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Dr. Joachim Pfeiffer: "Wir gehen in das neunte Jahr eines Aufschwungs"

Jahreswirtschaftsbericht 2018

Herr Präsident! Frau Bundesministerin für Wirtschaft! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir können in der Tat stolz sein auf das, was wir gemeinsam in den vergangenen Jahren erreicht haben. Deutschland steht so gut da wie lange nicht, vielleicht wie noch nie. Wir gehen in das neunte Jahr eines Aufschwungs. Dieser Aufschwung ist mittlerweile der wohl längste Aufschwung, den wir je in der Geschichte der Bundesrepublik hatten. Es ist, ehrlich gesagt, fast schon etwas unheimlich, wenn man die Zahlen sieht, die wir für das Jahr 2018 prognostizieren dürfen.

Das Wirtschaftswachstum wird gegenüber der Projektion vom Herbst letzten Jahres noch einmal kräftig zulegen, und zwar auf 2,4 Prozent. Es wird breit getragen. Der Aufschwung hat als ein Exportaufschwung begonnen. Er wurde dann durch eine zweite Säule ergänzt, nämlich den Binnenmarkt, die Binnenkonjunktur bzw. die Binnennachfrage in Deutschland, die nicht nur stabil, sondern auch weiter im Steigen begriffen ist. In den letzten Jahren wurde häufig beklagt, dass die Investitionen, sowohl die privaten als auch die öffentlichen, nicht im notwendigen Umfang nachziehen. Auch das hat sich geändert. In den letzten Monaten haben insbesondere die Investitionen an Dynamik zugenommen. Ersatzinvestitionen und Erneuerungsinvestitionen in neue Technologien – die Digitalisierung wurde angesprochen – nehmen Fahrt auf. So ist dieser Aufschwung auf mindestens drei Säulen stabil verankert, und es besteht die Hoffnung, dass er weiterhin trägt.

Anders als noch vor zwei Jahren gehen wir davon aus, dass nicht nur die Zahl der Beschäftigten weiter zunimmt, sondern auch die Arbeitslosigkeit weiter abnimmt und ein neues Rekordtief seit der Wiedervereinigung erreicht. Das ist ausgesprochen erfreulich, vor allem angesichts der Flüchtlingsthematik; denn auch diese Menschen drängen zunehmend in den Arbeitsmarkt.

Der Aufschwung kommt bei den Menschen auch an. In diesem Jahr werden die Haushaltseinkommen voraussichtlich um 3,6 Prozent wachsen. Das heißt, real wird, wie in den letzten Jahren auch, bei den Menschen, die diesen Aufschwung erarbeiten, am Ende mehr auf dem Konto sein. Die Inflationsrate wird moderat bei 1,7 Prozent liegen, sodass der Aufschwung bei den Menschen, die arbeiten, wirklich ankommt, und über die entsprechenden Mechanismen wird sich das auch auf die Rente auswirken.

Trotzdem bleiben die Sozialversicherungsbeiträge stabil. Wir haben das Ziel, sie unter 40 Prozent zu halten. Das wird Bestandteil einer möglichen Koalitionsvereinbarung sein. Wo es möglich ist, werden wir Entlastungen vornehmen, beispielsweise den Beitrag zur Arbeitslosenversicherung senken.

Das, was wir gemeinsam erreicht haben, ist gut und richtig. Wir können stolz darauf sein. Aber wir dürfen uns nicht darauf ausruhen; es ist kein Selbstläufer. Es gibt etwas, das das Wachstum beschränkt, das sozusagen als Wachstumsfessel das weitere Wachstum gefährdet. Ich meine den steigenden Fachkräftebedarf. Mittlerweile ist der Fachkräftebedarf an allen Ecken und Enden zu spüren, nicht nur im Handwerk, sondern auch in der Industrie. Wenn es nicht gelingt, genügend Fachkräfte zu mobilisieren,

(Bernd Westphal [SPD]: Brauchen wir ein Einwanderungsgesetz!)

wird der Wachstumsmotor ins Stocken geraten bzw. nicht so rund laufen, wie wir uns das wünschen. Deshalb müssen wir alle Potenziale heben, zunächst die Potenziale im Inland. Wir haben noch immer 1 Million Menschen, die dem Arbeitsmarkt eigentlich zur Verfügung stehen könnten, es aber nicht tun. Hier wird es nicht reichen, mehr Geld in die Hand zu nehmen. Wir müssen diese Menschen richtig aktivieren. Wir müssen darüber nachdenken, was man bei den Arbeitsmarktreformen vor 15 Jahren richtig gemacht hat. Wegen dieser Reformen sind wir da, wo wir sind; aber wir müssen den Weg weitergehen, um insbesondere die Langzeitarbeitslosen zu aktivieren. Wir haben die Zahl der Langzeitarbeitslosen schon halbiert; aber es ist immer noch eine Million. Es reicht nicht, dafür mehr Geld auszugeben; wir müssen diese Menschen entsprechend mobilisieren.

Es gilt, die Rahmenbedingungen weiter zu verbessern, zum Beispiel im Bereich Betreuung, damit die Frauenerwerbstätigkeitsquote, die bereits deutlich gestiegen ist, weiter steigt. Auch die Erwerbsbeteiligungsquote der Älteren muss weiter steigen. Ein Geheimnis unseres großen gemeinsamen Erfolgs am Arbeitsmarkt ist, dass die Erwerbsbeteiligung der Älteren, der über 55-Jährigen, aber auch der über 60-Jährigen, deutlich gestiegen ist. In der letzten Legislaturperiode haben wir beispielsweise mit der Flexirente die richtigen Weichenstellungen vorgenommen.

Es ist wichtig, gleichzeitig den Haushalt weiter zu konsolidieren. Wir werden im nächsten Jahr wahrscheinlich die Maastricht-Grenze erreichen: Die Staatsverschuldung wird auf unter 60 Prozent des BIP sinken.

(Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat jetzt aber ganz wenig mit euch zu tun! Das hat ganz viel mit niedrigen Zinsen zu tun!)

– Das hat auch mit niedrigen Zinsen zu tun. Das hat aber auch damit zu tun, dass wir Schulden zurückzahlen. Ihr habt das nicht zustande gebracht, als ihr Regierungsverantwortung hattet.

(Beifall bei der CDU/CSU – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Weil es niedrige Zinsen gibt, könnt ihr Schulden zurückzahlen! So ist es, Herr Kollege Pfeiffer!)

Wir zahlen Schulden zurück. Erstmals läuft die Schuldenuhr rückwärts. Wir werden diesen Weg konsequent weitergehen, weil er uns Spielräume für die Zukunft eröffnet.

Wir müssen in der Tat auch die Infrastruktur weiter ausbauen. Wir brauchen schnellere Planungsprozesse im Verkehrsbereich, aber auch im Wohnungsbaubereich. Wir müssen die Planungsprozesse beschleunigen. Im Koalitionsvertrag werden wir – hoffentlich – auch hierzu entsprechende Aussagen machen.

Wir müssen die Gigabit-Gesellschaft entwickeln, nicht nur indem wir den Ausbau des Breitbandnetzes forcieren, sondern auch indem wir beispielsweise bei der nächsten Ausschreibung zum Funknetz vorhandene Lücken schließen.

Wir müssen weiter auf Forschung und Entwicklung setzen. Wir geben derzeit knapp 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Forschung und Entwicklung aus. Damit stehen wir in Europa sehr gut da. Wir belegen einen Spitzenplatz in Europa; in der Welt gibt es aber Länder, die noch besser sind, zum Beispiel Südkorea und Japan. Deshalb wollen wir den Bereich „Forschung und Entwicklung“ weiter ausbauen. Neben der bewährten Projektförderung – die Frau Ministerin hat es angesprochen – müssen wir endlich auch die steuerliche Forschungsförderung einführen. In vielen Wahlprogrammen stand sie ja bereits drin.

Wir wollen Entlastungen vornehmen, womöglich auch beim Solidaritätszuschlag. Wir müssen aber ganz genau beobachten, was der Rest der Welt macht. Die aktuelle Steuerreform in den USA beeinflusst natürlich den weltweiten Wettbewerb. Da können und wollen wir in Deutschland und Europa steuerpolitisch nicht untätig sein.

Insofern bleiben in dieser Zeit des Aufschwungs noch genug Aufgaben übrig, die wir bewältigen wollen, damit der Aufschwung auch in ein zehntes, elftes und zwölftes Jahr gehen kann. Dafür setzen wir uns ein. Lassen Sie es uns anpacken.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)