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Joachim Pfeiffer: Wir müssen schneller werden – in Deutschland und in Europa

Haushaltsgesetz 2018 - Rede zum Einzelplan 09 - Wirtschaft und Energie

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn man heute hier die Debatte hört, dann könnte man manchmal meinen: Wir sprechen über unterschiedliche Länder, und wir sprechen über unterschiedliche Sachverhalte. Es ist, glaube ich, unstrittig – die Zahlen sprechen eine klare Sprache –: Wir sind mittlerweile im längsten Aufschwung der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland,

(Reinhard Houben [FDP]: Und was macht der vorsichtige Kaufmann? – Gegenruf des Abg. Carsten Müller [Braunschweig] [CDU/CSU]: Sich freuen!)

und dieser Aufschwung kommt an. Er kommt an bei den Arbeitnehmern in Form von höheren Löhnen; Reallohnzuwächse wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Er kommt an bei den Unternehmen, die erfreulicherweise Gewinne machen und diese Gewinne nutzen, um sie zu reinvestieren und damit für die Zukunft neue Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln. Der Aufschwung kommt an bei den Rentnern, die ebenfalls wieder kräftige Erhöhungen haben.

Wenn ich das Gerede immer höre „Es geht hier in Deutschland ungerecht zu; die Schere geht auseinander“, dann muss ich sagen: Das Gegenteil ist der Fall.

(Johann Saathoff [SPD]: Was?)

Die Zahl derjenigen, die auf Grundsicherung im Alter angewiesen sind, geht weiter zurück, nicht nur prozentual, sondern auch absolut. Kollege Rehberg hat es bereits angesprochen: Über 7 Milliarden Euro waren es im letzten Jahr. Jetzt sind es unter 6 Milliarden Euro. Das sind Zahlen, an denen man nicht vorbeikommt. Insofern frage ich mich, auf welcher Welt Sie leben.

Wenn Sie sich anschauen, wo das Wachstum stattfindet, dann stellen Sie fest: Es ist beileibe nicht so, dass es nur im Export stattfindet. Dort hat der Aufschwung 2010 begonnen. Er ist aber mittlerweile auf drei Säulen ruhend, nämlich genauso auch auf dem Binnenmarkt, wo es in Deutschland hervorragend läuft, und auf den Investitionen, nicht nur den privaten, auch den öffentlichen, und dazu können wir etwas beitragen, indem wir auf Bundesebene – das war schon in der letzten Legislatur der Fall und ist jetzt wieder so – in allen Bereichen einen sehr hohen verstetigten Investitionshaushalt vorlegen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Aber es ist richtig: Wer nicht besser wird, hört auf, gut zu sein. – Wir wollen uns nicht ausruhen oder gar in Selbstzufriedenheit erstarren, sondern wir müssen weiter besser werden und jetzt die Weichen stellen.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Ich sage mal: „Besser werden“ heißt nicht nur, mehr Geld auszugeben, sondern „besser werden“ heißt auch: Wir müssen vor allem schneller werden. Wir müssen schneller werden – in Deutschland und in Europa.

Wir müssen schneller werden beim Handel. Wir können es uns nicht leisten, Handelsverträge fünf Jahre zu verhandeln und dann sieben Jahre zu ratifizieren.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wir können es uns nicht leisten, bei der Forschung und Entwicklung Zeit zu vergeuden, bis wir die PS auf die Piste bringen; ich komme gleich noch darauf zu sprechen. Wir können es uns nicht leisten, bei der Digitalisierung die Anwendungen und die Infrastruktur weiterhin nur zögerlich voranzubringen. Und wir können es uns bei der Infrastruktur insgesamt nicht leisten, sie so schleppend auszubauen, wie es derzeit geschieht – auch darauf komme ich noch –, indem wir irgendwelche – –

(Dr. Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie regieren doch! – Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Union regiert seit zwölf Jahren! Hat Ihnen das schon mal jemand gesagt?)

– Was hat man mir gesagt?

(Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ob Ihnen schon einmal jemand gesagt hat, dass die Union hier seit über zwölf Jahren das Land regiert! – Gegenruf von der CDU/CSU: Gott sei Dank!)

– Ja, und die Zahlen – danke, Herr Kollege Hofreiter – sprechen in der Tat eine deutliche Sprache. Wir sind und bleiben erfolgreich, aber wir wollen ja gemeinsam noch besser werden, gerne auch jederzeit mit Ihrer Unterstützung.

Was wollen wir beim Handel machen?

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Herr Pfeiffer, erlauben Sie eine Zwischenfrage oder -bemerkung von Herrn Krischer?

Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU):

Liebend gerne.

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Echt?

(Johann Saathoff [SPD]: Das Protokoll vermerkt Zweifel bei der Präsidentin!)

Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herzlichen Dank, Herr Pfeiffer, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. Ihre Bemerkung, dass die Zahlen eine deutliche Sprache sprechen, veranlasst mich zu einer Zwischenfrage.

Sie haben ausweislich des „Handelsblatts“ vom 29. April die Deutsche Umwelthilfe als semikriminellen Verein bezeichnet.

(Manfred Todtenhausen [FDP]: Sehr gut!)

Könnten Sie mir erläutern, wie Sie zu dieser Einschätzung kommen? Sie haben in dem Artikel gesagt, für Sie sei es ein Problem, dass die Deutsche Umwelthilfe mittels Klagen die Einhaltung geltender Gesetze fordert. Wir haben heute erfahren, dass auch die EU-Kommission die Bundesregierung verklagt. Würden Sie analog dazu auch die EU-Kommission als semikriminellen Verein bezeichnen, weil sie uns aufgrund der Nichteinhaltung der Stickoxidgrenzwerte in unseren Innenstädten verklagt?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU):

Vielen Dank, Herr Kollege Krischer. Da kann ich Ihnen gerne weiterhelfen und werde versuchen, Ihnen zu erläutern, wie ich zu meiner Auffassung komme.

Die Deutsche Umwelthilfe ist aus meiner Sicht alles andere als unabhängig.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der AfD – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ist sie deshalb kriminell?)

Die Deutsche Umwelthilfe finanziert sich als Abmahnverein seit der Zeit, in der Sie die Verantwortung hier in Deutschland trugen; das war quasi eine Spezlwirtschaft mit der Deutschen Umwelthilfe. Schauen Sie doch einmal, wer dort Mitglied ist. Man weiß es ja nicht so recht; das ist alles so ein bisschen intransparent. Ich kenne eigentlich nur Grüne, die dort Mitglied sind. Die Deutsche Umwelthilfe jedenfalls hat man 2004 ermächtigt, Abmahnungen vorzunehmen. Bei mir im Wahlkreis ist es passiert, dass die zu einem Elektrohändler gingen, der nur alleine da war. Er sagte, dass von einer Waschmaschine das Etikett heruntergenommen wurde und er dann dafür abgemahnt wurde und bezahlen musste.

(Manfred Todtenhausen [FDP]: Drückerkolonne!)

Dafür und für anderes mehr kassieren sie Millionenbeträge aus Abmahnungen. Ich halte das nicht für seriös, um es einmal freundlich zu formulieren.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der AfD)

Ich halte es auch nicht für seriös, wie der Personalaustausch bei der Deutschen Umwelthilfe erfolgt. Da ist einer Chef der Deutschen Umwelthilfe, der zuvor und danach in der Bundesregierung Staatssekretär war und sich damit selbst die Bälle zuspielen konnte. Bei anderen gibt es ähnliche personelle Verflechtungen.

Ich kann dazu unbegrenzt weiterreden.

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Nein, Herr Pfeiffer, in der Regel dauert eine Antwort zwei Minuten. Jetzt haben Sie noch 30 Sekunden.

Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU):

Das Wort „semikriminell“ ist noch eine vergleichsweise harmlose Beschreibung dessen,

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Vergleichsweise harmlos?)

was die Deutsche Umwelthilfe da veranstaltet.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der AfD und der FDP)

Deshalb bin ich ganz klar der Meinung – ich bin noch nicht ganz fertig –, –

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Aber kommen Sie bitte zum Schluss.

Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU):

– dass wir uns sehr genau anschauen müssen, ob solche Vereinigungen, die nur Eigeninteressen verfolgen, dort richtig aufgehoben sind, wo es um Netzausbau und um die Beschleunigung von Verfahren in Deutschland geht.

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die verfolgen Eigeninteressen? Semikriminelle Eigeninteressen?)

– Ja, ich mache bei dem, wie das abläuft, ein großes Fragezeichen. Deshalb werden wir uns das sehr genau anschauen, und ich sehe da dringenden Korrekturbedarf; denn so ein Vorgehen halte ich für überflüssig. Das können wir gerne noch weiter vertiefen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Ich komme jetzt aber noch einmal auf den Handel zurück. Ich war unlängst in Singapur. In Singapur können Sie keinem Menschen vermitteln, warum wir das abgeschlossene Abkommen nicht endlich ratifizieren. Die denken, sie machten irgendetwas falsch oder es gäbe irgendwelche neuen Erkenntnisse. Deshalb ist es gut und richtig – das begrüße ich an dieser Stelle ausdrücklich –, dass wir jetzt klar geregelt haben, dass im Rahmen der Aufgabenteilung die EU für Freihandelsabkommen zuständig ist, und dass das demokratisch legitimierte Europäische Parlament und die EU-Kommission mit Erteilung eines Auftrages, den ja auch wir hier über den Europäischen Rat erteilen, damit handlungsfähig sind und zukünftig nicht 15 Jahre brauchen, bis wir ein Freihandelsabkommen abgeschlossen haben.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wir müssen jetzt – der Minister hat es angesprochen – eine Koalition der Willigen mit denjenigen bilden, die den Freihandel, die die Multilateralität weiter voranbringen wollen, die die Globalisierung gestalten wollen.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Deshalb wollen wir mit Neuseeland, mit Australien, mit den ASEAN-Ländern, wo das Singapur-Abkommen Modellcharakter hat, mit Mercosur, mit anderen Regionen auf dieser Welt diesen multilateralen Rahmen weiter stecken und mit ihnen über die EU schnell entsprechende Abkommen schließen.

Schnelligkeit ist hier gefragt, damit der Welthandel weiterhin die Rolle spielen kann, die er in den letzten 50 Jahren gespielt hat. Er war die treibende Kraft der Weltwirtschaft. Der Welthandel ist immer stärker als das Sozialprodukt gewachsen. Freie und offene Märkte haben zu Wohlstand für alle geführt, die daran beteiligt waren. Darüber müssen wir uns klar werden. Europa hat jetzt die Chance, an die Spitze zu kommen und Standards für die Zukunft zu setzen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir müssen im Bereich Forschung und Entwicklung schneller werden. Wir spielen die steuerliche Forschungsförderung nicht gegen die Projektförderung aus. Wir werden die Projektförderung weiter stärken. Das Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand hat perspektivisch ein Volumen in Höhe von 700 Millionen Euro. Darüber haben wir uns in der letzten Legislatur verständigt. Deshalb werden wir dieses Programm jetzt erhöhen und diesen Weg weitergehen.

Wir werden die Mittel für EXIST weiter erhöhen. Parallel ist das Finanzministerium aufgefordert und hoffentlich dabei, schnell einen Vorschlag zu machen, wie wir die steuerliche Forschungsförderung umsetzen können, damit sie nicht mehr nur in den Parteiprogrammen steht, wie es jahrelang, über mehrere Legislaturperioden, der Fall war. Sie stand beim letzten Mal übrigens nicht im Koalitionsvertrag; da hat sie es mal nicht geschafft. Beim vorletzten Mal stand sie im Koalitionsvertrag. Auch jetzt ist sie drin, und alle hier im Haus sind dafür. Deshalb müssen wir sie jetzt endlich umsetzen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Herr Pfeiffer, schnell zum Ende kommen.

Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU):

Schnelligkeit ist auch bei meiner Rede geboten. – Zur Digitalisierung, zur Infrastruktur konnte ich jetzt leider nichts sagen. Aber auch auf diesen Gebieten, insbesondere bei den Netzen, müssen wir Gas geben und nicht jedem Bedenkenträger Rechnung tragen.

Wir müssen die Verfahren endlich beschleunigen, weil die Länge der Verfahren nichts mit höherer demokratischer Legitimation zu tun hat. Wenn ein Schienenverkehrsvorhaben oder die Errichtung eines Stromnetzes 15 Jahre dauert, weiß kein Mensch mehr, wann es begonnen und wann es aufgehört hat. Das höhlt die Demokratie eher aus. Deshalb müssen wir Rechtswege verkürzen und Verfahren straffen, um die Infrastruktur voranzubringen.

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Herr Pfeiffer.

Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU):

Dafür haben wir hoffentlich eine breite Unterstützung hier im Haus – auch Ihre, Frau Präsidentin; darauf zähle ich.

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Ja, selbstverständlich.

Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU):

Vielen Dank. – Lassen Sie uns in diesem Sinne gemeinsam dafür kämpfen, dass wir schneller und besser werden, damit es weiterhin gut bleibt.