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Dr. Georg Kippels: Besiegen werden wir Corona nur weltweit oder gar nicht

Redebeitrag zur Unterstützung von EntwicklungsländernBewältigung der Corona-Pandemie

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nachdem ich meinen Vorrednern zugehört habe, stelle ich fest: Es besteht ganz überwiegend doch eine erfreuliche Übereinstimmung dahin gehend, dass es dringend geboten ist, hier gemeinsam tätig zu werden, wie ja auch der Untertitel des Corona-Sofortprogramms des BMZ besagt: Besiegen werden wir Corona nur weltweit oder gar nicht.

Geschlossenheit im Kampf gegen diese heimtückische Erkrankung ist geboten. Aber diese Geschlossenheit bezieht sich aus meiner Sicht nicht nur darauf, sinnvollerweise jetzt Geldmittel zu aktivieren und damit Handlungsfähigkeit für alle denkbaren Maßnahmen zu schaffen. Erlauben Sie mir den Hinweis: Ohne eine wirklich schnelle und reale Umsetzung vor Ort bei den Menschen und bei den Systemen, die im Augenblick durch dieses Virus lahmgelegt sind, werden wir die verheerenden Auswirkungen nicht alleine unterbinden können.

Der Kollege Raabe hat durchaus zu Recht darauf hingewiesen, dass das Geldvolumen auch immer ins Verhältnis zur Umsetzungszeit gesetzt werden muss, und deshalb sind Überbietungswettbewerbe hier und heute, wie viele Milliarden denn in 2020 umgesetzt werden sollten, zwar löbliche Äußerungen, aber sie werden das Problem nicht lösen.

Ich als Gesundheitspolitiker schaue deshalb sehr gerne auch analytisch ein bisschen auf das, was hier in Deutschland medizinisch und auch epidemiologisch bzw. virologisch angewendet worden ist, um mir ein Bild davon zu machen, wodurch die Menschen infiziert werden, welche Folgen die Infektion gesundheitlich hat und wie schnell es zu einer Infektion durch persönliche Kontakte bei Begegnungen im öffentlichen Personennahverkehr, im Lebensmittelgeschäft, auf der Straße, in der Eisdiele oder vielleicht im Hausflur, wie es ja in Göttingen oder wo auch immer im Moment an der Tagesordnung war, kommen kann.

Wir brauchen auch greifbare und reale Hilfe. Auch da ist das BMZ aus meiner Sicht schon sehr erfolgreich tätig geworden. Wir haben die schnell einsetzbare Expertengruppe, die in den vergangenen Wochen direkt zehn Länder angefahren hat, dorthin gereist ist und in intensiven Maßnahmen mit den Experten vor Ort, mit den Medizinern und vor allen Dingen mit den Laboreinrichtungen Vorbereitungen getroffen hat, um sich überhaupt erst einmal einen Überblick darüber zu verschaffen, wie groß die Bedrohung ist.

Wenn man heute Mittag auf die weltweiten Zahlen der WHO schaut, sieht man, dass Afrika mit circa 200 000 entdeckten Infektionen ganz weit hinten steht. Aber ich befürchte, prognostizieren zu können, dass das beileibe nicht die reale Zahl ist. Es gibt auch einige Regierungen, die nach dem Motto verfahren: Wer nicht testet, entdeckt nichts, und wer nichts entdeckt, hat keine Krankheit. – Aber das ist natürlich eine vollkommen verfehlte Vorgehensweise.

Wir müssen Afrika und auch alle anderen betroffenen Länder deshalb dringend darin unterstützen, dass die Menschen dort eine realistische Risikoeinschätzung bekommen und auch die medizinischen Fragen gelöst werden, ob denn jetzt möglicherweise doch veränderte klimatische Verhältnisse, eine hohe UV-Einstrahlung oder aber auch das Lebensalter der Betroffenen Faktoren sein könnten, die bei der Infektionsgefahr eine Rolle spielen.

Die jüngste Untersuchung, die jetzt von China veröffentlicht worden ist, lässt darauf schließen, dass Krankheitsverläufe, die nur relativ symptomschwach erfolgen, auch nur zu einer zeitlich und wirkungsmäßig sehr begrenzten Immunität führen. Das müssen Fragestellungen sein, die wir mit den Vertretern der Regionen besprechen. Deshalb plädiere ich ganz nachhaltig dafür, dass wir natürlich Geldmittel einsetzen, dass wir aber in diese Konzepte auch unsere Kompetenz und unsere wissenschaftlichen Erfahrungen, die wir in den vergangenen Wochen und Monaten sammeln konnten, einfließen lassen.

Das RKI oder auch alle anderen Institute sind dafür die richtigen Adressen, und ich weiß, dass auch die Europäische Union im intensiven Austausch steht.

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Herr Dr. Kippels, erlauben Sie eine Zwischenfrage oder ‑bemerkung von Herrn Frohnmaier?

 

Dr. Georg Kippels (CDU/CSU):

Bitte schön.

 

Markus Frohnmaier (AfD):

Vielen Dank, Herr Kollege. – Ich wollte Sie bitten, in Bezug auf Ihren Antrag vielleicht doch mal auf das Thema Schuldenerlass einzugehen. Sie fordern das so ähnlich wie die Grünen. Schuldenerlasse haben 1994 nichts gebracht, 2005 haben sie nicht zur Stabilisierung beigetragen, und jetzt, 2020, sind für bis zu 77 Staaten Schuldenerlasse geplant. Was würde sich diesmal ändern, und sehen Sie nicht auch die Gefahr, dass insbesondere China von Schuldenerlassen profitieren könnte, die im globalen Süden stattfinden? Da fehlt mir noch ein wenig was dazu.

Ich würde gerne von Ihnen wissen, weil hier ja immer wieder die Einmütigkeit der anderen Parteien im Haus betont wurde, ob Sie sich auch der Forderung der Grünen anschließen, dass im Kontext dieser Debatte jetzt alle Abschiebungen von Personen, die sich in Abschiebehaft befinden, auszusetzen sind. Das steht im Antrag der Grünen so mit drin.

Vielen Dank.

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Herr Dr. Kippels.

 

Dr. Georg Kippels (CDU/CSU):

Vielen herzlichen Dank. – Ja, Herr Frohnmaier, es ist immer wieder dasselbe Phänomen, dass Sie versuchen, wenn die Diskussion nicht in die Richtung läuft, die Ihnen gefällt, mit Fragestellungen eine Umlenkung herbeizuführen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich habe eben gerade versucht, das zu erläutern, was zunächst unmittelbar Menschenleben rettet. Die Frage nach Schuldenerlassen, ob überhaupt Liquidität besteht, ist für die Wirtschaftssysteme bedeutungsvoll und muss sicherlich geklärt werden. Aber für eine langfristige Stabilisierung muss ich überhaupt erst mal Wirtschaftssysteme wieder ans Laufen bekommen. Das heißt, ich muss den Menschen ermöglichen, in einem gesunden Zustand einem Produktionsprozess nachzugehen, und das werde ich im Ergebnis alleine mit einem Schuldenerlass nicht erreichen können.

Ich will zum Schluss noch ganz kurz eine Anmerkung machen: Wir brauchen für diesen komplexen Prozess auch eine starke Institution, die dies von oben organisiert, begleitet und vor allen Dingen auch die notwendigen Standards setzt. Deshalb werbe ich an dieser Stelle bei allen Diskussionen über Finanzmittel ganz nachhaltig dafür, dass sich die Bundesregierung und auch wir als Parlament hinter die Weltgesundheitsorganisation stellen. Denn ohne eine zentrale, international verantwortliche Einheit, die sich mit diesen Fragestellungen befasst und den Ländern auch vor Ort Hilfe angedeihen lässt, wird es unmöglich sein, die notwendigen Strukturverbesserungen bei den Gesundheitssystemen herbeizuführen. Und ohne ein resilientes Gesundheitssystem und ohne einen regen Austausch mit denjenigen, die diese wissenschaftlichen Erkenntnisse sammeln, wird uns dieser Weg nicht zum Erfolg führen. Deshalb bitte ich um Unterstützung des Antrags der Großen Koalition und danke für Ihre Aufmerksamkeit.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)