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Fritz Güntzler: "Handlungsbedarf besteht unzweifelhaft"

Rede zur Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Auch wir danken der FDP für diesen Antrag,

(Katja Hessel [FDP]: Gern geschehen!)

weil wir auch in der Koalition über das Thema „Modernisierung des Unternehmensteuerrechts“ sprechen und diskutieren werden. Das Ergebnis ist noch nicht ganz klar; aber es ist wichtig, dass wir die Diskussion führen und dass wir sie auch hier führen.

Ich habe mir überlegt, wie sich die FDP gefühlt hat, als sie diesen Antrag geschrieben hat. Wenn man weiß, man hätte so was eigentlich im Koalitionsausschuss einbringen können,

(Dr. Florian Toncar [FDP]: Ach! Kreativer Einstieg!)

man hätte so was in das Kabinett einbringen können, dann ist man, glaube ich, traurig. Denn ich kann nur sagen: Mitregieren ist besser als nicht regieren, Herr Toncar.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Von daher hätten Sie gute Chancen gehabt. Ich kann Ihnen sagen: Die Fraktionen, die diese Koalition tragen, sind sich ihrer Verantwortung bewusst; das haben wir an verschiedenen Punkten gerade in den letzten Wochen bewiesen, und wir werden es auch bei diesem Thema beweisen.

Zurück zum Antrag. Handlungsbedarf besteht unzweifelhaft. Die Bundeskanzlerin hat das auf dem Arbeitgebertag auch angesprochen, auch auf Wirtschaftsminister Peter Altmaier verwiesen. Der Bundesfinanzminister – so habe ich den Medien entnommen – hat das hanseatisch zurückhaltend erst mal entgegengenommen. Aber wenn ich das richtig gelesen habe, hat er gesagt, der Zeitpunkt – das hat Lothar Binding eben auch gesagt –, sei falsch. Es sei aus seiner Sicht falsch, jetzt Konjunkturimpulse zu setzen. Aber auch darüber, finde ich, sollten wir diskutieren. Denn unseres Erachtens gibt es vier Gründe für den Handlungsbedarf, unser Unternehmensteuerrecht zu modernisieren.

Zum einen haben wir uns in der Vergangenheit zu Recht damit beschäftigt, steuerlichen Gestaltungsmissbrauch, Steuervermeidungsstrategien zu verhindern. Wir haben das BEPS-Projekt im Rahmen der G 20, G 7 und OECD umgesetzt, das der damalige Minister Schäuble initiiert hat. Wir haben gesetzgeberisch viel gegen Steuervermeidung gemacht. In der Summe muss man feststellen, dass wir doch ein sehr restriktives Unternehmensteuerrecht geschaffen haben und in Teilen vielleicht auch überschießende Wirkungen erzielt haben, die nicht unbedingt gewollt waren. Ich finde, dass man sich das mal anschauen kann. Ich nenne ein Beispiel: Sind wir eigentlich noch fit als Holdingstandort Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern, und gibt es da nicht ganz einfache Dinge, die wir ändern könnten? Das sollten wir in diesem Zusammenhang auch mal prüfen. Dazu fehlt im FDP-Antrag leider ein entsprechender Hinweis.

Zweiter Grund. Die letzte große Steuerreform ist elf Jahre her. Damals wurde gesagt: Wir wollen eine Belastung der Unternehmen von maximal 30 Prozent erzielen. – Das ist auch fast punktgenau erreicht worden, wenn man einen Gewerbesteuerhebesatz von 400 Prozent unterstellt. Denn wir müssen ja berücksichtigen, dass es in Deutschland die Besonderheit gibt, die nicht alle im Ausland sofort verstehen, dass wir im unternehmerischen Bereich zwei Steuern haben: bei der Kapitalgesellschaft die Körperschaftsteuer und die Gewerbesteuer und bei den Mitunternehmerschaften die Einkommensteuer und die Gewerbesteuer. Das ist nicht unbedingt ganz einfach. Aber da die Kommunen ihre Gewerbesteuerhebesätze in den letzten elf Jahren sukzessive angehoben haben, ist es dazu gekommen, dass wir diese 30-Prozent-Grenze reißen. Wir liegen derzeit bei 32 Prozent.

Selbst wenn es den internationalen Steuerwettbewerb, zu dem ich gleich komme, nicht gäbe, hätten wir jetzt meines Erachtens Handlungsbedarf aufgrund unserer eigenen Ziele, die wir damals formuliert haben.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

Damals führte Herr Steinbrück, der damals Finanzminister war – da ging es auch schon um die Standortpolitik und den Investitionsstandort Deutschland –, aus:

Keines der viel diskutierten Probleme … lösen wir ohne eine solide Wachstumsbasis, ohne leistungsfähige und wettbewerbsfähige Unternehmen …, die sich

– jetzt kommt es -

im internationalen Wettbewerb auch von der Steuerseite einigermaßen bewegen und bewähren können.

Dieser Bundesfinanzminister hat damals recht gehabt, und ich hoffe, auch unser Finanzminister wird sich dieser Auffassung im Rahmen des Diskussionsprozesses anschließen können.

Der dritte Grund ist der internationale Steuerwettbewerb. Über diesen haben wir schon mehrfach diskutiert. Man mag ihn bedauern; er ist auf jeden Fall da. Sie kennen die Zahlen: In den USA liegen die Unternehmensteuersätze bei 21 Prozent bzw. bei 26 Prozent, wenn ich die Lokalsteuer mitrechne. In Frankreich wurden sie von 28 auf 25 Prozent gesenkt. In Österreich liegen sie bei 21 Prozent. UK hat 17 Prozent angekündigt. In den Niederlanden sind es 21 Prozent. Das sind nur einige Beispiele. In der EU haben wir – ohne die Bundesrepublik Deutschland – einen durchschnittlichen Steuersatz von 21,5 Prozent, in der OECD von 25,7 Prozent. Da liegen wir mit unseren 32 Prozent weit darüber. Wir wissen durch viele Studien, dass ein Unterschied von 10 Prozentpunkten bei den Steuersätzen dazu führen kann – so das ifo-Institut –, dass bis zu 8 Prozent der Gewinne verlagert werden. Von daher haben wir auch hier einen Handlungsdruck.

Ich akzeptiere das Argument, das von unserem Koalitionspartner vorgetragen wird, dass es kein „race to the bottom“ geben darf. Wo ist eigentlich die untere Grenze? Von daher unterstützen wir die deutsch-französische Initiative zur Mindestbesteuerung sehr, weil wir dann ein gleiches Spielfeld für alle hinbekommen. Von daher kann man das in den Konsens auch mit einbeziehen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD und der Abg. Katja Hessel [FDP])

Der vierte Punkt ist die Konjunkturdelle. Wir können jetzt trefflich volkswirtschaftlich darüber streiten: Gibt es die Gefahr einer Rezession, oder sind wir schon drin? Auf jeden Fall spüren wir doch alle, dass was passiert. In meinem Wahlkreis haben die ersten großen Unternehmen Kurzarbeit eingeführt. Es gibt ja Gründe dafür. Das Auftragsvolumen ist zurückgegangen, die Zahl der Auftragseingänge ist zurückgegangen. Wir müssen gucken, wie wir reagieren. Wir müssen dafür nur den richtigen Zeitpunkt finden. Da sind wir wahrscheinlich noch nicht ganz beieinander. Ich glaube aber, dass wir zu spät reagieren, wenn wir erst reagieren, wenn die Ergebnisse für alle erkennbar sind. Ich glaube, wir müssen vorher reagieren. Von daher sollten wir was tun.

Was sollten wir im Einzelnen tun? Damit haben wir uns in der CDU/CSU-Fraktion sehr intensiv beschäftigt. Wir haben am 5. November dieses Jahres ein umfassendes Positionspapier zu dem Thema „Modernisierung des Unternehmensteuerrechts“ beschlossen, und zwar mit den drei Punkten: Wettbewerbsfähigkeit stärken, Strukturen verbessern und Bürokratie abbauen. Ich will das jetzt nicht im Einzelnen vortragen, obwohl ich dankenswerterweise viel Redezeit von meiner Fraktion bekommen habe;

(Heiterkeit bei Abgeordneten der FDP – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Du darfst vorher aufhören!)

aber Herr Brehm kann ja auch noch ergänzen. Ich glaube, der entscheidende Punkt – da sind wir uns mit der FDP in der Zielbeschreibung einig – ist: Wir sollten es schaffen, maximal 25 Prozent Steuerbelastung für nicht ausgeschüttete Gewinne in Deutschland zu erreichen. Dafür brauchen wir einen Weg.

Ich möchte noch mal sagen: Es geht um nicht ausgeschüttete Gewinne. Mir ist in der Diskussion viel zu häufig der Satz begegnet: Das ist der Unternehmergewinn. – Nein, es geht um Unternehmensgewinne, um Gewinne, die im Unternehmen bleiben, die dem Unternehmen zur Verfügung stehen, um Investitionen durchzuführen, Innovationen auf den Weg zu bringen, um für Personalaufbau zu sorgen und um die Personalkostensteigerung zu finanzieren. Das sind alles wichtige Dinge, die das Unternehmen machen muss.

Erst dann, wenn das Geld aus den Unternehmen hinausgeht, wird ganz normal und mit den Tarifen, die wir aus der Einkommensteuer kennen, besteuert. Da greift dann ja auch das Leistungsfähigkeitsprinzip. Von daher sollten wir gemeinsam versuchen, einen klugen Weg zu finden, diese Belastungsgrenze von 25 Prozent zu erreichen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Der Weg der FDP wird nicht dahin führen; denn die von Ihnen vorgeschlagene Senkung der Körperschaftsteuer auf 12,5 Prozent wird dafür nicht reichen.

(Dr. Florian Toncar [FDP]: Deswegen haben wir ja auch noch 19 andere Punkte!)

Das können Sie mithilfe der Mathematik sehr schnell herausfinden. Wenn Sie den Bericht des Wissenschaftlichen Beirats des Bundesfinanzministeriums lesen, werden Sie feststellen, dass Sie schon auf 10 Prozent gehen oder andere Lösungen finden müssten,

(Dr. Florian Toncar [FDP]: Genau! Siehe unser Antrag!)

die wir vorgeschlagen haben bzw. die der Freistaat Bayern vorgeschlagen hat.

Anrechnung der Gewerbesteuer auf die Körperschaftsteuer. Mit Ihrem Antrag erreichen Sie jedenfalls nicht das Ziel,

(Dr. Florian Toncar [FDP]: Locker!)

das Sie formulieren.

(Dr. Florian Toncar [FDP]: Das ist falsch!)

Allein das ist schon ein Grund, weshalb wir diesem Antrag nicht zustimmen können.

Außerdem fehlen uns einige Aspekte, die ich nur kurz adressieren möchte. Sie haben das Thema der Rechtsformneutralität nicht umfassend aufgeworfen.

(Dr. Florian Toncar [FDP]: Gewerbesteuer!)

Wir haben bei der letzten Unternehmensteuerreform versucht, diese herzustellen. Sie sprechen zu Recht davon, dass wir die Thesaurierungsbegünstigung, die es ermöglicht, nicht entnommene Gewinne bei Personengesellschaften niedriger zu besteuern, reformieren müssen. Sie haben sie adressiert, aber Sie haben ein Optionsmodell nicht angesprochen.

(Dr. Florian Toncar [FDP]: Das ist sehr kleinlich! – Gegenruf des Abg. Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Das ist absolut richtig!)

Das Optionsmodell haben wir im Blick, und wir wissen auch, dass im Bundesfinanzministerium darüber nachgedacht wird.

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Wenn wir was machen, machen wir es richtig!)

Von daher sollte man solche Dinge aufnehmen.

(Dr. Florian Toncar [FDP]: Das brauchen Sie doch gar nicht, wenn Sie die Gewerbesteuer abschaffen!)

Völlig vergessen haben Sie, Herr Dr. Toncar, dass wir unbedingt eine Reform des Außensteuergesetzes brauchen. Das Außensteuergesetz gibt es seit 1972. Wir müssen die Hinzurechnungsbesteuerungsgrenze von 25 Prozent auf meines Erachtens 15 Prozent, wenn nicht noch weiter, vermindern; denn wir haben mittlerweile nur noch Länder mit niedrigerer Besteuerung um uns herum, und es gibt erhebliche Erklärungspflichten, viel Bürokratie. Dieser wichtige Punkt fehlt.

Sie haben auch nichts zur Verbesserung der Verlustnutzung geschrieben. Das ist ein ganz wichtiger Punkt, gerade bei Start-ups und anderen.

Was mich besonders gewundert hat, ist, dass im Antrag steht, dass Sie ein Forschungszulagengesetz wollen. Ich möchte Sie an den zeitlichen Ablauf erinnern: Wir haben es ja beschlossen,

(Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Da haben Sie dagegengestimmt!)

aber leider ohne Ihre Zustimmung.

(Dr. Florian Toncar [FDP]: Skandal!)

Es wäre schön gewesen, wenn Sie in der letzten Woche auch diesem Gesetz zugestimmt hätten.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wir können Ihrem Antrag nicht zustimmen. Wir nehmen ihn als Diskussionsgrundlage für die Prozesse, die wir in der Koalition anstreben, gerne mit.

(Dr. Florian Toncar [FDP]: Wenn Sie nur die Hälfte davon umsetzen, dann haben Sie schon was erreicht!)

Wir werden sehr solide arbeiten; denn, Herr Dr. Toncar, es gilt: Sorgfalt vor Eile. Ein Schnellschuss hilft hier überhaupt nicht, und ein steuerpolitischer Schrotschuss hilft erst recht nicht.

(Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Genau!)

Sie haben in Ihren Antrag alles Mögliche geschrieben. Diese Koalition hat die Kraft, auch dieses Thema anzugehen. Ich bin mir sicher, dass wir gemeinsam zu klugen Lösungen kommen können – für den Industriestandort Deutschland, für die Menschen, die hier arbeiten, für die Unternehmer, die die Arbeitsplätze schaffen, die investieren, die für Innovationen Geld ausgeben. Von daher: Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten! Dieser Antrag ist nicht umfassend genug. Er ist ein erster Versuch.

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Versucht es noch mal!)

Aber: Gehen Sie noch ein zweites Mal an den Start.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)