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Fritz Güntzler: Wir müssen auch dringend die Modernisierung unseres Unternehmensteuerrechts voranbringen

Redebeitrag zur steuerlichen Entlastung für Unternehmen

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Besucher, sofern noch vorhanden! Wir sind uns, Frau Hessel, in der Analyse ja ziemlich einig: Die Coronapandemie hat die deutsche Wirtschaft in eine sehr schwierige Lage gebracht, in eine schwere Krise gestürzt. Wir hatten im Sommer ein wenig Hoffnung, die Konjunktur hatte sich ein wenig erholt; aber wir wissen, dass es jetzt wieder anders aussieht. Sie haben auch schon darauf hingewiesen, dass wir als Bundesrepublik Deutschland, als Bund, dass aber auch die Länder viel Geld mobilisiert haben, um diese Konjunktur zu stützen, und wir tun das auch weiterhin. Sie haben auch auf das hingewiesen, was jetzt ansteht: Wir stellen 25 Milliarden Euro für Überbrückungsprogramme bereit und suchen jetzt neue, pragmatische Wege, damit die Gelder auch dort ankommen, wo sie gebraucht werden.

Aber auch im steuerlichen Bereich haben wir eine ganze Menge gemacht. Wenn Sie sich zurückerinnern: Wir haben im März schon Stundungserleichterungen und die Herabsetzung der Vorauszahlungen beschlossen; das alles sind Maßnahmen, um die Liquidität in den Unternehmen zu erhöhen. Wir haben ein erstes Corona-Steuerhilfegesetz und insbesondere auch das Zweite Corona-Steuerhilfegesetz gemacht.

Weil Sie sagen: „Die Regierung handelt nicht“, möchte ich noch mal in Erinnerung rufen, was wir alles gemacht haben: Wir haben die Mehrwertsteuer auf 16 bzw. 5 Prozent abgesenkt. Wir haben die Fälligkeit der Einfuhrumsatzsteuer – das klingt sehr technisch, hat aber große Wirkung – verschoben. Wir haben die degressive AfA wieder eingeführt. Wir haben in § 6b EStG die Fristen bei den Reinvestitionsrücklagen und in § 7g EStG den Investitionszeitraum für den Investitionsabzugsbetrag verlängert. Wir haben die gewerbesteuerliche Anrechnung bei der Einkommensteuer auf das Vierfache erhöht. Wir haben den Freibetrag bei der Hinzurechnung der Gewerbesteuer auf 200 000 Euro erhöht. Und wir haben auch einen ersten Schritt beim Verlustrücktrag gemacht: Wir haben die Höchstbeträge für die Jahre 2020 und 2021 von 5 auf 10 Millionen Euro erhöht. Sie sehen also: Die Bundesregierung und die sie tragenden Fraktionen handeln.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Lothar Binding [Heidelberg] [SPD])

Aber, Frau Hessel, das Entscheidende ist, finde ich – und das ist schon ein wenig komisch –, dass Sie hier im Deutschen Bundestag gegen all diese Dinge gestimmt haben. Denn die FDP hat dem Zweiten Corona-Steuerhilfegesetz nicht zugestimmt,

(Katja Hessel [FDP]: Doch nicht deshalb!)

anscheinend haben Sie diesen Maßnahmen nicht vertraut. Das ist ja Ihr gutes Recht als Opposition. Sie schreiben aber jetzt in Ihrem Antrag, diese Maßnahmen hätten eine große Zahl von Insolvenzen zum jetzigen Zeitpunkt verhindert und trotz dieser wirtschaftlichen Situation, der tiefen Rezession, seien Arbeitsplätze erhalten geblieben und sei die Arbeitslosigkeit nicht in dem Umfang eingetreten, wie es zu erwarten war. Unser Programm ist also ein voller Erfolg gewesen. Und Sie behaupten hier, die Bundesregierung hätte nicht reagiert; das ist schon etwas komisch, Frau Kollegin.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Dennoch ist es natürlich richtig – und wir müssen vorsichtig sein mit dieser Geschichtsklitterung; also da passen wir bei der Serviceopposition schon auf, dass das wirklich alles der Wahrheit entspricht –, dass wir schauen müssen, ob es nicht noch besser geht; das ist ja unbestritten. Und Sie wissen auch – Sie haben es ja auch angeführt –, dass gerade die Verlustverrechnung, übrigens nicht nur der Verlustrücktrag, den Sie hier angesprochen haben, sondern auch der Verlustvortrag – den haben Sie in dem Antrag leider nicht erwähnt –, Instrumente sind, die dafür genutzt werden können, Liquidität im Unternehmen zu halten. Und wir sind uns auch mit allen Volkswirten einig – und ich glaube, im Wesentlichen auch mit den Sozialdemokraten –, dass das ein Instrument ist, das sehr zielgenau wirken kann. Die Bedingung dafür, dass ich Verluste, die ich jetzt mache, mit Verlusten aus der Vergangenheit verrechnen kann, ist ja, dass ich in der Vergangenheit Gewinne gemacht haben muss. Das bedeutet, dass ich in der Vergangenheit schon ein erfolgreiches Geschäftsmodell gehabt haben muss, es also kein notleidendes Unternehmen war, das jetzt aufgrund der besonderen Situation in eine Verlustsituation gekommen ist. Daher macht es natürlich Sinn, dort auch zu einer Verrechnung zu kommen.

Und der zweite Punkt ist – das mutet vielleicht für manche etwas überraschend an –: Das Ganze kostet gar nicht viel Geld. Es geht letztlich um einen Steuerstundungseffekt. Wenn Sie in die Gesetzesbegründung zum Zweiten Corona-Steuerhilfegesetz schauen, sehen Sie, dass die Bundesregierung mit Mindereinnahmen in Höhe von circa 4,2 Milliarden Euro rechnet, aber mit Steuermehreinnahmen in Höhe von 3,7 Milliarden Euro im Jahr 2021/22. Das heißt, selbst in dieser Krise fließen ungefähr 90 Prozent der Gelder, die wir jetzt zur Verfügung stellen und den Unternehmen jetzt nicht wegnehmen, wieder zurück. Von daher ist das eine gute Maßnahme, die zielgenau ist und wenig Geld kostet. Deshalb sollten wir das Thema – auch in der Koalition – noch mal gemeinsam aufnehmen und diskutieren. Wir diskutieren ja intensiv über das Jahressteuergesetz 2020; das wäre eine gute Möglichkeit, sich mit diesen Dingen zu beschäftigen. Und es wäre unser Wunsch, dass das auch unser Koalitionspartner tut. Er beschäftigt sich ja schon damit, aber dann auch in die richtige Richtung, lieber Lothar Binding, sodass wir vielleicht auch da zu etwas höheren Beträgen kommen.

Der Antrag ist nicht falsch. Ich vermisse, wie gesagt, den Verlustvortrag. Dort haben wir ja noch die Mindestbesteuerung, über die wir auch nachdenken sollten. Aber vielleicht ist es eine gute Möglichkeit, diese Dinge im Rahmen des Jahressteuergesetzes 2020 noch einmal aufzugreifen. Aber ich werde auch nicht müde, daran zu erinnern, dass wir insgesamt, nachdem wir diese Maßnahmen ergriffen haben, um jetzt Liquidität in den Unternehmen zu halten, auch dringend die Modernisierung unseres Unternehmensteuerrechts voranbringen müssen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Denn wenn es wieder losgeht, müssen wir die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft wiederherstellen. Da haben wir noch ein bisschen Überzeugungsarbeit bei unserem jetzigen Koalitionspartner zu leisten; aber wer weiß, mit wem wir in Zukunft regieren werden; ob dann alle mitmachen oder doch wieder vom Tisch gehen, werden wir dann sehen. Aber vielleicht haben wir dann bessere Möglichkeiten, vieles für die Wirtschaft zu erreichen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Lothar Binding [Heidelberg] [SPD] – Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Für die ersten 85 Prozent applaudiere ich!)