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Dr. Reinhard Brandl: Das ist die erste Zielsetzung: Konjunktur anschieben

Redebeitrag zum Corona-Konjunktur- und Krisenbewältigungspaket

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Klein, machen Sie sich keine Sorgen: Die Union, die SPD, die Koalition ist mutig. Wir legen hier ein mutiges Zukunftspaket vor, über das wir gleich abstimmen. Überlegen Sie es sich noch einmal! Stimmen Sie zu! Sie würden Deutschland in der Krise einen großen Gefallen tun.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Herren, ich will die Perspektive etwas weiten. Wir stehen jetzt am Beginn eines neuen Jahrzehnts. In den 20er-Jahren wird sich die Welt neu ordnen. Wir beobachten schon seit Längerem, wie sich geopolitisch, wirtschaftlich die Kräfte verschieben. Die Aufgabe unserer Politikergeneration ist es, dafür zu sorgen, dass in dieser neuen Welt Europa auch weiterhin ein Kraftzentrum ist.

Mit der Coronapandemie, die jetzt in diesen Prozess platzt, kommt natürlich eine ganz neue Dynamik hinein. Die Karten werden neu gemischt. Es kommt jetzt nicht mehr darauf an, wer politisch oder militärisch der Stärkste ist, sondern es kommt ganz stark darauf an, wer diese Krise am besten managt.

Meine Damen und Herren, die erste Runde ging klar an Deutschland. Wir haben es geschafft, die Verbreitung des Virus ziemlich schnell einzudämmen. Wir haben eine international äußerst niedrige Sterblichkeit, und unser Sozial- und unser Gesundheitssystem haben gehalten, auch dank der Maßnahmen, die wir im ersten Nachtragshaushalt mit verabschiedet haben. Ich denke an die Soforthilfen oder an die Stärkung unseres Gesundheitssystems.

Aber jetzt stehen wir vor der zweiten Runde. Die Frage ist jetzt: Wie schaffen wir es, dass unser Land aus der stärksten Wirtschaftskrise seit dem Zweiten Weltkrieg gut und nachhaltig stark wieder herauskommt? Ein Teil dieser Antwort liegt heute auf dem Tisch – darüber stimmen wir ab –: der Nachtragshaushalt. Es geht um ein Volumen von 103 Milliarden Euro. Damit kompensieren wir natürlich zuerst einmal auch die Steuermindereinnahmen, die wir haben. Die Steuereinnahmen sind massiv eingebrochen. Wir sind jetzt bei 40 Milliarden Euro weniger; wir lagen bei Schätzungen im März noch bei 33 Milliarden Euro.

An dieser Position können wir unmittelbar nichts verändern. Was wir aber tun können, ist, dafür zu sorgen, dass die Konjunktur wieder anspringt. Deswegen senken wir die Mehrwertsteuer für ein halbes Jahr. Deswegen schaffen wir bessere Abschreibungsbedingungen. Deswegen ziehen wir Investitionen des Bundes, wo es geht, vor. Wir waren im Januar bei 42 Milliarden Euro Investitionen des Bundes. Wir sind jetzt bei 72 Milliarden Euro Investitionen des Bundes für 2020. Das ist ein starkes und ein mutiges Signal, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Das ist die erste Zielsetzung: Konjunktur anschieben.

Die zweite Zielsetzung ist, Stabilität und Sicherheit zu geben. Die Menschen werden nämlich nur dann konsumieren, wenn sie Sicherheit haben. Deswegen unterstützen wir mit diesem Paket auch weiterhin diejenigen, die besonders von der Krise betroffen waren: auf der einen Seite die Familien, auf der anderen Seite Unternehmen, die große Umsatzeinbrüche haben. Wir halten die Lohnnebenkosten stabil. Wir helfen den Kommunen, gemeinnützigen Einrichtungen, den Kulturschaffenden und, und, und.

Aber, meine Damen und Herren, das ist noch nicht das Entscheidende; denn damit erhalten wir nur den Status quo. Was dieses Paket – und das ist das Entscheidende, Herr Klein, passen Sie auf – so gut und so wichtig macht, ist, dass wir in die Zukunft investieren. Unser Anspruch ist nicht, dass Deutschland so herauskommt, wie es war; unser Anspruch ist, Deutschland damit besser zu machen. Wir investieren Milliarden in neue Technologien – 5G, Wasserstoff, Quantencomputer –, wir stärken unsere Forschungseinrichtungen, wir fördern Klimaschutz, Elektromobilität. Wir investieren massiv in die Zukunft. Das ist die Stärke Deutschlands. Unsere gesamten Konjunkturmaßnahmen entsprechen ungefähr 13,4 Prozent unseres Bruttoinlandsproduktes. Im Vergleich dazu betragen die Maßnahmen in England 4,8 Prozent und in Frankreich 2,4 Prozent . Das zeigt unsere Stärke.

Wir haben diese Stärke nur aus einem einzigen Grund, nämlich weil wir seit 2013 keine neuen Schulden gemacht haben. Spare in der Zeit, dann hast du in der Not. Jetzt ist eine solche Notsituation. Aber, meine Kollegen und Herr Kindler von den Grünen: Jeder Trumpf sticht nur einmal. Wir müssen zusehen, dass wir so schnell wie möglich zur finanzpolitischen Solidität zurückkommen. Die nächste Krise kommt bestimmt. Deswegen ist unser Ziel, so bald wie möglich auch mit der Rückzahlung dieser Schulden zu beginnen, am besten ab 2023.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, selbst wenn dieser Plan aufgeht, selbst wenn wir gut und sicher aus dieser Krise herauskommen, wird Deutschland allein am Ende des Jahrzehnts nur ein kleines Licht auf der Welt sein. Unser globales Schicksal hängt an der Stärke Europas. Seit gestern haben wir die EU-Ratspräsidentschaft inne und haben auch aus diesem Grund eine ganz besondere Verantwortung für Europa. Die Krisen der 2010er-Jahre – Euro-Krise, Flüchtlingskrise – haben Europa auseinandergetrieben. Sie waren Spaltpilze. Wir müssen diese Coronakrise jetzt auch nutzen, damit Europa wieder zusammenwächst und wieder zusammenarbeitet; denn wenn uns das nicht gelingt, dann werden wir am Ende des Jahrzehnts nur eine Ansammlung von kleinen Lichtlein sein zwischen einem großen strahlenden China und vielleicht den USA. Das ist die Aufgabe, vor der wir stehen.

Wir haben uns all das nicht ausgesucht. Liebend gern würde ich hier die schwarze Null weiter verteidigen. Ich hoffe, dass ich das bald wieder kann. Aber jetzt, meine Damen und Herren, müssen wir handeln. Wir müssen Deutschland aus dieser Krise herausführen. Wir haben dafür gute Karten. Deshalb bitte ich Sie um Ihre Zustimmung.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)