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Eckhardt Rehberg: "Planungskapazitäten erhöhen und das Planungsrecht vereinfachen"

Rede zu Öffentliche Investitionen

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Man kann jetzt hier und heute und konnte in den letzten Tagen den Eindruck gewinnen, dass einige im Vollrausch sind, wenn es um das Thema Schulden geht: manche Ökonomen, manche Antragsteller auf Parteitagen in den letzten Wochen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, früher haben Linke für Gerechtigkeit und Chancengleichheit gekämpft, heute kämpfen sie für Schulden.

(Fabio De Masi [DIE LINKE]: Unsinn!)

– Ja! Das ist doch der Tenor, der Duktus Ihrer Rede und Ihrer Anträge. – Schulden werden als Wundermittel dargestellt, hochstilisiert, es wird gesagt, damit könne man alle Probleme lösen.

Meine erste Frage ist: warum denn nur 450 Milliarden Euro in zehn Jahren, warum nicht eine oder zwei Billionen?

(Peter Boehringer [AfD]: Das macht doch von der Leyen schon!)

Meine nächste Frage ist: Belebt das wirklich die Konjunktur? Behebt das die Probleme? Wenn Sie für Steuersenkungen gekämpft hätten, damit die deutsche Wirtschaft, gerade der Mittelstand, wettbewerbsfähig bleibt, dann hätte ich das ja noch verstanden.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die Herausforderung der Zukunft ist, die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft zu sichern. Oder glauben Sie wirklich, dass die Formel „Tausche CO2 gegen Milliarden von Schulden“ Sinn macht? Hat das etwas mit Nachhaltigkeit zu tun? Geschichtsvergessen ist es allemal. Die Euro-Krise vor zehn Jahren ist nicht entstanden, weil die Länder zu wenig, sondern weil sie zu viele Schulden hatten, weil sie über ihre Verhältnisse gelebt haben.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Sie reden zwar von Investitionen, meinen aber massive Ausgabensteigerungen.

(Fabio De Masi [DIE LINKE]: Was ist denn mit Spanien?)

Ich finde, die Forderung, mehr Schulden zu machen, ist – Entschuldigung – abgehoben, und sie geht auch an der Realität des Bundeshaushaltes vorbei.

(Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Dogmatisch!)

Wie sieht diese Realität aus? Vor zehn Jahren, als ich in den Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestags gekommen bin – das ist erst zehn Jahre her, ich schaue die Kolleginnen und Kollegen der FDP an –, standen wir vor folgender Situation: Der Haushalt 2010 hatte einen Umfang von 300 Milliarden Euro, und wir hatten 86 Milliarden Euro Schulden.

(Otto Fricke [FDP]: So war das!)

Dabei hätten wir bleiben sollen? Hätten wir das wirklich bis heute durchziehen sollen? Kein Schuldenabbau? Die Basis dafür, dass wir heute massiv investieren können, ist der Schuldenabbau. Übrigens, als wir die alten Schuldenregeln hatten, haben wir zwischen 22 und 24 Milliarden Euro investiert. Am 26. November dieses Jahres haben wir für das nächste Jahr Investitionen in Höhe von 43 Milliarden Euro beschlossen. Die Herausforderung ist eine andere – ich werde das immer wieder sagen –: Wir haben bei Investitionen kein Finanzierungsproblem, sondern ein Umsetzungsproblem.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann tun Sie mal was! Sie sind doch in der Regierung!)

Das ist das Kernproblem der deutschen Wirtschaft und der deutschen Gesellschaft.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, man kann ja zur Schuldenbremse stehen, wie man will, nur was man nicht kann, ist, finde ich, zum Rechtsbruch aufzurufen. Die Schuldenbremse steht im Grundgesetz. Wer meint, liebe Kolleginnen und Kollegen der Linken und der Grünen, aber auch der SPD, man könne sie umschiffen, reformieren oder ändern, dem sage ich: Sie sollten sich einmal den letzten Bericht nach § 99 BHO des Bundesrechnungshofes durchlesen.

(Fabio De Masi [DIE LINKE]: Sie auch!)

Sie nehmen ja immer gerne Bezug darauf. Auf Seite 6 steht:

Überlegungen dahin gehend, die Schuldenregeln zu ändern, um investive Ausgaben über Kredite finanzieren zu können, sind nicht zielführend.

Weiter heißt es auf Seite 56:

Auch das Argument eines auf absehbare Zeit niedrigen Zinsniveaus überzeugt nicht … da nach diesem Konzept auf Dauer keine Schuldentilgung stattfindet, würde der nominale Schuldenstand des Bundes von derzeit 1,2 Billionen Euro weiter anwachsen. Hohe Schuldenstände können sich zu tickenden Zeitbomben entwickeln. Beim Anstieg des Zinsniveaus würden sich „billige“ Kredite in „teure“ Kredite verwandeln.

So der Bundesrechnungshof, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Wenn man den Bundesrechnungshof sonst immer als Zeugen nimmt, dann muss man die Warnung in dem letzten Bericht des Bundesrechnungshofes zu diesem Thema auch wirklich einmal ernst nehmen. Deswegen: Die Unionsfraktion ist voll auf der Linie des BRH, was das Thema Schuldenregeln betrifft. Wir wollen keine neuen Schulden.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP und des Abg. Leif-Erik Holm [AfD])

Liebe Kolleginnen und Kollegen, jetzt kommen Ratschläge von ganz interessanter Seite.

(Dr. Wiebke Esdar [SPD]: Aus der Wirtschaft zum Beispiel!)

Der neue Parteivorsitzende der SPD, Herr Norbert Walter-Borjans, war ja sieben Jahre Finanzminister in Nordrhein-Westfalen. In der Zeit, in sieben Jahren, hat er 21 Milliarden Euro neue Schulden angehäuft. Und besonders spannend – der Kollege Daldrup wird ja heute auch noch reden – ist das Anwachsen der Kassenkredite der nordrhein-westfälischen Kommunen in dieser Zeit, und zwar von etwa 20 Milliarden Euro auf 26,5 Milliarden Euro. Ich finde, das ist ein ziemlich schwaches Zeugnis.

Dazu kommt noch, dass ihm der nordrhein-westfälische Verfassungsgerichtshof nach meiner Kenntnis viermal einen verfassungswidrigen Haushalt attestiert hat. Für mich ist der neue SPD-Vorsitzende, was diesen Punkt betrifft, mehr als ein schlechter Ratgeber, nämlich gar kein Ratgeber.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Wer in den sieben Jahren seiner Amtszeit so agiert hat, sollte, glaube ich, an der Stelle etwas Zurückhaltung üben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn wir über dieses Thema diskutieren, dann ist auch einmal Folgendes zu betrachten: Am 26. November haben wir hier den Bundeshaushalt 2020 verabschiedet – ohne neue Schulden. Wir haben auch die Finanzplanung zur Kenntnis genommen, die ebenfalls keine neuen Schulden vorsieht. Liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD, es gab aus euren Reihen keine einzige Gegenstimme. Ich denke, wir sind das Parlament, und Parteitag ist Parteitag. Weil wir das Parlament sind, sollte man uns auch mit Respekt begegnen, finde ich.

Es kann nicht sein, dass wir als Große Koalition am 26. November einen Haushalt mit Investitionen auf Rekordniveau verabschieden und wir auch in der Perspektive ohne neue Schulden auskommen werden – wir müssen sie auch nicht machen, um zu investieren – und dann wenige Tage später eine Debatte geführt wird, die weit daran vorbeigeht.

(Dr. Wiebke Esdar [SPD]: Die Sie offensichtlich nicht verstanden haben!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Stichwort „Finanzierung und Umsetzung“. Erste Bemerkung: Reste im Bundeshaushalt addieren sich auf fast 20 Milliarden. Zweite Bemerkung: In den Sondervermögen stehen für Kindertagesstätten, Schulsanierung, Hochschulbau usw. Milliarden zur Verfügung. Wir sollten nicht über neues Geld reden, das wir ins Schaufenster stellen, und die Preise in der Bauwirtschaft weiter anheizen. Es gibt übrigens 700 000 Baugenehmigungen in Deutschland. Der Verband der deutschen Bauwirtschaft sagt selber: Wir haben gar nicht die Kapazitäten, diese Baugenehmigungen umzusetzen und zu realisieren.

Deswegen: Die Herausforderung der Zukunft ist nicht, immer mehr neue Schulden zu machen und immer mehr Geld ins Schaufenster zu stellen. Die Herausforderung ist, Planungskapazitäten zu erhöhen, das Planungsrecht zu vereinfachen. Die Standards müssen runter. Dann werden wir auch unsere Investitionen auf die Straße und über die Bühne bringen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)