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Dr. h. c. (Univ Kyiv) Hans Michelbach: Wir brauchen Stabilität und einen klaren Kurs der sozialen Marktwirtschaft

Redebeitrag in der allgemeinen Finanzdebatte zur Einbringung des Haushaltsgesetzes 2021

Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Das Haushaltsjahr 2021 wird, wie schon das aktuelle Jahr, von der Coronakrise bestimmt. Wir haben bereits in diesem Jahr erhebliche Schulden aufgenommen, um die Coronakrise in Gesellschaft und Wirtschaft zu bewältigen.

Für 2021 sieht der Entwurf des Bundesfinanzministers

(Otto Fricke [FDP]: Der Koalition!)

eine weitere Schuldenaufnahme von 96 Milliarden Euro vor. Meine Damen und Herren, ich sehe das Auftürmen solcher Schuldenberge aus ordnungspolitischer Sicht mit sehr großer Sorge; denn Schulden sind Gift einer Staatswirtschaft.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Der Vergleich mit der Finanzkrise 2009 ist grundsätzlich falsch, weil wir damals die konsumtiven Haushaltsausgaben eingefroren haben, was heute nicht stattfindet.

Angesichts der Zahlen des Etatentwurfs ist die Einhaltung der Schuldenbremse ab 2022 höchst gefährdet. In der mittelfristigen Finanzplanung bis 2024 klafft eine strukturelle Lücke von mehr als 131 Milliarden Euro. Gleichzeitig steigen die Ausgaben.

(Otto Fricke [FDP]: Tja, das ist ein Regierungsbeschluss!)

Der Sozialetat verschlingt 51 Prozent des Gesamthaushaltes.

(Zuruf des Abg. Otto Fricke [FDP])

Meine Damen und Herren, die mittelfristige Finanzplanung – das möchte ich betonen – verträgt keine zusätzlichen Belastungen. Meine Damen und Herren, Ausgabe- und Einnahmeseite eines Haushaltes müssen immer wieder in Einklang gebracht werden. Nur so sichern wir die dauerhafte Handlungsfähigkeit und damit die Zukunft unseres Landes.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Und meine Damen und Herren, wer heute hohe Schulden macht, sollte auch erklären können, wie er sie morgen zurückzahlen will.

(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Genau! Da bin ich gespannt!)

In der jetzigen Situation eine Steuererhöhungsdebatte loszutreten, wie es Herr Scholz getan hat, ist, vorsichtig formuliert, absolut kontraproduktiv, meine Damen und Herren. Er schafft nur mehr Verunsicherung bei Wirtschaft und Verbrauchern, die aber Planungssicherheit brauchen, um zu investieren, um zu konsumieren, meine Damen und Herren. Was wir dringend brauchen, sind nicht Steuererhöhungsdebatten, sondern mehr Wachstum. Ohne Wachstum werden wir die Ziele der Konsolidierung nicht erreichen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir brauchen eine kluge, innovative und ordnungspolitische Strategie der sozialen Marktwirtschaft, damit wir Zuversicht und Perspektiven in die Wirtschaft bekommen, damit aus Kurzarbeit nicht mehr Arbeitslosigkeit wird, damit die Steuereinnahmen von Bund, Ländern und Kommunen wieder steigen.

Was wir brauchen, meine Damen und Herren, sind Reformen, die unser dauerhaftes Ziel verfolgen, welches auf der „3 mal 40“-Formel beruht: 40 Prozent Staatsquote, 40 Prozent Steuerquote, 40 Prozent Sozialabgabenquote. Davon sind wir leider weit entfernt.

(Zuruf des Abg. Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Es muss unser Ziel sein, das wieder zu erreichen, meine Damen und Herren. Wir brauchen dafür die Anreize einer Steuerreform.

Es kann auch nicht sein, dass bei den Cum/Ex-Steuerbetrügern eine steuerliche Verjährung eintritt.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Steuerhinterziehungsfälle mit einem Volumen von 50 Milliarden Euro drohen zu verjähren, meine Damen und Herren. Das kann nicht sein. Wir brauchen schnell ein Gesetz. Im Rahmen der Änderung des Jahressteuergesetzes muss dies in der Abgabenordnung geklärt werden. Das muss erledigt werden, sonst erleichtern wir diesen Steuerhinterziehern das Geschäft; das kann nicht sein.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des Abg. Albrecht Glaser [AfD])

Wir brauchen endgültig das Ende des Soli, der ohnehin verfassungsrechtlich höchst fragwürdig ist. Es macht doch keinen Sinn, eine Handwerker-GmbH mit der Mehrwertsteuersubvention zu unterstützen, sie aber gleichzeitig den Soli zahlen zu lassen. Das ist doch widersinnig, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Das kann doch nicht sein. Ich kann mir das nur so erklären: Man erkennt zwar, dass das unlogisch ist, aber dass man jemand braucht, den man als Kapitalgesellschaft an den Pranger stellt,

(Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: „An den Pranger stellen“? Nein!)

und das ist dann der kleine Handwerker mit seiner GmbH. Das ist aber absolut kontraproduktiv, meine Damen und Herren.

Wir brauchen deswegen auch eine Änderung des Unternehmensteuerrechts. 70 Prozent des Mittelstandes, der mittelständischen Firmen sind Personengesellschaften, und die werden im Vergleich zu den Kapitalgesellschaften zu hoch belastet. Das ist Wettbewerbsverzerrung.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Wir wollen die Personengesellschaften stärken; denn das sind die Familienunternehmen, die noch persönlich haften für die Arbeitsplätze, die sie schaffen, die Risikobereitschaft haben.

(Otto Fricke [FDP]: Wenn Sie jetzt regieren würden mit Ihrer Partei! – Heiterkeit bei Abgeordneten der AfD und der FDP)

Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. – Wir brauchen ein Belastungsmoratorium. Nicht der Staat, sondern die unternehmerische Kraft und die Motivation unserer Arbeitnehmer schaffen das notwendige Wachstum, das wir brauchen. Wir brauchen Stabilität und einen klaren Kurs der sozialen Marktwirtschaft.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Darum retten wir jetzt die Unternehmen! Damit sie überleben!)