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Fritz Güntzler: Wenn das Vereinigte Königreich nun Drittland wird, wird das gewisse Konsequenzen haben

Rede zum Brexit-Steuerbegleitgesetz

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Ich bin immer erstaunt, Herr Glaser, dass Sie auch noch beweisen, dass Sie inhaltlich nichts draufhaben, indem Sie einfach über irgendwelche anderen Dinge und nicht zum Gesetz reden. Denn es lohnt sich, glaube ich, wirklich, sich mit dem Thema zu beschäftigen, das uns heute vorliegt. Der Brexit wird kommen. Sie mögen Ihre eigenen Begründungsmuster dafür haben, die schon sehr bemerkenswert sind. Ich will das aber nicht näher kommentieren, sonst verliere ich selbst viel zu viel Zeit, die ich brauche, um über das Gesetz zu reden.

Wir müssen uns darauf vorbereiten, dass der Brexit kommt. Ob mit Austrittsabkommen oder ohne, er wird irgendwann kommen. Und das wird Folgen für die Steuerpflichtigen in Deutschland haben. Denn klar ist: Entweder nach einem Austrittsabkommen oder bereits am 30. März – das sind übrigens nur noch 58 Tage – wird das Vereinigte Königreich, steuerlich betrachtet, Drittland sein. Das hat elementare Folgen; denn unser Steuerrecht ist so aufgebaut, dass bei bestimmten Sachverhalten, die die EU oder den EWR-Raum betreffen, gewisse Vorteile bestehen – jedenfalls gibt es bessere Regelungen als für Drittländer. Und wenn das Vereinigte Königreich nun Drittland wird, wird das gewisse Konsequenzen haben, auf die wir zu reagieren haben – wie es auch im Allgemeinen gewisse Probleme oder Dinge, aufgrund derer wir handeln müssen, geben wird.

Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass die EU-Verträge für das Vereinigte Königreich dann nicht mehr gelten werden. Das heißt, dass die Grundfreiheiten, bis auf die Kapitalverkehrsfreiheit, die auch gegenüber Drittländern gilt, nicht mehr gelten. Wir haben das Thema der Beihilfe, über das wir hier viel diskutiert haben. Wir überlegen immer, ob die Dinge, die wir machen, beihilferelevant sind. Das Beihilfeverbot wird für das Vereinigte Königreich nicht mehr gelten, was uns im steuerlichen Wettbewerb unter Umständen Probleme bereiten kann. Die verschiedensten Richtlinien, die wir im Sekundärrecht haben – ich nenne nur die Mutter-Tochter-Richtlinie, die Zins- und Lizenzrichtlinie, die Mehrwertsteuerrichtlinie, die Amtshilferichtlinie –, werden für das Vereinigte Königreich keine Bedeutung mehr haben – ebenso wenig wie die EuGH-Rechtsprechung, die oft genug dazu geführt hat, dass wir Gesetze geändert haben oder anders auslegen mussten. Das Doppelbesteuerungsabkommen zwischen dem Vereinigten Königreich und der Bundesrepublik Deutschland, das wir 2010 zuletzt modifiziert haben, wird eine ganz neue Bedeutung haben. Oftmals haben wir gar nicht mehr hineingeschaut, weil es keine Bedeutung hatte, weil die Richtlinien es überlagert haben. Das werden wir uns in einzelnen Punkten ansehen müssen.

Das heißt, es stehen viele Herausforderungen an, insbesondere für unsere Steuerpflichtigen. Darum wollen wir ihnen helfen, sodass es keine Nachteile gibt. Viele Unternehmen – ich hoffe, alle Unternehmen – sind mittlerweile bereit, sich darauf einzustellen, dass es vielleicht einen harten Brexit gibt, dass wir die Dinge vielleicht schon am 30. März 2019 vollziehen müssen. Wenn es zu einem Austritt mit einem Austrittsabkommen kommt, haben wir ja das Brexit-Übergangsgesetz, das wir klugerweise hier im Parlament beschlossen haben, sodass wir dann Übergangsregelungen haben. Wenn es aber nicht dazu kommt, müssen wir sofort handeln. Das bedeutet unter anderem, weil die Mehrwertsteuersystemrichtlinie wegfällt, dass das Umsatzsteuerrecht dann ein ganz anderes ist. Die innergemeinschaftliche Lieferung, die wir im Steuerrecht kennen, würde zur Ausfuhrlieferung werden, was völlig andere Beleg- und Buchnachweise für den Mandanten nach sich zieht, was erhebliche Umfänge annehmen würde. Wir kennen dann kein innergemeinschaftliches Verbringen, keinen innergemeinschaftlichen Erwerb mehr. All diese Dinge werden dann von gestern sein. Die Unternehmen müssen sich darauf vorbereiten.

Aber in diesem Gesetz geht es nicht um diese Dinge, auf die sich die Unternehmen vorbereiten, sondern es geht um Dinge, die zu Nachteilen führen, obwohl der Steuerpflichtige nichts tut. Wir wollen mit diesem Gesetz verhindern, dass allein der Brexit als sogenanntes schädliches Ereignis in bestimmten Bereichen der Unternehmensbesteuerung und – die Staatssekretärin hat es angesprochen – auch bei der Riester-Förderung für den Steuerpflichtigen zu nachteiligen Folgen führt, also ohne weiteres Zutun.

(Beifall des Abg. Lothar Binding [Heidelberg] [SPD])

– Lieber Lothar Binding, wir schützen die deutschen Steuerpflichtigen. Von daher ist das, glaube ich, ein gutes Gesetz. Es ist sehr klug gemacht. Wir haben schon mit einem Entschließungsantrag von SPD und CDU/CSU zum Brexit-Übergangsgesetz klargestellt, dass wir Bestands- und Vertrauensschutz wollen. Das führen wir hier letztendlich fort.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Um das deutlich zu machen, nenne ich nur ein Beispiel – es gibt verschiedene Punkte –: Wenn Sie stille Reserven realisiert haben, weil Sie Wirtschaftsgüter aus dem Steuergebiet der Bundesrepublik Deutschland in das Vereinigte Königreich gebracht haben, dann haben Sie die Möglichkeit, diese stillen Reserven nicht sofort zu versteuern, sondern sie über fünf Jahre zu stunden. Ist es gerecht, dass der Brexit dazu führt, dass sie zur Sofortversteuerung kommen? Nein, natürlich nicht. Von daher haben wir dafür Übergangslösungen. Das findet sich auch in anderen Bereichen wieder, sodass das, glaube ich, ein kluges Gesetz ist.

Es ist klar – das hat auch Herr Glaser gesagt; das war, glaube ich, fast die einzige richtige Passage in seiner Rede –, dass es noch weitere Dinge gibt, die wir aufnehmen müssen. Das ist richtig. Das gilt für die Erbschaftsteuer; die Punkte haben wir schon angesprochen. Wir haben ein Riesenthema bei den Limiteds mit einer Geschäftsleitung in Deutschland, die auf einmal eigentlich nichts mehr sind. Deshalb muss man sich darum kümmern, was sie denn nun tatsächlich sind.

Von daher gibt es noch viel Beratungsbedarf. Aber im Grundsatz ist das ein gutes Gesetz. Wir sind der Meinung: Es darf keinen Nachteil für deutsche Steuerpflichtige geben ohne Zutun. Von daher sage ich: Lassen Sie uns das gemeinsam weiter klug beraten und vielleicht auch gemeinsam beschließen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)