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Jürgen Hardt: Europa muss zusammenstehen

Haushaltsgesetz 2018 - Rede zum Einzelplan 05 - Auswärtiges Amt

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte etwas Ruhe in die Debatte bringen.

(Marianne Schieder [SPD]: Sehr gut! Und Vernunft! Vernunft ist auch gut!)

Ich finde es gut, wenn uns auch einmal vorgetragen wird, wie viele Auslandsvertretungen wir haben und wie gut die Arbeit der politischen Stiftungen im Ausland funktioniert.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und der LINKEN)

Wenn Sie mit Bürgerrechtlern in Ländern sprechen, die möglicherweise nicht dieselben Freiheitsrechte genießen wie wir, merken Sie: Sie sind hoch dankbar dafür, dass die politischen Stiftungen – und da schließe ich ausnahmslos alle mit ein – entsprechend präsent und vor Ort sind.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie der Abg. Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Wenn wir als Abgeordnete unterwegs sind, profitieren wir immer sehr davon, wenn wir uns mit den Leitern der politischen Stiftungen jenseits der offiziellen staatlichen Sicht des Gastlands oder Deutschlands über die Situation im Land austauschen können.

(Jürgen Braun [AfD]: Nebenaußenpolitik ohne Kontrolle durch das deutsche Parlament! Genau das ist es!)

Der Bundesaußenminister hat die Herausforderungen der deutschen Außenpolitik richtig beschrieben. Kern unserer Herausforderungen ist der Erhalt der regelbasierten internationalen Ordnung, die in den letzten Jahren in beispielloser Weise – in einer Art und Weise, wie wir uns das eigentlich nach Ende des Kalten Krieges nicht vorstellen konnten – herausgefordert ist.

Vor viereinhalb Jahren kam es zum Bruch des Pariser Abkommens und des Budapester Abkommens durch Russland mit der Besetzung der Krim und der fortgesetzten Aggression in der Ostukraine. Es ist dringend notwendig, dass auch dieser Konflikt wieder stärker in das Bewusstsein der internationalen Diplomatie tritt.

Ich glaube, dass wir auch weiter darüber reden müssen, dass Russland die Erfordernisse aus dem Minsker Vertrag nicht erfüllt. Ich finde es deswegen gut, dass die deutsche Bundesregierung auch neue Initiativen ergreift, um das N4-Format wiederzubeleben, in dem Frankreich, Deutschland, Russland und die Ukraine über die Lösung des Konfliktes reden. Ich würde mir wünschen, dass sich alle aktiven und ehemaligen Staatsmänner Deutschlands in gleicher Weise bei diesem Thema verdient machen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ich bin gefragt worden, wie ich es bewerte, dass der frühere deutsche Bundeskanzler Claqueur in der ersten Reihe bei der Amtseinführung des russischen Präsidenten war.

(Michael Brand [Fulda] [CDU/CSU]: Der kriegt bald die russische Staatsangehörigkeit!)

Ich habe gesagt: Auch bei uns in Deutschland ist es üblich, dass Angestellte ihren Chefs gratulieren, wenn sie etwas zu feiern haben. Ich glaube, mehr muss man dazu nicht sagen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Heike Hänsel [DIE LINKE]: Das ist aber unter Ihrem Niveau! – Dr. Alexander Gauland [AfD]: Das ist doch albern!)

Die nächste große Herausforderung ist die Blockade des UN-Sicherheitsrates in anderen wichtigen zentralen Konflikten. Der UN-Sicherheitsrat schafft es aufgrund des Vetorechts einzelner Länder – in diesem Fall Russland – nicht, die menschenverachtenden Angriffe Assads auf die Zivilbevölkerung zu verurteilen, und die Völkergemeinschaft ist ein Stück weit in ihrem Handeln gelähmt, wenn der UN-Sicherheitsrat durch Blockade einzelner vetoberechtigter Mitglieder entsprechende Entschließungen verhindert.

Ich würde mir wünschen, dass in der Berichterstattung über die Beratungen des Sicherheitsrates zukünftig auch immer noch mehr das Augenmerk darauf gerichtet wird, ob es im Sicherheitsrat eine Mehrheit gegeben hat, die sich nur deshalb nicht durchgesetzt hat, weil einer sein Vetorecht in Anspruch genommen hat, oder ob tatsächlich ein Resolutionsentwurf unter den Mitgliedern des UN-Sicherheitsrats keine Mehrheit gefunden hat. Das ist zwar rechtlich kein großer Unterschied, aber für die moralische Bewertung der Resolution finde ich das ganz wichtig.

(Stefan Liebich [DIE LINKE]: Das haben aber die USA auch schon gemacht!)

Was das Ignorieren internationaler Schiedsgremien durch China im Südchinesischen Meer angeht, ist es meines Erachtens ein unhaltbarer Zustand, dass China, das bei uns häufig als wichtiger Wirtschaftspartner daherkommt, sich im Südchinesischen Meer über internationale Schiedsverfahren schlicht hinwegsetzt. Auch das ist eine Ignoranz gegenüber der wertebasierten und regelbasierten Weltordnung.

Ein weiterer Punkt ist das Vom-Tisch-Wischen unterschriebener Verträge durch den amerikanischen Präsidenten: erst das Klimaabkommen von Paris, dann das Infragestellen unserer ausgehandelten Beziehungen im Bereich der Zölle zwischen Nordamerika und der Europäischen Union und jetzt die einseitige Aufkündigung des Atomabkommens mit dem Iran. Auch das sind Dinge, die das Vertrauen der Völkergemeinschaft in die regelbasierte Ordnung erschüttern.

Bei diesem Abkommen ist im Übrigen der Wunsch des amerikanischen Präsidenten nachvollziehbar. Er begründet die Absage an das Abkommen damit, dass er den Iran durch Sanktionen wieder an den Verhandlungstisch zwingen will, um über ein besseres Abkommen zu verhandeln. Ich glaube allerdings, dass diese Rechnung viel zu optimistisch ist. Ich glaube eher, dass sich der Iran die Frage stellen wird, ob es Sinn macht, einen Vertrag mit den USA auszuhandeln, wenn der neugewählte Präsident mit der Tradition seines Vorgängers bricht und ein solches Abkommen einfach vom Tisch wischt. Was wir in den letzten Tagen seitens der Europäischen Union erlebt haben, war genau das Richtige. Man hat sich in Brüssel zügig und einmütig zusammengesetzt. Die nächsten Schritte müssen sein, dass wir über den Kreis der drei Verhandlungspartner Deutschland, Frankreich und Großbritannien hinaus die anderen EU-Partner dazu bringen, an der gemeinsamen Position der Europäischen Union festzuhalten und sich nicht möglicherweise auf bilaterale Gespräche mit den USA einzulassen. Europa muss zusammenstehen.

Die einzige wirksame Antwort auf die gegenwärtigen Herausforderungen kann nur sein, dass wir die Europäische Union in außen- und sicherheitspolitischen Fragen zusammenhalten und stärken. Ich will das den europäischen Imperativ nennen: Man suche stets nach einer gemeinsamen, europäischen Lösung in außen- und sicherheitspolitischen Fragen, bevor man nationale Alleingänge unternimmt. Europa hat in der Außen- und Sicherheitspolitik klar Vorfahrt. Das sollten wir zur Maxime unseres Handelns machen. Das erfordert vielleicht auch von uns, in der einen oder anderen Frage unsere Position zu überdenken und zu korrigieren; darüber werden wir in den nächsten Monaten diskutieren. Das erfordert von uns, dass wir uns in der Europäischen Union auch in der Außen- und Sicherheitspolitik in starkem Maße einbringen, und zwar nicht nur diplomatisch, sondern auch durch Fähigkeiten, insbesondere militärische. Wir tun unseren europäischen Partnern einen Gefallen, wenn wir die Bundeswehr stärker und leistungsfähiger machen, als sie heute ist. Mit diesen Punkten haben wir als Europäische Union, die 25 Prozent der Weltwirtschaft repräsentiert, die einzige Chance, stark und gemeinsam handlungsfähig zu bleiben.

Ich möchte zum Schluss meines Redebeitrags noch konkret auf den Haushalt eingehen. Wenn wir uns die Zahlen zum Haushalt des Auswärtigen Amts oder zu verwandten Haushalten wie Verteidigungshaushalt und entwicklungspolitischer Haushalt für 2018 anschauen, stellen wir fest, dass man zum Haushalt für das Jahr 2018 im Großen und Ganzen Ja sagen kann. Zu den Zahlen für 2019, 2020 und 2021 aber möchte ich klar sagen, dass ich mir nicht vorstellen kann, dass wir mit den vorgesehenen Mittelansätzen speziell für den Haushalt des Auswärtigen Amts tatsächlich unserer Verantwortung bis 2021 gerecht werden. Deutschland wird in den Jahren 2019 und 2020 vielleicht UN-Sicherheitsratsmitglied sein und in der gleichen Phase die EU-Ratspräsidentschaft innehaben. Wir müssen bereit sein, uns stärker einzubringen und das entsprechend mit Material und Personal zu unterlegen. Das kostet nun einmal Geld. Ich setze daher ein kleines Fragezeichen hinter die mittelfristige Finanzplanung ab 2019. Aber darüber werden wir zu gegebener Zeit reden.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)