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Dr. Carsten Linnemann: Sicherheit ist auch ein Standortfaktor

Rede zum Haushaltsgesetz 2019 (Epl 07) für den Bereich Wirtschaft und Energie

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben jetzt das Jahr 2018. Ich habe mir mal die Mühe gemacht und einfach zehn Jahre zurückgeblickt. Vor zehn Jahren hatten wir auch diese Haushaltsdebatte; damals war es der 19. September, also fast exakt zehn Jahre zurück. Damals hieß der Wirtschaftsminister Michael Glos, und er hat Folgendes gesagt:

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zuerst die gute Nachricht: Die deutschen Sparer müssen nicht um ihr Geld bangen; die Sicherungseinrichtungen der deutschen Banken sind nach wie vor intakt. Wir sind derzeit in einer Banken- und Finanzmarktkrise ..., mit denen unsere Generation noch nie konfrontiert war.

Wenn man den Bundestagsabgeordneten damals gesagt hätte, wie heute die Kapazitätsauslastung in der Industrie, der Auftragseingang, der ifo-Geschäftsklimaindex, die Arbeitslosigkeit und das Potenzialwachstum sind, und wenn man ihnen gesagt hätte, was eben der Kollege Bartol, finde ich, eindrucksvoll auf den Punkt gebracht hat, nämlich wie es unserer Wirtschaft im Moment geht, dann hätten die gesagt: Ihr habt den Schuss nicht gehört.

Lieber Kollege Münz von der AfD – ganz sachliche Intervention –, Sie sagen zu Recht: Die Niedrigzinspolitik ist nicht gut, und sie gibt natürlich auch dem Bundeshaushalt Rückenwind. – Das stimmt. Gleichzeitig stimmt es aber nicht, wenn Sie sagen, dass diese Nullzinspolitik Ursache für das jetzige Wachstum ist. Das wäre ja ein Schlag ins Gesicht der arbeitenden Menschen in Deutschland, des Mittelstandes, des dualen Ausbildungssystems, des Industriestandortes Deutschland und der Tarifautonomie. Der Grund, warum es uns gut geht, ist, dass dieses Land in den letzten Jahrzehnten so „gefahren“ ist, wie wir es erlebt haben. Auch durch die arbeitenden Menschen in Deutschland haben wir heute eine Wirtschaftsstruktur, die so gut ist wie seit 10, 20, 30 Jahren nicht mehr. Ja, liebe FDP, Herr Klein, wir müssen uns heute Gedanken machen, was wir tun müssen, damit es uns in 10, 15 Jahren immer noch gut geht. Aber diese Zusammenhänge zu ignorieren, hat nichts mit sachlicher, volkswirtschaftlicher Verantwortung zu tun. Deswegen: Das ist unsere Leistung, und darauf können wir auch ein bisschen stolz sein. Im Jahre 2008 hätte niemand mit der heutigen Situation gerechnet.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Sören Bartol [SPD])

Vizepräsident Thomas Oppermann:

Herr Linnemann, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Münz?

Dr. Carsten Linnemann (CDU/CSU):

Ja, aber fassen Sie sich kurz, Kollege Münz. Dann fasse ich mich auch kurz. Und stellen Sie eine Frage!

Volker Münz (AfD):

Ich möchte nur eine ganz kurze Anmerkung machen. – Ich habe nicht gesagt, dass das die Ursache ist, sondern ich habe gesagt: Das ist zu einem großen Teil durch die Negativzinspolitik induziert. Natürlich gibt es viele Komponenten; das ist alles sehr komplex. Im Gegensatz zu Ihnen haben wir nie behauptet, dass das einfach ist.

(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Dr. Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: Das ist ja der Gipfel! – Johann Saathoff [SPD]: Ganz was Neues!)

Politik hat verschiedene Komponenten. Sie werden aber doch nicht leugnen, dass die Negativzinspolitik, die Politik des billigen Geldes auch maßgeblich dazu beigetragen hat. Das werden Sie ja wohl nicht leugnen. Ich habe nicht gesagt, dass das die alleinige Ursache ist.

(Mark Hauptmann [CDU/CSU]: „Ausschließlich“ haben Sie gesagt!)

Dr. Carsten Linnemann (CDU/CSU):

Erstens. Herr Münz, die Nullzinspolitik der EZB gefällt mir auch nicht. Ich möchte gerne Marktzinsen haben. Wir müssen mit den Zinsen so schnell wie möglich nach oben.

(Beifall des Abg. Jürgen Braun [AfD])

Die EZB ist unabhängig; trotzdem habe ich diese Aussage getätigt.

Zweitens. Sie haben eben nicht „zu einem großen Teil“ gesagt.

(Mark Hauptmann [CDU/CSU]: Genau!)

Wir haben hier ja Protokollanten; wir werden uns das später im Protokoll ansehen.

Was auch zur Ehrlichkeit gehört: Wenn man auf das Jahr 2008 zurückblickt, dann sieht man, dass es damals eine Debatte fast ausschließlich um die Bankenkrise gab. Heute reden wir über die Konjunktur, klar, aber in den letzten Tagen auch über ein Phänomen. Es ist eigentlich kein Phänomen, sondern offensichtlich, nämlich das Thema „Spaltung der Gesellschaft“, auch im Lichte von Chemnitz. Einige stellen sich jetzt vielleicht die Frage, warum ich das in einer Wirtschaftsdebatte anspreche. Aber die ersten Manager äußern sich zu diesem Thema in einem großen Nachrichtenmagazin. Wenn ich bei Mittelständlern bin, sprechen mich die Arbeitnehmer und Arbeitgeber auf dieses Thema an. Deswegen ist das auch ein wirtschaftliches Thema. Sicherheit ist auch ein Standortfaktor. Deswegen müssen wir ein Interesse daran haben, dass wir die Probleme klar beim Namen nennen und lösen, damit dieses Problem nicht zu einem Investitionshemmnis wird.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir müssen dies gleichermaßen angehen wie die Herausforderungen, vor denen wir stehen. Auch hier noch einmal abschließend zurückschauend in dieses Protokoll von 2008: Interessant ist, dass wir die Herausforderungen, die damals beschrieben wurden, teilweise noch heute haben. Manche wurden 2008 unterschätzt, zum Beispiel das Thema Digitalisierung; das ist ganz interessant. Ansonsten aber sind die Herausforderungen – Energiepreise, Bürokratie, Fachkräfte – gleich.

Herr Klein, Sie haben nicht nur mit Ihrer Bemerkung zum Soli, sondern auch mit vielen anderen Bemerkungen recht. In einem Punkt aber haben Sie nicht recht, und das möchte ich in dieser Debatte – wir verstehen uns ja gut – einmal klarstellen. Die FDP sagt ja immer: Wir brauchen das Punktesystem von Kanada. – Ja, dieses System hat Transparenz, und diese Transparenz brauchen wir, obwohl ich glaube, dass die Verfahren in Deutschland zu lange dauern. Es kann nicht sein, dass es acht bis neun Monate dauert, bis jemand ein Visum bekommt. Aber die Kanadier sind jetzt auf unser System umgeschwenkt. Seit einigen Monaten muss man dort nämlich nachweisen, dass man wirklich einen Arbeitsplatz hat. Genau das wollen wir auch. Deswegen unterstützen wir den Bundesinnenminister dabei, dieses System einzuführen. Ja, wir brauchen ein Fachkräftesystem. Ja, wir brauchen es, abgegrenzt vom Asylsystem, damit die Menschen auf diesem Globus wissen, unter welchen Bedingungen sie legal nach Deutschland kommen können und unter welchen nicht. Genau das gehen wir jetzt an.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir haben auch das Thema Energie; darüber wurde eben ausgiebig gesprochen. Beim Thema Energie wollen wir vorankommen.

(Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber Sie kommen nicht voran! Und in welche Richtung?)

– Ich kann Ihnen sagen, wo wir konkret vorankommen wollen. – Aber wir wollen dafür die Akzeptanz in der Bevölkerung. Wir möchten eine glasklare Synchronisierung des Ausbaus der erneuerbaren Energien mit dem Netz.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann bauen Sie mal die Netze aus!)

1,6 bis 1,7 Milliarden Euro für Redispatch-Netzeinspeisemanagement usw. sind zu viel.

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer regiert denn seit Jahren?)

Natürlich gibt es Systemkosten. Aber diesen Schritt gehen wir. Da unterstütze ich ausdrücklich Joachim Pfeiffer.

Ansonsten denken wir europäisch. Es glaubt doch keiner, dass wir das Thema CO 2 national in den Griff bekommen. Deswegen wollen wir an dem Zertifikatehandel festhalten, der besser und besser läuft. Wir haben eine Erhöhung der Preise. Diesen Weg gehen wir. Die Antwort auf die Energieprobleme weltweit, auch im Zusammenhang mit CO 2 , liegen nicht in Deutschland. Sie sind europäisch zu lösen, eher weltweit.

(Beifall bei der CDU/CSU)

In diesem Sinne, meine sehr verehrten Damen und Herren, sollten wir jetzt die Probleme angehen, vielleicht auch einen Zahn zulegen, damit wir PS auf die Straße bekommen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Sören Bartol [SPD])