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Henning Otte

Henning Otte: Wir müssen uns in Europa stärker vernetzen

Haushaltsgesetz 2018 - Rede zum Einzelplan 14 - Verteidigung

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Grundgesetz steht in Artikel 87a, dass der Bund die Streitkräfte aufstellt und dass die zahlenmäßige Stärke und die Grundzüge der Organisation sich aus dem Haushaltsplan ergeben müssen. Deswegen ist es gut und wichtig, dass wir hier miteinander so ausgiebig über den Einzelplan 14 – Verteidigung – diskutieren. Es muss deutlich dargestellt werden, dass wir unsere Streitkräfte finanziell untermauern müssen, damit sie ihren Auftrag erfüllen können.

Die sicherheitspolitische Lage hat sich verändert; darauf ist mehrfach, auch in der Debatte über den Haushalt des Auswärtigen Amts, hingewiesen worden. Es besteht Handlungsbedarf für uns in Deutschland, innerhalb der Europäischen Union, innerhalb der NATO, innerhalb der Vereinten Nationen und auch innerhalb der OSZE. Es gilt der Grundsatz, dass wir immer eingebunden agieren, immer vernetzt, nie militärisch allein. Wir müssen aber auch deutlich machen, dass der militärische Einsatz nicht zwingend Ultima Ratio ist. Das ist zwar immer der heftigste Einsatz; aber manchmal ist es wichtig, frühzeitig Stärke zu zeigen, um einen Flächenbrand zu verhindern.

Die sicherheitspolitische Lage hat sich komplett geändert. Es ist gut, dass wir als Koalition aus CDU, CSU und SPD hier die Verantwortung deutlich abbilden. Man kann das nicht so machen, wie die Grünen das hier gemacht haben: Mal kritisieren Sie, dass die Diskussion zu offen ist,

(Dr. Tobias Lindner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was?)

dann kritisieren Sie, dass Kabinettsdiskussionen geheim sind. Mal kritisieren Sie, dass zu wenig ausgegeben wurde, dann kritisieren Sie, dass zu viel ausgegeben wurde. – Das ist der alte Grundsatz der Grünen: Ein bisschen hiervon und ein bisschen davon. Nein, wir brauchen klare Strukturen. Diese bilden sich im Haushalt ab. Wenn in Zeiten eines kompletten sicherheitspolitischen Klimawandels die Gefahr steigt, dann müssen wir den sicherheitspolitischen Deich erhöhen. Das ist Ausdruck unserer Verteidigungspolitik, und das bildet sich im Haushalt ab.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Die Welt ist instabiler geworden. Das hat vor allem damit zu tun, dass Russlands Politik den Kurs eingeschlagen hat, die Souveränität benachbarter Länder einzuschränken. Da muss ich mit einem Blick nach links, wo es ja ein Näheverhältnis zur russischen Politik gibt,

(Christine Buchholz [DIE LINKE]: Was ist das für ein Schwachsinn!)

aber auch mit einem Blick an die rechte Kante unseres Parlamentes – die Ergebnisse, zu denen Sie kommen, sind ja immer identisch – deutlich sagen, dass die Politik der AfD offensichtlich klar auf den Kalten Krieg ausgerichtet ist, als der Feind deutlich sichtbar war.

(Christine Buchholz [DIE LINKE]: Sie erzählen Quatsch!)

Ich habe den Eindruck, Sie träumen von dieser alten Zeit. Ich kann Ihnen nur sagen: Die Welt ist komplexer geworden. Da reichen Ihre einfachen Antworten nicht, meine Damen und Herren.

(Zurufe von der AfD – Heike Hänsel [DIE LINKE]: Der Kalte Krieg ist vorbei!)

Wir hatten den klaren Auftrag, zu verhindern, dass sich ein IS-Terrorstaat bildet. Unser Weg war erfolgreich. Er ist nämlich zerschlagen worden. Aber der IS ist weiter vorhanden. Deswegen müssen wir Obacht geben und immer auf das Unvorhergesehene vorbereitet sein. Es war richtig, den Kampf gegen den IS-Terror zu unterstützen. Es war richtig, die Peschmerga auszubilden und auszurüsten. Es ist auch richtig, dass wir weiterhin unseren Beitrag in Afghanistan leisten; denn Afghanistan darf kein Rückzugsort für Terror werden. Es ist richtig und wichtig, dass wir in Mali einen Beitrag leisten, um die stabilen Strukturen dort zu stärken und dafür zu sorgen, dass die Fluchtursachen nicht vermehrt werden. Es ist nach wie vor auch wichtig, dass wir im Kosovo einen Beitrag leisten, um mitten in Europa die Stabilität zu erhalten.

Dafür brauchen wir finanzielle Mittel. Für 2018 werden 38,5 Milliarden Euro bereitgestellt. Für 2019 wird mit 41,5 Milliarden Euro, für 2022 mit 42,6 Milliarden Euro geplant. Wir müssen deutlich machen, dass wir den Zielkorridor, den wir in der NATO vereinbart haben, klar im Visier haben. Es geht darum, die Fähigkeiten zu verbessern. Hier stellen wir ganz klar fest: Die Eckwerte, die bisher vorgesehen sind, müssen verstärkt werden. Wir brauchen eine bessere Ausrüstung für unsere Truppe, wir brauchen eine Modernisierung, und wir brauchen eine Fähigkeitsstärkung: bei der Führung, bei der Aufklärung, bei den gepanzerten Fahrzeugen, beim Lufttransport, im Cyberbereich und bei der Kommunikation. Allein die Modernisierung und der Aufbau eines abhörsicheren digitalen Funks werden 5 bis 6 Milliarden Euro in Anspruch nehmen.

Die Fraktion Die Linke suggeriert, dies sei die neue Aufrüstung.

(Beifall des Abg. Tobias Pflüger [DIE LINKE] – Christine Buchholz [DIE LINKE]: Richtig!)

Ich habe den festen Eindruck, auch Sie, Herr Pflüger, kuscheln gern unter der Decke der Sicherheit mit Meinungsfreiheit, Frieden und Freiheit, suggerieren aber, man wolle dafür kein Geld in die Hand nehmen. Ich freue mich ja, wenn auch von Ihrer Partei kritisiert wird, dass Kampfflugzeuge nicht fliegen und dies verbessert werden muss.

(Tobias Pflüger [DIE LINKE]: Ich habe nicht gesagt, dass das verbessert werden muss!)

Das ist ein deutliches Indiz dafür – das wollen Sie Ihren Wählern nur nicht deutlich sagen –, dass wir in einer wehrhaften Demokratie auch bereit sein müssen, Geld für die Verteidigung auszugeben. Ich mache Ihnen nur den Vorwurf, dass Sie zwar alle Vorteile in der freien Demokratie nutzen, aber suggerieren, man müsse dafür nichts ausgeben. Deswegen müssen Sie immer Oppositionspartei bleiben, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Kersten Steinke [DIE LINKE]: So ein Quatsch! – Heike Hänsel [DIE LINKE]: Schicken Sie die NATO doch mal nach Bayern zur Verteidigung der Freiheitsrechte!)

Wir müssen in einem starken Bündnis bereit sein, einen eigenen Beitrag zu leisten. Das Verteidigungsministerium hat festgestellt, dass wir bis 2030 einen Betrag von 130 Milliarden Euro brauchen werden. Dieses Geld wird auch ausgegeben. Wir haben in der letzten Legislaturperiode das Fünffache investiert. Sie sollten aufhören, das Märchen zu erzählen, dass dieses Geld nicht ausgegeben wird.

Die Soldaten brauchen eine persönliche Schutzausrüstung, und sie brauchen mehr und modernes Material.

(Andrea Nahles [SPD]: Das ist doch genau der Punkt!)

Wir leisten einen Beitrag innerhalb des Bündnisses, innerhalb der NATO. Aber wir sagen deutlich, dass wir auch auf der Ebene Europas als zweiter Säule der NATO einen wichtigeren Beitrag leisten müssen, und zwar im Rahmen der Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit. Sie hat zu einer enormen Prozessbeschleunigung geführt. Aber dieser Prozess muss dynamisiert werden, und zwar in den Bereichen Logistik, Ausbildung und Medizin, aber eben auch beim Kampf. Deswegen war es gut, dass die Verteidigungsministerin mit dem Weißbuchprozess deutlich gemacht hat, wo die sicherheitspolitischen Herausforderungen liegen. Durch die Konzeption der Bundeswehr ist deutlich gemacht worden, wohin wir gehen. Wir müssen jetzt deutlich sagen, welches Fähigkeitsprofil wir brauchen, und dem muss dann auch Rechnung getragen werden.

Wir müssen uns in Europa stärker vernetzen, Interoperabilität abbilden und gemeinsam ausbilden, bestellen, nutzen und auch beschaffen. Auch hier muss der europäische Prozess weiter vorangebracht werden. Es muss eine Harmonisierung des Rüstungsprozesses geben. Insgesamt geht es darum, dass wir Frieden und Freiheit gewährleisten.

Wir haben im Koalitionsvertrag deutlich abgebildet, dass prioritär Mittel für die Verteidigung auszugeben sind. Die Vergabeordnung muss verbessert, das Haushaltsrecht muss angepasst und Entscheidungswege müssen beschleunigt werden. Wir brauchen die Vollausstattung.

Meine Damen und Herren, wir sind an einer Weggabelung. Die sicherheitspolitische Lage hat sich komplett geändert. Haben wir Zeiten hinter uns, in denen wir es uns erlauben konnten, im Verteidigungsbereich zu kürzen und einen Beitrag zur Bewältigung der Wirtschaftskrise zu leisten, geht es jetzt darum, uns so stabil aufzustellen, dass wir wehrhaft bleiben können – immer eingebunden im Bündnis für Frieden und Freiheit, in einem starken Deutschland, in einem vereinten Europa, in einem festen Wertebündnis.

Deswegen habe ich mich sehr gefreut, dass der Präsident vorhin den Menschen gedankt hat, die Einsatz für diesen Frieden und Freiheit leisten, nämlich unseren Soldatinnen und Soldaten. Viele Grüße auch an die Angehörigen. Sie sind der Garant für Frieden, und sie stehen ein für Frieden und Freiheit. Dafür brauchen sie auch die finanziellen Mittel.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)