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Hermann Gröhe: Arbeit ist sinnstiftend, eröffnet Chancen zur Teilhabe

Haushaltsgesetz 2018 - Rede zum Einzelplan 11 - Arbeit und Soziales

Herr Präsident! Herr Minister! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Mit dem Einzelplan Arbeit und Soziales beraten wir den mit Abstand größten Einzeletat im Bundeshaushalt. Er beträgt fast 140 Milliarden Euro; das sind rund 41 Prozent des Gesamthaushaltes. Das zeigt: Deutschland ist ein starker, ein leistungsfähiger Sozialstaat. Darauf sind wir stolz.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Aber natürlich zeigt das zugleich, dass trotz guter wirtschaftlicher Lage, trotz einer Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt, die sich vielerorts vor allem als Fachkräftemangel darstellt, immer noch viele – ich sage: zu viele – Menschen auf staatliche Unterstützung angewiesen sind. Unser Ziel muss es sein, dass die gute wirtschaftliche Entwicklung unseres Landes für noch mehr Menschen zu einer Chance auf ein selbstbestimmtes, eigenverantwortliches Leben wird. Deswegen ist Vollbeschäftigung das zentrale Ziel unserer Politik.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Minister Heil hat die Arbeitsmarktzahlen erwähnt: fast 33 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigte, 44 Millionen Erwerbstätige. Das zeigt, wir sind auf einem guten Weg. Ich füge ausdrücklich hinzu, dass diese Entwicklung von erfreulich guten Lohnabschlüssen begleitet wird. Auch der jüngst abgeschlossene Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst – ich sage das, weil die Lage der Polizistinnen und Polizisten angesprochen wurde – sieht ausdrücklich Verbesserungen gerade für die unteren und mittleren Einkommensgruppen vor.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Auf dem Weg zur Vollbeschäftigung sind die letzten Meter besonders anspruchsvoll. Da geht es um die verfestigte Langzeitarbeitslosigkeit, der wir mit möglichst passgenauen Lösungen – passgenau im Hinblick auf regionale Arbeitsmarktsituationen, passgenau im Hinblick auf die unterschiedlichen Gruppen der von Langzeitarbeitslosigkeit betroffenen Menschen – zu Leibe rücken wollen. Wichtig ist uns ein ganzheitlicher Ansatz, der die spezifischen Lebenssituationen von Älteren, Jugendlichen und Heranwachsenden, von Alleinerziehenden, von Bedarfsgemeinschaften in den Blick nimmt.

Hubertus Heil sprach über das Instrument „Soziale Teilhabe am Arbeitsmarkt“, mit dem wir genau dieses Ziel verfolgen. Der Titel sagt schon, worum es geht: Teilhabe durch Arbeit. Arbeit ist sinnstiftend, eröffnet Chancen zur Teilhabe. Deswegen wenden wir uns gegen die Vorstellung von einem bedingungslosen Grundeinkommen, weil das ein Stilllegen durch Alimentation ist,

(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch Quatsch!)

anstatt Menschen einzuladen, sie zu befähigen, wo immer es möglich ist, das eigene Leben eigenverantwortlich zu gestalten.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wir sind sicher, dass wir mit einer klugen Kombination aus unbürokratisch gestalteten Lohnkostenzuschüssen und einer Verstärkung von Coaching und Begleitung genau dieser Gruppe Chancen eröffnen und für sie eine Brücke in den Arbeitsmarkt bauen.

Weil Vollbeschäftigung für uns so wichtig ist, sage ich ausdrücklich,  dass es für uns von zentraler Bedeutung ist, Wirtschafts-, Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik als Einheit zu sehen. Noch so gut gemeinte Maßnahmen, die nicht auch dem Ziel dienen, diejenigen zu ermutigen, in Arbeit zu gehen, führen in die Irre. Deswegen erlaube ich mir eine Bemerkung zu den Spielräumen für Beitragssenkungen: Ja, wir haben im Koalitionsvertrag eine Senkung um 0,3 Prozentpunkte verabredet. Ich stimme ausdrücklich zu, dass wir eine Reserve brauchen. Mit Blick auf die Zahlen sage ich aber auch deutlich: Wir können ehrgeiziger sein.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ende des Jahres wird die Reserve der BA sicher 20 Milliarden Euro betragen. Damit erreichen wir die Krisenfestigkeit, die wir alle als Ziel vor Augen haben. Wir sollten in der Koalition aber auch darüber reden, ob wir nicht ehrgeizigere Ziele verfolgen sollten, um erstens die Menschen zu entlasten, die von Steuerentlastungen weniger haben, weil sie niedrigere Einkommen haben. Diese Menschen können wir durch die Senkung von Sozialversicherungsbeiträgen unmittelbar entlasten. Zweitens leisten wir damit einen Beitrag zu einer guten Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt. Ich bin überzeugt, da lohnt sich mehr Ehrgeiz.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie des Abg. Carsten Schneider [Erfurt] [SPD])

Neben dem Kampf gegen die verfestigte Langzeitarbeitslosigkeit ist eine vorbeugende Politik notwendig – auch dazu haben wir im Koalitionsvertrag sehr konkrete Verabredungen getroffen –, um zu vermeiden, dass Umbrüche in der Arbeitswelt zu einem Anstieg der Arbeitslosigkeit führen. Es geht dabei nicht darum, zu reparieren, sondern darum, jetzt gemeinsam mit der Wirtschaft dafür zu sorgen – Stichwort „Nationale Weiterbildungsstrategie“ –, dass die Menschen durch Weiterbildung befähigt werden.Sie sollen befähigt werden, den gewaltigen Umbrüchen zu begegnen, die die Digitalisierung in der Arbeitswelt herbeiführen wird.

(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann hinterlegen Sie das auch mal im Haushalt!)

Dazu wird es eine Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages geben, die sich mit dem besonderen Aspekt „Berufliche Bildung und Digitalisierung in der Arbeitswelt“ befasst. Als Stichwort nenne ich nur die Weiterbildungsberatung durch die BA. Es geht also darum, diejenigen, die Veränderungen in ihrer Arbeitswelt erleben, rechtzeitig darauf vorzubereiten, damit sie die Chancen der Digitalisierung nutzen können. Das ist wichtig. Studien zeigen, dass dann durchaus Chancen bestehen, Menschen, deren Arbeitsplätze wegfallen, auf gute Weise in andere, neu entstehende Arbeitsplätze zu vermitteln. Ich freue mich auf die Arbeit dieser Enquete-Kommission.

Lassen Sie mich schließlich etwas zum Thema Alterssicherung sagen. Der Bundeszuschuss zur Rentenversicherung macht einen wesentlichen Teil des heute zu beratenden Einzelplans aus. Das Versprechen einer auskömmlichen Alterssicherung einerseits und der Schutz der jungen Generation und der Wirtschaftskraft unseres Landes insgesamt vor Überforderung andererseits miteinander zu verbinden, ist Aufgabe einer Politik, die sich der Generationengerechtigkeit verpflichtet weiß.

(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das Wort dürften Sie gar nicht in den Mund nehmen!)

Deswegen ergänzen wir die rentenpolitischen Maßnahmen, die wir kurzfristig im Hinblick auf die Mütterrente, die Erwerbsminderungsrente und eine Grundrente oberhalb des Grundsicherungsniveaus ergreifen werden, durch die Arbeit einer Rentenkommission, die die Frage in den Blick nehmen soll, wie wir die Generationengerechtigkeit ab 2025 in einem guten Sinne sicherstellen können.

Aber ich sage schon vor Beginn der Arbeit dieser Kommission: Ich warne davor, dies in der Tonlage eines Kampfes der Generationen gegeneinander zu tun. Mit Verlaub: Wie man daraus, dass wir der jungen Generation eine auskömmliche Alterssicherung versprechen, eine Politik gegen junge Menschen machen kann, erschließt sich mir weiß Gott nicht.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Es ist richtig, dieses Thema gemeinsam mit den Sozialpartnern und der Wissenschaft anzugehen. Ich glaube, dass wir die große Chance, ja die Verpflichtung haben, im Angesicht großer Herausforderungen an einem nachhaltig wirkenden Rentenkonsens in diesem Land zu arbeiten. Wir wissen nicht, ob dies gelingt; das kann man am Vorabend der Aufnahme der Arbeit der Kommission auch noch nicht sagen. Aber für unsere Seite stelle ich fest: Wir sind davon überzeugt, dass die junge Generation und diejenigen, die für die wirtschaftliche Entwicklung dieses Landes Verantwortung tragen, ein großes Interesse an einer langfristigen Planbarkeit durch einen nachhaltigen Rentenkonsens – so wird dieses Thema nämlich dem wahlterminbezogenen Streit zwischen den Parteien entzogen – haben müssen.

Wir jedenfalls sind bereit, genau daran zu arbeiten, weil wir der Überzeugung sind, damit dem Sozialstaat und der wirtschaftlichen Entwicklung dieses Landes insgesamt einen guten Dienst zu erweisen. Insofern freue ich mich auf die Arbeit in dieser Kommission und jetzt auf die Beratung unseres Einzelplans.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)