren Lebensmitteln. Auf der anderen Seite steht die Forderung der Landwirte, dass diese hohen Erwartungen mit entsprechenden Verbraucherpreisen und Ausgleichszahlungen unterlegt werden. Denn welcher Landwirt, liebe Kolleginnen und Kollegen, sollte mit Freude jahrelang drauflegen und das auch noch seinen Kindern empfehlen?

Ich will, dass Verbraucher ihren Landwirten vertrauen. Und ich will, dass Landwirte mit Zuversicht die Weiterentwicklung ihrer Arbeit angehen. Die Antwort auf diese Anforderungen ist dieser Zukunftshaushalt der Großen Koalition. Dieser Haushalt ist ein ganz klares Bekenntnis dazu.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Linda Teuteberg [FDP])

Wir sagen Ja zu den ländlichen Räumen, Ja zu starken, wettbewerbsfähigen Bauernhöfen, Ja zu einer innovativen Ernährungswirtschaft am Standort Deutschland, Ja zum größten Aufforstungsprogramm in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland und Ja zum größten Stallumbauprogramm für mehr Tierwohl. Auch das setzen wir auf die Tagesordnung unserer EU-Ratspräsidentschaft.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich lege erneut einen Rekordhaushalt vor: für die Land- und Ernährungswirtschaft, für die ländlichen Räume, den Wald, die Nachhaltigkeit, das Tierwohl, den gesundheitlichen Verbraucherschutz, die Fischerei. 7,66 Milliarden Euro, diese Zahl steht für eine Zukunftszusage.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Denn das, was wir von landwirtschaftlicher Erzeugung mehr erwarten und was die Arbeit unserer Landwirte teurer macht, müssen wir ausgleichen. Ja, liebe Kollegen, ich will, dass unsere Bäuerinnen und Bauern in Deutschland weitermachen.

Die Landwirtschaft steht vor vielen Zielkonflikten, Umwelt- und Klimaschutz auf der einen und Erntesicherung auf der anderen Seite. Ich will es konkreter sagen: Weniger Schädlingsbekämpfungsmittel sind gesellschaftlich gewünscht. Fällt aber der komplette Schutz für die Pflanze weg, ist die Ernte gefährdet, die Ressourcen aber auch.

(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE], an die CDU/CSU gewandt: Das ist eure Ministerin! Da muss man mal klatschen!)

Wunsch und Wirklichkeit liegen oft sehr weit auseinander: perfektes Obst und Gemüse in ausreichender Menge zu bezahlbaren Preisen, am liebsten hergestellt ganz ohne Pflanzenschutzmittel und ganz ohne Düngung, höchste Tierwohlstandards, große Ställe und Freilauf, am liebsten zu ganz günstigen Preisen an der Ladentheke. Aber wie soll das gehen? Die Lösung liegt nicht nur, aber eben auch in der richtigen Finanzierung und nicht im Entweder-oder.

(Ralph Lenkert [DIE LINKE]: Klatschen!)

Wir als Ministerium setzen deshalb auf Innovationen, die sich in der Praxis bewähren. Das sind Ställe der Zukunft, die mehr Tierwohl bieten, moderne Maschinen, digitale Technologien, die Dünger präziser ausbringen, Böden schonen, die Arbeit erleichtern und zugleich Geld sparen. Übersetzt in unseren Haushaltsentwurf heißt das: Das Investitions- und Zukunftsprogramm Landwirtschaft ist 2021 mit 207 Millionen Euro unterlegt. Insgesamt sind das in den kommenden vier Jahren sage und schreibe 816 Millionen Euro für unsere deutsche Landwirtschaft.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Damit unterstützen wir die Landwirte ganz konkret, um Wirtschaftsdünger emissionsärmer zu lagern, umweltfreundlicher aufzubringen. Wir fördern die Entwicklung von Geräten, um Pflanzenschutzmittel einzusparen und präziser auszubringen. Das wollen die Verbraucher. Das wollen auch die Landwirte. Das will auch die Ernährungswirtschaft, und das will auch der Handel, aber umsetzen müssen es die Landwirte. Deshalb benötigen gerade die Landwirte mehr als alle anderen in der Kette unsere Unterstützung.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich sage ganz klar: Wer fordert, muss auch fördern, damit ein Umsetzen möglich ist. Wir fordern mehr Tierwohl; wir fördern den Umbau der Ställe. Dafür nehmen wir 300 Millionen Euro aus dem Konjunkturpaket in die Hand. Das hat es in diesem Umfang noch nie zuvor gegeben. Das macht die Große Koalition,

(Beifall bei der CDU/CSU)

für bessere Ställe, für mehr Tierwohl, für mehr gesellschaftliche Akzeptanz und mehr landschaftliche Planbarkeit. Zudem richten wir mit fast 40 Millionen Euro Tierwohlkompetenzzentren ein, entwickeln die Ställe der Zukunft. Mit Blick auf den Boden gibt es die Ackerbaustrategie: Mit 24 Millionen Euro für Forschung und Förderung des modernen Pflanzenbaus machen wir den Ackerbau fit für die Zukunft, angepasst an den Klimawandel. Es geht um Bodenfruchtbarkeit, abwechslungsreiche Fruchtfolgen, passgenaue Düngung. Und Landwirte wollen die Grundlagen ihrer Arbeit schützen, und sie tun dies durch Insektenschutz. Mit dem Sonderrahmenplan Insektenschutz stellen wir sage und schreibe 85 Millionen Euro zur Verfügung; denn wir als Große Koalition sagen Ja zum Insektenschutz und zum Ernteschutz. Aber wir sagen Nein zum Schädlingsschutz und zur Ressourcenvernichtung.

(Beifall bei der CDU/CSU)

So, liebe Kollegen, geht Umweltschutz, so geht Artenschutz, so geht Ernteschutz: machen statt klagen, helfen statt hängen lassen. Hier sind wir Vorreiter. Wir sind Treiber einer Entwicklung für die Landwirtschaft – mit Augenmaß. Nicht gegen, sondern mit den Bauern, nicht gegen, sondern mit den Verbrauchern. Genau deshalb investieren wir in die Digitalisierung, in digitale Forschungsfelder; denn wir wollen Arbeit erleichtern und präziser machen, Ressourcen schonen und am Ende auch den Geldbeutel schonen. Das ist gut für die Entwicklung in den ländlichen Räumen.

Aber wir vergessen die Landwirte auch nicht in schwierigen Situationen, bei Unfällen, bei Krankheit, im Alter. Wir nehmen über 4 Milliarden Euro für die landwirtschaftliche Sozialpolitik in die Hand. So stärken wir denen den Rücken, die uns jeden Tag den Tisch decken. Das ist in unser aller Interesse.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Verehrte Abgeordnete, noch einen Gedanken zu den zusätzlichen 30 Millionen Euro, die nicht im Haushalt zu finden sind, aber für die landwirtschaftliche Krankenkasse eingesetzt werden. Diese zusätzlichen 30 Millionen Euro kommen aus dem Gesundheitsfonds. Das habe ich mit Gesundheitsminister Spahn ausgemacht und auch mit dem Kabinett vereinbart. Das hat zur Folge, dass die Beiträge stabil bleiben, dass sie nicht steigen. Das sind Zeichen der Wertschätzung gegenüber der Landwirtschaft.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Eine weitere Wertschätzung, die man kaum besser fassen kann, betrifft unseren Wald, eine Jahrhundertaufgabe. Stürme, Dürre, Borkenkäfer – der Wald leidet wie nie zuvor, und wir helfen ihm so stark wie nie zuvor: 800 Millionen Euro mit den Ländern zusammen und jetzt noch einmal 700 Millionen Euro aus dem Konjunkturpaket, um Wälder zu räumen, um wieder aufzuforsten. Klimaresiliente, standortangepasste Mischwälder werden gepflanzt. Wir führen in Deutschland erstmalig eine Nachhaltigkeitsprämie ein. 1,5 Milliarden Euro für diesen Wald. Ich kann nicht glauben, dass die Grünen, die viel über den Wald reden, so etwas überhaupt hinbekommen hätten.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Albert Stegemann [CDU/CSU]: Richtig! Wir liefern! – Gegenruf der Abg. Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wird ja ein lustiger Wahlkampf!)

Wald hat etwas mit Lebensqualität zu tun, aber das Land auch. Deshalb fördern wir das Ehrenamt auf dem Land. Wir fördern gleichwertige Lebensverhältnisse. Wir wollen, dass am Ende Stadt und Land nicht gegeneinander, sondern miteinander arbeiten.

Ich möchte schließen mit einem ganz wichtigen Punkt, der uns alle verbindet, das Essen. Im November kommt der Nutri-Score. Und ich werde Ihnen sagen: Diesen Nutri-Score werden mehr nutzen als alle, die dagegen sind, die jetzt darüber reden und sagen, er werde nie kommen. Er wird kommen, und er wird breit genutzt werden.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Sehr geehrte Damen und Herren, ich habe Ihnen zu Beginn dieser Legislatur versprochen: Die gesunde Wahl wird einfacher werden. – Wir sind sehr erfolgreich mit unserer Ernährungspolitik – nicht mit Verboten; dafür sind andere zuständig. Wir haben erreicht, dass bei den Fertigprodukten Zucker, Salze und Fette merklich reduziert werden. Wir gehen den Weg. Wir reden nicht darüber, wir machen. Und am Ende sage ich Ihnen ganz klar: Weil wir verändern, können wir das bewahren, was uns wichtig ist.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU – Albert Stegemann [CDU/CSU]: Hervorragend!)