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Dr. Heribert Hirte: "Eine Subsidiaritätsrüge ist der falsche Weg"

Stellungnahme zum Verordnungsentwurf der EU-Kommission über die Einrichtung des Europäischen Währungsfonds (COM(2017) 827 final)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich zunächst einmal in Erinnerung rufen, worum es eigentlich im Grunde geht: Es ist die Stärkung der Euro-Zone. Genau dies soll mit dem, was wir hier überlegen und diskutieren – die Überführung des ESM in einen EWF –, bezweckt werden. Insofern geht es auch darum, den Akzent hin zu einem präventiven Krisenvermeidungsmechanismus zu verschieben, was mit einer ganzen Reihe von Begleitmaßnahmen einhergeht, über die wir hier zum Teil schon letzte Woche, als wir über das Aktionsprogramm der EU gesprochen haben, diskutiert haben.

Einen ganz wichtigen Punkt will ich nennen: die Stärkung, die Änderung, die Reformierung des nationalen Insolvenzrechts in vielen – insbesondere südeuropäischen – Mitgliedstaaten durch die von der EU geplante Restrukturierungsrichtlinie. Was sie bezweckt, ist die Reduktion sogenannter Non-performing Loans in den Bankbilanzen. Das steht in einem zwingenden Zusammenhang mit der Euro-Rettung und der Krisenvermeidung, um die es uns hier geht.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Anlass der Diskussion ist die mögliche Überführung des ESM in einen EWF. Sie kritisieren in mehreren der Anträge die falsche Rechtsgrundlage. Auch darüber haben wir letzte Woche schon diskutiert. Ich selbst habe gesagt – mein Kollege Krichbaum hat es auch gesagt –: Artikel 352 AEUV ist nicht die richtige Rechtsgrundlage.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der AfD und der FDP)

Wir brauchen – das werden wir dann im Detail zu diskutieren haben – eine Vertragsänderung. Selbstverständlich wird der Deutsche Bundestag nicht nur da, sondern auch in der Folge daran mitwirken.

Wie gehen wir mit den augenblicklichen Überlegungen der Europäischen Kommission um? Kollege Hakverdi hat es eben gesagt: Das ist eine Diskussionsgrundlage, nicht mehr und nicht weniger.

Eines ist aus meiner Sicht klar: Eine Subsidiaritätsrüge ist der falsche Weg.

(Christian Dürr [FDP]: Das ist die einzige Chance überhaupt!)

Denn es geht nicht um Subsidiarität – in Ihren Anträgen steht das ja eigentlich auch –, sondern es geht um die richtige Rechtsgrundlage, die wir der Bundesregierung für die Verhandlungen mit auf den Weg geben müssen.

Im Übrigen: Wenn man sich das Thema Subsidiaritätsrügen genauer anschaut, stellt man fest, dass es durchaus noch einiges zu verbessern gibt. Ich habe mir angeschaut, Stand gestern, welche anderen EU-Staaten über das Thema Subsidiarität nachdenken. – Kein einziger.

Subsidiaritätsrügen funktionieren nur dann, wenn ein Drittel der Mitgliedstaaten sie erhebt. Sinnvoll wäre eine Koordinierung der nationalen Parlamente, und genau das haben wir in der letzten Woche, als wir über den Élysée-Vertrag gesprochen haben, gemacht: Wir haben mit den Kollegen aus der Assemblée nationale geredet. Das müsste man auch in diesem Zusammenhang tun, aber das haben Sie abgelehnt.

Kommen wir zu der weiteren Frage: Was machen wir mit einer möglichen Stellungnahme nach Artikel 23 des Grundgesetzes? Darüber kann man nachdenken. Das wird in den Ausschüssen zu beraten sein. Hierbei sind folgende Punkte wichtig: Natürlich geht es darum, die Eigenverantwortung der Staaten zu unterstreichen und die strikte Konditionalität etwaiger Hilfen wieder in Erinnerung zu rufen und es dabei zu belassen. Sie kritisieren, dass eine Weiterentwicklung des ESM in eine EU-Institution mit der Überführung in europäisches Recht einhergeht. Sie müssen sich die Frage stellen: Was bedeutet eine Überführung in europäisches Recht? Damit ist doch nicht gesagt, dass die Europäische Kommission zuständig ist. Das kann so ähnlich ausgestaltet sein wie bei der EZB oder der EIB. Das heißt nicht zwingend, dass auch Nicht-Euro-Staaten mitreden, lieber Herr Kollege. Das alles ist zu diskutieren.

Für all das brauchen wir die Risikogewichtung für Staatsanleihen und – das wurde schon mehrfach gesagt, auch letzte Woche – die Einführung eines Insolvenzverfahrens für Staaten. Die EZB diskutiert darüber, dies einzuführen, auch schon im Rahmen des ESM. Insofern gibt es keinen Grund, der deutschen Regierung irgendwelche Vorschriften zu machen.

Ich bin völlig zuversichtlich, dass alle diese Punkte berücksichtigt werden. Deshalb werden wir die Anträge, sofern wir sie nicht sofort ablehnen, in den Ausschuss überweisen und dort weiterberaten.

Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)