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Dr. Georg Kippels: Menschen in den Entwicklungsländern sollen unter sicheren Bedingungen arbeiten können

Rede zum Corona-Moratorium für Entwicklungshilfe

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Was soll man jetzt als letzter Redner in dieser Debatte zu diesem Antrag noch sagen?

(Markus Frohnmaier [AfD]: Gar nichts!)

Es ist schlicht und ergreifend ein Ausdruck von blankem Unverständnis für Entwicklungspolitik und wirtschaftliche Zusammenhänge. Ich wäre ja vielleicht noch ein bisschen erleichtert, Herr Frohnmaier, wenn ich das Gefühl haben könnte, dass das eine Folge von limitierter Intelligenz ist.

(Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nein, es ist Ideologie, nichts anderes als Ideologie, und das kommt auch in der Begrifflichkeit ausdrücklich heraus. Wir haben schon einige Beispiele als Zitate gehört. Aber ich will ganz konkret an Ihren Aussagen festmachen – und sie widerlegen –, dass das wirtschaftliche Grundverständnis für Entwicklungspolitik und die Pandemiebekämpfung in Deutschland schlicht und ergreifend nicht vorhanden ist.

Sie haben unter anderem ausgeführt, dass der Grüne Knopf eine Prestigeinitiative ist – schönes Wort, entsprechend emotional belegt. Aber der Grüne Knopf soll die Produktionsverhältnisse unter anderem in Entwicklungsländern sichern, sodass dort Menschen von ihrer Arbeit leben können, unter sicheren Bedingungen arbeiten können und Produkte hergestellt werden, die dann im Rahmen der Lieferkette irgendwann mal den Handel hier in Deutschland sicherstellen. Wenn das nicht mehr gewährleistet ist, weil in diesen Ländern die Produktionsprozesse aufgrund eines Shutdowns oder aufgrund sonstiger weiter bestehender gesundheitlicher Probleme oder sonstiger Defizite nicht fortgeführt werden können, werden unsere Läger leer sein. Es besteht also ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen EZ und wirtschaftlich florierendem Handel hier in Deutschland.

Beispiel zwei, Tourismus: Wie sieht es denn mit unserer Tourismusbranche aus? Es will leider nicht jeder in Bayern oder im Allgäu oder an der Nordsee Urlaub machen, sondern auch in fernen Ländern.

(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Russland!)

Wenn man in den fernen Ländern mithilfe der EZ jetzt die Situation nicht stabilisiert und beispielsweise Landerechte ermöglicht, wird die Tourismusbranche in Deutschland auch weiterhin darniederliegen, und wir werden dort einen massiven Verfall an Arbeitsplätzen haben.

Und zum guten Schluss Beispiel drei: Wie sieht es denn mit der Lufthansa aus? Das ist ein renommiertes Unternehmen, aber es kann weltweit nicht landen, unter anderem deshalb, weil durch die Pandemie in vielen Ländern, die beliebte Urlaubsziele, aber auch Geschäfts- oder Tagungsziele sind, nicht geflogen und nicht gelandet werden kann. Also auch da besteht ein unmittelbarer Zusammenhang.

Wahrscheinlich war Ihnen irgendwie diese Verbindung nicht so ganz fern liegend, und Sie haben dann in den Schlusssätzen Ihres Vortrags noch versucht, dergestalt die Kurve zu kriegen, dass Sie ausgeführt haben: Ja, es gibt ja zwei Punkte, die Sie in Ihrem Antrag ausdrücklich als aufrechterhaltungswürdig beschrieben haben, Gesundheit und wirtschaftliche Zusammenarbeit. – In der Passage zum Thema „Aufrechterhaltung der gesundheitspolitischen Maßnahmen“ – Punkt 6, vierte Zeile – steht allerdings, dass nur diejenigen Coronamaßnahmen in den Entwicklungsländern unterstützt werden sollen, die als primäre Zielsetzung die Bekämpfung des Virus haben. Was bitte ist die primäre Zielsetzung? Nach Ihrer Vorstellung ist es wahrscheinlich die Impfung. Da ist aber nix. Wir haben noch keinen Impfstoff, und wir haben auch noch keine Therapie. Das heißt, eine primäre Zielsetzung ist blanke Illusion, nichts anderes als ein Feigenblatt.

Zum guten Schluss dann das Thema „wirtschaftliche Zusammenarbeit“: Wenn in den Entwicklungsländern Schutzkleidung, Atemschutz oder was auch immer für die gesundheitliche Vorsorge genäht, produziert oder wie auch immer hergestellt wird, dann ist das in Ordnung. Also, für das deutsche Gesundheitssystem darf gearbeitet werden. Aber für die eigene Wirtschaftlichkeit eines Entwicklungslandes, für die Familien, für die Kinder, für die Frauen und Mädchen, die in die Schule gehen sollen, die eine Ausbildung haben wollen, ist eine Unterstützung nicht gerechtfertigt. Das ist und bleibt nichts anderes als schlichte Ideologie und hat mit einem wirklichen humanitären Weltbild für Entwicklungszusammenarbeit absolut nichts zu tun.

Lassen Sie es sein, Herr Frohnmaier! Das holt keinen mehr hinter dem Kamin hervor. Wir lehnen diesen Antrag mit großer Überzeugung ab.

Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)