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Elisabeth Winkelmeier-Becker: Der Wert einer unabhängigen Justiz ist nicht mit Geld zu messen

Haushaltsgesetz 2018 - Rede zum Einzelplan 07 - Recht und Verbraucherschutz

Guten Morgen!

(Heiterkeit und Beifall des Abg. Sebastian Steineke [CDU/CSU])

Nach dieser amtsangemessenen Rede des Rechtsausschussvorsitzenden

(Zuruf von der SPD: Ein Trauerspiel!)

darf ich Sie ganz herzlich begrüßen und die sachliche Debatte fortsetzen. Wir hatten gerade wieder, wie ich glaube, einen Beweis für die Relativität der Zeit: Es kann wirklich extrem anstrengend sein, es ertragen zu müssen, drei Minuten zuzuhören.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Dr. Petra Sitte [DIE LINKE])

Wir haben schon festgestellt: Die Größe des Haushalts steht in keinem Verhältnis zur Bedeutung unserer Themen Recht und Verbraucherschutz. Wir sind uns sicher einig, dass der Wert einer unabhängigen Justiz mit Geld nicht zu messen ist. Wie so oft wird einem der Wert erst dann bewusst, wenn es eben nicht rundläuft. National und international haben wir dafür Beispiele. Ich möchte einfach die Gelegenheit hier dazu nutzen, den Unterschied einmal klarzumachen. Werfen wir einen Blick in die Vereinigten Staaten: Da haben wir einen gefestigten Rechtsstaat, der auch die Unabhängigkeit und die Stärke aufbringt, selbst Anordnungen des Präsidenten zurechtzurücken, wenn sie mit der Verfassung nicht übereinstimmen. Den Gegensatz dazu ergibt ein Blick in die Türkei, wo Anwälte, Richter, Staatsanwälte, selbst Bundesrichter aus dem Dienst entfernt werden, in Haft genommen werden und die Justiz alles mitträgt. Auch Polen macht uns Sorgen, weil es dort auch um die Unabhängigkeit der Justiz geht. Wir hoffen, dass Reaktionen aus Brüssel und auch von den obersten Gerichtshöfen EuGH und EGMR da zu Korrekturen führen werden.

Hier in Berlin findet am 24./25. Mai auf Einladung der Europäischen Richtervereinigung der Europäische Justizgipfel zum Thema „Unabhängigkeit der Justiz und Gefahren für die Rechtsstaatlichkeit in Europa“ statt. Ich denke, dass dieser Gipfel genau der Rahmen ist, von dem das Signal ausgehen muss: Wer zu den zivilisierten Staaten gehören will, der muss rechtsstaatliche Standards einhalten. Jede Regierung, die demokratische Legitimation für sich in Anspruch nimmt, muss aushalten, dass die Gerichte sie an den eigenen Gesetzen und der Verfassung messen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Aber auch im Inland haben wir einiges auf hohem rechtsstaatlichen Niveau zu tun. Daran dürfen wir als Rechtspolitiker überhaupt keinen Zweifel aufkommen lassen. Auch unsere Richter und Staatsanwälte stehen unter einem großen zeitlichen Druck. An ihrer Unabhängigkeit, auch an der der Anwälte, besteht überhaupt kein Zweifel. Das Problem ist aber, dass Verfahren häufig zu lange dauern, weil Personalressourcen fehlen. Folge ist, dass Beschuldigte trotz dringenden Tatverdachts aus der Untersuchungshaft entlassen werden müssen, dass es wegen langer Verfahrensdauern zu Strafrabatten kommt, dass es zu Einstellungen von Strafbefehlen kommt, wo eigentlich eine mündliche Verhandlung der Sache besser gedient hätte. Auch diejenigen, die letztendlich freigesprochen werden, leiden unter einem langen, hinhaltenden Verfahren. Und die Opfer einer Straftat können mit dem Erlebten nicht abschließen, solange das Verfahren läuft.

Unter langen Verfahren kann jeder Bürger leiden, beispielsweise wenn es um familienrechtliche Entscheidungen geht. Sie können den Handwerker treffen, der seinen Lohn einklagt, oder im Zusammenhang mit Wohnungskündigungen, Baugenehmigungen, Jobkündigungen vorkommen. All das sind Bereiche, in denen die Bürger schnell auf ihren Rechtsschutz angewiesen sind.

Eine der Ursachen ist, dass am Personal gespart wurde. Der Deutsche Richterbund hat das berechnet. Die 2 000 Stellen laut Bedarfsermittlungssystem PEBB§Y wurden schon angesprochen. Hinzu kommen die Stellen im nachgeordneten Bereich. Genauso fehlt es hier und da an Ausstattung, an Büros und PCs. Deshalb ist es richtig, dass wir uns vorgenommen haben, das zu tun, was man an der Stelle mit Geld tun kann.

(Dr. Manuela Rottmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Geld der Länder!)

Dazu haben wir den Pakt für den Rechtsstaat vereinbart. Pakt – das sagt der Name schon – heißt, dass mehrere Aspekte zusammenwirken müssen.

(Dr. Manuela Rottmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das heißt, die Länder bezahlen!)

Es ist in der Tat eine Gemeinschaftsaufgabe des Bundes und der Bundesländer, in deren Verantwortung die Gerichte überwiegend liegen. Der Bund muss hierbei seinen Teil übernehmen; das zeichnet sich schon ab.

Es geht um zusätzliche Stellen bei den Gerichten des Bundes und beim Generalbundesanwalt sowie um einige zusätzliche Mitarbeiter im Ministerium. Was die in dem Zusammenhang genau machen sollen, müssen wir sicher noch einmal im Detail klären. Darauf dürfen wir aber sicherlich nicht warten, wenn es darum geht, die Vorlagen für die Ministerpräsidentenkonferenz zu schreiben, vielmehr müssen die ganz schnell aus dem Justizministerium kommen.

Neben Personal und Ausstattung geht es auch um die effizienten Verfahren. Sie haben wirklich eine hohe Priorität, auch im Koalitionsvertrag, und liegen in unserer eigenen Zuständigkeit. Es hat mich schon gewundert, dass dieses Thema im Rahmen der Vorhabenplanung, die Sie, Frau Ministerin, uns im Rechtsausschuss in dieser Woche vorgestellt haben, überhaupt nicht vorgekommen ist. Ich glaube, wir müssen uns doch noch mal über die Wichtigkeit dieses Ansatzes verständigen.

Wir brauchen im Strafprozess Änderungen im Befangenheits- und Beweisantragsrecht, bei Besetzungsrügen, bei Großverfahren die Bündelung der Nebenklage. Das sind Vorschläge des Strafkammertags aus der Praxis. Ich denke, es stünde uns gut an, diese endlich aufzugreifen.

Wir wollen im Verwaltungsprozess eine Reform der Zulassungsberufung prüfen. Das hätte den Vorteil, dass schnell Klarheit in Rechtsfragen geschaffen wird, vor allem bei wichtigen Fragen: Welche Länder sind sichere Herkunftsländer und welche nicht?

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Daran könnte sich die untere Instanz orientieren. Das würde die Verfahren beschleunigen und die Rechtsprechung vereinheitlichen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Nur kurz möchte ich die Musterfeststellungsklage ansprechen, weil wir darüber vermutlich in der nächsten Sitzungswoche ausführlicher debattieren werden. Aber auch die gehört dazu, um die Verfahren zu effektivieren, damit Verbraucher in diesen Fällen ihre Ansprüche möglichst gut klären und durchsetzen können.

Wie gesagt, der Einzelplan 07 ist der mit Abstand kleinste. Politische Gestaltung beruht hier im Wesentlichen nicht darauf, dass wir Geld und Fördermittel verteilen, sondern darauf, dass wir gute Gesetze machen und fortschreiben, auf die die Bürger und Unternehmen in ihrem Alltag angewiesen sind.

Ich möchte mit Blick auf die Uhr drei Beispiele kurz anreißen.

Erstens. Ich denke, wir müssen den Blick auf die Änderung und Reform im Personen- und Kapitalgesellschaftsrecht sowie Beschlussmängelrecht bei Aktiengesellschaften richten. Wir müssen die hohen Standards unserer Register im Hinblick auf Klarheit und Wahrheit und notarielle Identitätskontrolle verteidigen, wenn es darum geht, Onlinegründungen zu ermöglichen, wie die Europäische Union das plant. Wir müssen schauen, welche Maßnahmen helfen, den Rechtsstandort Deutschland zu stärken. Wir möchten, dass unser Recht und unser Rechtsstaat auch für unsere Unternehmen ein positiver Standortfaktor sind.

Zweitens. Wir müssen uns das Wohnungseigentumsgesetz anschauen; vom Mietrecht war vorhin schon die Rede. In diesem Bereich müssen wir Reformen angehen, um zum Beispiel Renovierungen, einen altersgerechten Umbau, E-Anschlüsse für E-Autos usw. praktikabel zu machen.

Drittens. Wir müssen uns darum kümmern, dass sich Abmahnungen in Zukunft nicht mehr so lohnen wie bisher. Sie dürfen kein Geschäftsmodell sein, bei dem man vor allem an den Gebühren und Vertragsstrafen verdient, anstatt sich vor allem um den Wettbewerbsverstoß zu kümmern.

(Beifall bei der CDU/CSU und der Abg. Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Es gibt also viel zu tun, auch wenn nur wenig Geld zur Verfügung steht.

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU)