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Dr. Matthias Heider: Die Rechtsangleichung in der Europäischen Union muss weitergehen

Rede zur Rechtssicherheit im internationalen Investitionsschutz

Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Debatte bekommt immer mehr die Züge einer Generaldebatte zum Freihandel. Ich möchte in diesem Zusammenhang zumindest darauf hinweisen, dass es der Fraktion der FDP in ihrem Antrag eigentlich um Rechtssicherheit und um die Reichweite von Schutzklauseln im internationalen Investitionsbereich geht.

Ich will einige Punkte klarstellen, um zu verdeutlichen, dass der EuGH mit der Achmea-Entscheidung im März ein Machtwort zur Auslegung europäischen Rechts gesprochen hat. Schiedsklauseln in bilateralen Verträgen, in Investitionsschutzabkommen zwischen zwei europäischen Mitgliedstaaten, sind unzulässig. Über die Auslegung und Anwendung des europäischen Rechts muss man schon ein bisschen länger nachdenken. Damit ist gewissermaßen über Nacht eine Reihe anderer Verträge infrage gestellt worden. Dabei geht es, liebe Kolleginnen und Kollegen, um eine Kernfrage des europäischen Binnenmarktes.

Die meisten der bilateralen Schutzabkommen, die auch Deutschland abgeschlossen hat – zum Beispiel 1961 mit Griechenland, mit Malta 1973, mit Lettland 1993; übrigens wie alle anderen europäischen Länder –, sind jetzt infrage gestellt. Wir brauchen sie für den europäischen Binnenmarkt eigentlich auch nicht; denn mit dem 1. Januar 1993 – Stichwort „Einheitliche Europäische Akte“ – haben wir gewissermaßen den Wendepunkt markiert. Wir haben Marktfreiheiten definiert, und diese Marktfreiheiten müssen wir entwickeln. Die Harmonisierung von Rechtsvorschriften in der Europäischen Union dient dazu, den Binnenmarkt zu vollenden. Mit anderen Worten: Die Rechtsangleichung in der Europäischen Union muss weitergehen. Sie erfasst natürlich auch Anwendungsvorschriften aus alten völkerrechtlichen Verträgen.

Der Europäische Gerichtshof hat in Bezug auf die zugrundeliegenden Fragen einfach Nein gesagt. Darauf hat er sich beschränkt; er ist nicht darüber hinausgegangen. Das bedeutet, dass Klauseln über Investor-Staat-Streitverfahren zwischen Mitgliedstaaten nicht per se mit dem Primärrecht unvereinbar sind. Vielmehr stellt sich die Frage, ob deren Ausgestaltung im Einzelnen die Autonomie der Unionsrechtsordnung wahrt. Das wird wahrscheinlich auch bei anderen Verträgen festgestellt werden.

Lassen Sie mich noch zu ein paar anderen Punkten dieser Debatte etwas sagen. Ich fand es bemerkenswert, dass sich ganz links und ganz rechts in diesem Hohen Hause bei bestimmten Punkten einig waren, dass da Schnittpunkte zum Vorschein kamen: Sie sind gemeinsam gegen Freihandel und für Protektionismus. Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen.

(Zuruf des Abg. Hansjörg Müller [AfD])

Für die Union will ich an dieser Stelle klarstellen, weil die Kollegin Dröge das mit Blick auf die CETA-Verträge gerade noch einmal infrage gestellt hat: Das Recht zur Regulierung ist in diesen Verträgen gewährleistet. Ein Investitionsschutz zielt nicht darauf ab, Staaten zur Änderung ihrer Gesetze zu zwingen, ganz und gar nicht. Es entsteht vielmehr ein Schadenersatzanspruch, wenn Rechte durch willkürliche, unverhältnismäßige oder diskriminierende Maßnahmen verletzt werden. Im Übrigen gibt es auch keine Öffnungsverpflichtungen bei der öffentlichen Daseinsvorsorge zulasten der Kommunen. Gerade das ist bei CETA ausgeschlossen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

Lassen Sie mich noch einen Satz zum Thema „Paralleljustiz“ sagen. In jeder Debatte über dieses Thema in diesem Hohen Hause kommt es vor, dass Schiedsgerichte als abnormale, unsoziale, undemokratische Elemente neben der ordentlichen Gerichtsbarkeit dargestellt werden. Ich will einfach einmal deutlich machen: Schiedsgerichte sind unserer Rechtsordnung immanent. Sie sind Instrumente der Streitbeilegung, die eine lange Tradition haben.

(Dr. Stefan Ruppert [FDP]: So ist das!)

In der Zivilprozessordnung steht das Schiedsgericht seit 1879.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

Wenn Sie es ein bisschen sportlicher machen wollen, dann gucken Sie sich einmal das Sportgericht des Deutschen Fußball-Bundes an: Letzte Instanz dort ist ein Schiedsgericht. Wenn Sie Streitbeilegungen nicht trauen, dann schauen Sie von den Linken und der AfD mal in die Satzungen Ihrer Parteien: Auch Sie haben ein Schiedsgericht. Ich finde, Schiedsgerichte sind überhaupt nicht zu verteufeln. Streitbeilegungen gehören ganz selbstverständlich zur Kultur.

Das gilt umso mehr im internationalen Handel zwischen Unternehmen, aber eben auch zwischen Staaten und für die Beziehungen zwischen Staaten und Unternehmen. Gerade im letzteren Fall kommt es darauf an, dass man sich gegenseitig bei Investitionen im jeweils anderen Land einen besonderen Rechtsgewährleistungsanspruch einräumt. Unternehmer und Kaufleute, die das nicht machen, laufen Gefahr, dass sie ihrer Investitionen durch staatliche Maßnahmen verlustig gehen. Wenn Sie in einem anderen Staat zehn Jahre lang auf ein Gerichtsurteil warten müssen, dann sind Sie als Kaufmann pleite, dann müssen Sie Ihre Arbeitnehmer nach Hause schicken. Das wollen wir schon allein mit Blick auf die Interessen der Beschäftigten in unserem Land nicht.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

Im Ergebnis ist festzustellen: Das Anliegen der FDP, das sie in ihrem Antrag formuliert, ist berechtigt, und es ist richtig beschrieben. Aber das Gras wächst eben auch nicht schneller, wenn man hier heute Abend daran zieht. Deshalb müssen wir bei der Rechtsangleichung im Binnenmarkt weiter Gas geben. Wir müssen daran weiterarbeiten.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)