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Eckhardt Rehberg: "Wir müssen dafür sorgen, dass kein Mitgliedstaat in die Zahlungsunfähigkeit gerät"

Stellungnahme zum Verordnungsentwurf der EU-Kommission über die Einrichtung des Europäischen Währungsfonds (COM(2017) 827 final)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Erstens. Die Krise, die wir 2010 in Griechenland, Irland, Portugal, Spanien und Zypern erlebt haben, darf sich nicht wiederholen.

Zweitens. Wir müssen verhindern, dass die Zahlungsunfähigkeit eines Mitgliedstaats auf die gesamte Währungsunion übergreift und den Euro – das würde Deutschland besonders schaden – in seiner Existenz bedroht.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Drittens. Wir müssen dafür sorgen, dass kein Mitgliedstaat in die Zahlungsunfähigkeit gerät, weder durch das Ausbleiben notwendiger Reformen noch durch eine Bankenkrise.

EFSF, ESM, Bankenaufsicht und der gemeinsame Restrukturierungsfonds haben gezeigt, dass die Währungsunion sicherer und stabiler geworden ist. Wir haben das Vertrauen in den Euro weltweit gestärkt.

(Lachen bei Abgeordneten der AfD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen der FDP, scheinbar leiden Sie an partieller Amnesie.

(Johannes Kahrs [SPD]: So ist das!)

Sie haben 2012 gemeinsam mit uns den ESM installiert und ausgeformt

(Otto Fricke [FDP]: Der gehört nicht zur EU!)

und alle Beteiligungs- und Parlamentsrechte des Deutschen Bundestags darauf ausgerichtet. Für uns ist eines wesentlich: Die Weiterentwicklung des ESM zum EWF muss ohne Reduzierung der Parlamentsrechte des Deutschen Bundestags und des Haushaltsausschusses vonstattengehen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Otto Fricke [FDP]: Das geht doch gar nicht!)

Wenn wir aber Ihrem Wahlprogramm gefolgt wären und den ESM abgeschafft hätten, dann hätten wir die ganze Euro-Zone einschließlich Deutschland in eine existenzielle Krise gestürzt.

(Beifall bei der SPD)

Wie kann man so unvernünftig sein und das über Bord schmeißen, was man vor fünf Jahren für richtig gehalten hat?

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Christian Dürr [FDP]: Das tut doch gar keiner! Haben Sie den Antrag verstanden?)

Der wichtigste Punkt für die Zukunft ist, dass wir den zentralen Fehler in der Euro-Zone, nämlich die Nichteinhaltung der Defizitregeln in einigen Mitgliedstaaten und die mangelnde Kontrolle durch die EU-Kommission, nicht dulden. Ich persönlich werde nicht lockerlassen, die Einhaltung der Fiskalregeln einzufordern, bevor wir mit immer neuen Geldtöpfen Risiken in der Euro-Zone umverteilen. Das Prinzip „Risiko und Haftung in einer Hand“ ist zentral für den Erfolg der Währungsunion.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ich sehe nicht ein, warum mehr Risikoteilung die Währungsunion sicherer machen soll, solange sich in vielen Staaten enorme Risiken in den Bankbilanzen auftürmen.

Für die Union ist eins wesentlich: Bevor die notleidenden Kredite nicht spürbar abgebaut sind, kann es keine Zugeständnisse bei der gemeinsamen Einlagensicherung und bei neuen Absicherungen für den Bankenrestrukturierungsfonds geben. Hier ist die Reihenfolge entscheidend: nacheinander, nicht nebeneinander.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Vizepräsident Thomas Oppermann:

Herr Rehberg, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Fricke von der FDP?

Eckhardt Rehberg (CDU/CSU):

Ja, klar.

Vizepräsident Thomas Oppermann:

Bitte, Herr Fricke.

Otto Fricke (FDP):

Herr Kollege Rehberg, wenn ich Sie richtig verstanden habe, dann sind Sie mit der FDP darin einig, dass das, was 2012 beschlossen worden ist, richtig und vernünftig war. Ich frage Sie deswegen: Können Sie diesem Hause hier für Ihre Fraktion die Zusage geben, dass das, was wir beschlossen haben – nämlich dass die Verantwortung für den ESM in der Hand der Mitgliedsländer bleibt –, für den ESM und seine Nachfolgeorganisationen auch weiterhin so bleibt und dass der ESM nicht in eine europäische Institution übergeführt wird? Oder bestätigen Sie uns, was wir auch heute in der Zeitung lesen können, dass in Ihrer Fraktion bereits heftig darüber diskutiert wird, aus dem ESM und seiner Nachfolgeorganisation eine europäische Institution zu machen?

(Beifall bei der FDP – Christian Dürr [FDP]: Sehr gute Frage! – Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie schlimm wäre das denn, eine „europäische Institution“?)

Eckhardt Rehberg (CDU/CSU):

Lieber Kollege Fricke, ich bin hoch erstaunt, dass Sie den ESM als ein erfolgreiches Instrument beschreiben, obwohl Sie ihn laut Ihrem Wahlprogramm abschaffen wollen.

(Otto Fricke [FDP]: Das habe ich nicht gesagt! Aber das ist egal!)

Diesen Erkenntnisgewinn in so kurzer Zeit finde ich sehr beeindruckend. Dazu beglückwünsche ich Sie an dieser Stelle erst einmal.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es wird jetzt darauf ankommen, wie der Europäische Währungsfonds – wir sind schon dafür, dass der ESM weiterentwickelt wird – ausgestaltet wird. Es gibt erhebliche Meinungsunterschiede

(Otto Fricke [FDP]: Aha!)

in der Unionsfraktion über das „Nikolaus-Paket“ der Europäischen Kommission. Das Problem behebt man aber nicht mit einer Subsidiaritätsrüge.

(Otto Fricke [FDP]: Doch, genau damit!)

Wir können unsere Position über eine Stellungnahme des Haushaltsausschusses nach Artikel 23 des Grundgesetzes deutlich machen; das ist aus unserer Sicht der richtige Weg an dieser Stelle. Dazu gehören zum Beispiel inhaltlich eine bessere Überprüfung der Haushaltsdisziplin der Mitgliedstaaten durch die EU-Kommission, eine frühzeitige Diagnose von Fehlentwicklungen in der Wirtschaft, ein Ersatz für die bisherige Troika aus EU, EZB und IWF bei der Überprüfung der Anpassungsprogramme. Das Ganze gilt aber nur unter der Bedingung, dass Sachverstand waltet und Unabhängigkeit von der EU-Kommission besteht, andernfalls Einbeziehung des IWF. Außerdem müssen striktere Bedingungen für die Vergabe von Finanzhilfen gelten und klare Insolvenzregeln eingeführt werden. Letztendlich darf es auf keinen Fall – das habe ich schon gesagt; das unterstreiche ich noch einmal – weniger Beteiligungsrechte des Deutschen Bundestages geben, als im ESM-Vertrag jetzt verankert sind.

Kollege Fricke, wir sollten uns gemeinsam auf diesen Weg begeben. Wie ich sehe, nicken hier auch Kollegen von den Grünen. Ich glaube, dieses Thema wird einer intensiven Diskussion bedürfen. Ich halte es für sehr richtig und wichtig – auch als Unterstützung für eine zukünftige Bundesregierung –, dass die Bundesregierung parlamentarische Hürden zu nehmen hat, bevor sie zu etwas Ja sagt, etwa im Gouverneursrat; nichts darf ohne eine Votum des deutschen Parlaments geschehen. Ich glaube, da liegen die FDP und wir gar nicht so weit auseinander.

(Christian Dürr [FDP]: Ich fürchte, doch!)

Lassen Sie uns das in aller Ruhe debattieren.

Ich nenne noch ein paar weitere Kernpunkte. Der EWF muss eine eigenständige, unabhängige EU-Institution sein; er darf nicht der EU-Kommission unterstehen, sondern er muss neben ihr angesiedelt sein, wie zum Beispiel die EIB oder die EZB. Die Mitgliedstaaten müssen weiter die Kontrolle über die eingezahlten Mittel ausüben. Letztendlich muss also der Deutsche Bundestag als nationales Parlament auch weiter an allen Entscheidungen beteiligt sein.

(Christian Dürr [FDP]: Aber Sie tun nichts dafür, dass es so bleibt!)

Übrigens lassen uns Urteile des Bundesverfassungsgerichts da auch keinen großen Spielraum.

(Christian Dürr [FDP]: Ja!)

Ich hoffe ganz einfach, dass mein Beitrag ein bisschen zur Versachlichung der Debatte beigetragen hat.

(Christian Dürr [FDP]: Nein!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen der FDP, ich hoffe, dass Sie mit uns – von der AfD erwarte ich das nicht – im Haushaltsausschuss konstruktiv zusammenarbeiten.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)