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Fritz Güntzler: Es geht um sehr komplexe Zusammenhänge

Redebeitrag zur Änderung des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung

Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Schon spannend, so einem bilateralen Dialog eben zu folgen. Da ist ja fast mehr gesagt worden als in den Reden. Von daher war das schon ganz interessant.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)

Wir beschäftigen uns heute mal wieder mit dem schönen Thema Cum/Ex und der Aufarbeitung der Fälle. Kollegin Paus hat darauf hingewiesen, dass wir uns in der letzten Legislaturperiode in einem Untersuchungsausschuss sehr ausführlich mit diesem Thema befasst haben, in dem, so würde ich sagen, alle Fraktionen sehr aufmerksam mitgearbeitet und auch an Lösungen mitgewirkt haben; Sie haben das ja eben ein wenig einseitig dargestellt. Für uns war klar – das ist im Ausschussbericht auch so dokumentiert worden –, dass es rechtswidrig war, was da geschehen ist; denn wenn man einmal etwas bezahlt, kann das nicht zwei- oder sogar dreimal erstattet werden. Das sagt einem schon der gesunde Menschenverstand. Von daher sind wir froh, dass das Landgericht Bonn im Frühjahr ein klares Urteil gefällt hat.

(Zurufe von der LINKEN)

Man kann jetzt darüber diskutieren, ob schon viel erreicht wurde oder nicht. Immerhin sind 51 Fälle aufgedeckt und 1,1 Milliarden Euro zurückgeflossen bzw. nicht erstattet worden. Man muss auch zur Kenntnis nehmen, dass es derzeit allein bei der Staatsanwaltschaft Köln 900 Beschuldigte gibt, dass also noch weitere Verfahren anstehen und weitere Gelder zurückfließen werden. Es ist eben nicht so, dass man in ein Unternehmen bzw. meistens in eine Bank geht und sagt: Es gab Cum/Ex-Geschäfte, und ich habe es bemerkt. – Es geht um sehr komplexe Zusammenhänge, es geht um Bandenkriminalität, und die Staatsanwaltschaften brauchen die Zeit, die Vorgänge sauber aufzuklären, um Ansprüche geltend zu machen.

(Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie brauchen auch mehr Personal!)

Von daher bin ich den Kolleginnen und Kollegen der Justizverwaltung und der Staatsanwaltschaften, die zurzeit daran arbeiten, sehr denkbar für den tollen Job, den sie machen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Zuruf der Abg. Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Zum Thema Verjährung. Ich darf daran erinnern: Es war im Wesentlichen die Unionsfraktion, die das Thema Verjährung auf die Tagesordnung gesetzt hat und bezüglich der Notwendigkeit von Gesetzesänderungen Druck gemacht hat. Anders als mein Kollege Schrodi – obwohl wir in der Großen Koalition sehr eng zusammenarbeiten – sehe ich, dass es nach wie vor Probleme gibt, die auf uns zukommen können. Justizminister Biesenbach aus Nordrhein-Westfalen hat heute im Bundesrat darauf hingewiesen: Wenn wir bei der relativen Verjährungsfrist bei schweren Steuerstraftaten keine Verlängerung von 10 auf 15 Jahre vereinbaren, können in Fällen, die vor 2010 liegen, keine Ermittlungsverfahren mehr aufgenommen werden. Dabei besteht die Befürchtung, dass es da noch eine erhebliche Zahl von Fällen gibt.

Von daher tut es not, da etwas zu tun. Das ist übrigens die größte Schwäche der Gesetzentwürfe der Linken und von Bündnis 90/Die Grünen, dass dieser Punkt nicht enthalten ist. Das ist für mich persönlich zum Beispiel ein Grund, warum ich den Gesetzentwürfen nicht zustimmen kann.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Cansel Kiziltepe [SPD]: Genau!)

Wir haben versucht, im Zweiten Corona-Steuerhilfegesetz das zu regeln. Ich muss selbstkritisch sagen: Das war nicht der große Wurf.

(Zuruf der Abg. Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Wir haben etwas anderes intendiert. Wir haben uns auf die Ministerien verlassen, dass uns ein Vorschlag vorgelegt wird, der alles berücksichtigt. Das ist leider so nicht geschehen.

Ich ärgere mich selber, dass ich es nicht bemerkt habe. Aber fast alle Fraktionen haben zugestimmt, weil wir großes Vertrauen in das hatten, was uns vorgelegt wurde. Aber wenn man einen Fehler gemacht hat, dann sollte man auch den Mut haben, die Probleme zu benennen und aufzuarbeiten, und die Lösung nicht auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschieben.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Christian Dürr [FDP] und Fabio De Masi [DIE LINKE])

Von daher kann ich auch die Bitte des Bundesrates verstehen – wenn ich es richtig vernommen habe, war das Ergebnis 16 : 0 – , zu prüfen, ob es nicht gelingen könnte, dass der Deutsche Bundestag im Rahmen der Beratungen zum Jahressteuergesetz 2020 entsprechende Regelungen aufnimmt.

(Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!)

Da gibt es einen Vorschlag aus Nordrhein-Westfalen. Es gibt übrigens auch einen Vorschlag des BMJV, als Vorentwurf zum Referentenentwurf, der fast genau das Gleiche vorsieht, nämlich Änderungen im Strafgesetzbuch. Das ist, glaube ich, der bessere Weg, als es über die Abgabenordnung zu regeln. Das Material, wie wir es besser machen können, liegt also auf dem Tisch.

Kollege Brehm hat schon darauf hingewiesen: Die Gesetzentwürfe der Linken und der Grünen kann ich als politisches Mittel verstehen. Es geht darum, wie es Herr De Masi gesagt hat, den Druck im Kessel zu halten. Sie sind aber doch mit sehr vielen Unsicherheiten versehen. Nachdem der erste Versuch nicht so glücklich ausgegangen ist, sollten wir dem nicht glücklichen ersten Versuch nicht einen zweiten nicht glücklichen Versuch hinterherschieben. Wir sollten uns von daher Zeit nehmen.

Eine Änderung im Rahmen eines Gesetzes zur Modernisierung der Strafprozessordnung durchzuführen, wie von Minister Scholz angekündigt, halte ich persönlich für zu spät, da der Kabinettsentwurf erst im Dezember dieses Jahres kommen soll. Von daher hoffe ich, dass wir mit dem Ministerium, mit der Regierung, aber auch mit der SPD und selbstverständlich mit der Opposition noch einmal reden können, um eine kluge Lösung im Jahressteuergesetz 2020 zu finden.

(Zurufe von der FDP)

Eine Anmerkung zur FDP: Liebe Kollegin Hessel, Sie sagen, Sie stimmen beiden Gesetzentwürfen zu. Ich kann nur sagen: Das funktioniert nicht. Es sind zwei unterschiedliche Gesetze. Sie müssen sich schon für den der Linken oder den der Grünen entscheiden. Es wäre einfacher, wenn Sie dazu eine Meinung hätten.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit, und ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)