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Dr. h. c. (Univ Kyiv) Hans Michelbach: Die BaFin benötigt eine schlagkräftige Taskforce und selbst eine gründliche Prüfung

Redebeitrag zum Fall Wirecard

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Für uns gilt der Grundsatz: Alle Finanzmarktteilnehmer müssen darauf vertrauen können, dass sie unter einem funktionierenden Schutz stehen, wenn sie in Firmen investieren, die im regulierten Markt gelistet sind. Das hat im Fall Wirecard nicht funktioniert. Wir haben den größten Fall von Bilanzund Kapitalanlagebetrug. Das ist ein sehr ernster Vorgang, der dringend aufgeklärt werden muss.

Der Fall Wirecard bedeutet einen massiven Vertrauensverlust für den Finanzplatz Deutschland. Er stellt einen Großschaden für Anleger und Banken, eine Blamage für unseren Wirtschaftsstandort dar, er zeigt ein Versagen in der Aufsicht, er wirft massive Fragen zur Qualität von Wirtschaftsprüfung auf. Meine Damen und Herren, ja, es ist geradezu unfassbar, dass sich 1,9 Milliarden Euro einfach so in Luft auflösen, dass sich ein DAXKonzern quasi über Nacht in fast nichts auflöst. So etwas hat es noch nicht gegeben.

Der Vorgang ist so unfassbar, weil es im Vorfeld ja nicht an Warnungen und Berichten über Ungereimtheiten bei Wirecard gefehlt hat – und das über Jahre, meine Damen und Herren! Aber diese Berichte und Warnungen haben weder bei der BaFin noch bei den Wirtschaftsprüfern von Ernst & Young zu den richtigen Entscheidungen geführt. Wir haben ja gemeinsam im Finanzausschuss vor einem Jahr das Thema Wirecard hochgezogen, und da wurde vom Bundesfinanzministerium und von der BaFin nichts gesagt – das muss man einmal feststellen –, obwohl klar war, dass hier etwas im Feuer ist.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Fritz Güntzler [CDU/CSU]: Unglaublich!)

Nur die Sonderprüfung der KPMG förderte ein Milliardenloch zutage, das die Bilanz von Wirecard geradezu pulverisierte.

Meine Damen und Herren, das wirft viele, viele Fragen auf, die beantwortet werden müssen. Ja, das erwarten wir zum 15. Juli vom Bundesfinanzminister und keine Flucht in die rot-grüne Vergangenheit. Wir müssen klar und deutlich jetzt und heute die Nachlässigkeiten, die Fehleinschätzungen und Missstände aufklären. Das ist das Mindeste, was die Öffentlichkeit erwarten darf, und wir als Parlament sind dafür verantwortlich und zuständig.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Der Fall Wirecard braucht eine klare Prüfung und Antworten, keine Ausreden. Ich erwarte vom Bundesfinanzminister zügig Aufklärung der vielen noch offenen Fragen: Warum wurde Wirecard nicht im Ganzen als Finanzholding geprüft, sondern nur die ganz vorne einfach vorgestellte Wirecard Bank? Warum wurden Kritiker und sogar Journalisten von der BaFin durch Anzeigen bedroht? Warum hat die BaFin mit einem Leerverkaufsverbot das falsche Signal an den Finanzmarkt gesendet, bei Wirecard sei alles in Ordnung? Warum wurde die Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung beauftragt,  die überhaupt nicht auf die Prüfung von Bilanzbetrug ausgerichtet ist? Man schiebt denen jetzt eine Schuld hin. Bilanzbetrug ist aber gar nicht deren Feld. Warum wurde nicht erkannt, dass die Bilanzrelationen nicht stimmen können? Das hätte man aus der heutigen Sicht eigentlich klar erkennen müssen.

Und ich erwarte vom Bundesfinanzminister auch Vorschläge für eine stärkere Konzentration der Aufsicht auf die systemrelevanten Fälle

(Zuruf von der FDP: So ist es!)

statt einer Ausweitung der Prüfung auf jeden kleinen Finanzanlagenvermittler, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der AfD)

Letzteres macht die IHK zufriedenstellend. Dieses Gesetz – und ich appelliere noch mal an den Koalitionspartner und an den Bundesfinanzminister – gehört jetzt einfach zurückgezogen und sollte nicht weiter vorangetrieben werden.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der AfD)

Das geht nicht. Man hat gesehen, dass es hier andere, wichtigere Aufgaben gibt.

(Zuruf von der AfD: Da nehme ich Sie beim Wort! – Zurufe von der SPD)

Meine Damen und Herren, wir müssen zügig alles tun, um die Wiederholung eines Falles Wirecard zu verhindern. Die BaFin benötigt eine schlagkräftige Taskforce und selbst eine gründliche Prüfung. Um Prüfungen vornehmen zu können, müssen wir auch die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers stärken. Nicht zuletzt muss die zehnjährliche Rotation bei den großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften überprüft werden. Der Rotationszeitraum muss deutlich verkürzt werden, um einer zu großen Nähe zwischen Prüfern und Geprüften vorzubeugen. Und abschließend: Wir brauchen eine klare Trennung zwischen Prüfung und Beratung.

(Cansel Kiziltepe [SPD]: Wow!)

Wir müssen also zügig nachrüsten, um das Vertrauen in den Finanzstandort Deutschland wiederherzustellen. Anleger müssen sicher sein, dass Finanzprodukte in Deutschland seriös und vertrauenswürdig sind. Das ist die Aufgabe, die wir haben – eine schwierige Aufgabe nach diesem Desaster.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)