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Dr. Andreas Lenz: "Für eine weiterhin positive wirtschaftliche Entwicklung brauchen wir politische Stabilität"

Jahreswirtschaftsbericht 2018

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Holm, wenn es um Ihre Rezepte geht, dann erinnere ich mich an die Wahlplakate der AfD, auf denen stand: „Raus aus dem Euro!“

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Wenn man aber mit Mittelständlern, den Hidden Champions, spricht, dann sagen diese: Wenn wir aus dem Euro herausgehen, dann können wir zusperren. – Ihre Rezepte sind der Abstieg für Deutschland.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die deutsche Wirtschaft steht einmal mehr sehr gut da; wir haben es gehört. Wir gehen „wirtschaftlich gestärkt in die Zukunft“, heißt es daher zu Recht im Jahreswirtschaftsbericht. Das ist in erster Linie ein Erfolg der Unternehmen sowie der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Aber das ist auch ein Erfolg der unionsgeführten Bundesregierung.

Die Arbeit ist und bleibt die Grundlage des Wohlstands; das betonte bereits Ludwig Erhard. So ist es auch heutzutage. Allein im letzten Jahr stieg die Zahl der Beschäftigten um rund 640 000 Personen. An dieser Stelle sei erwähnt, dass Bayern angesichts der Tatsache, dass dort jeder fünfte neue Arbeitsplatz geschaffen wurde – das sind insgesamt 133 000 neue Beschäftigte –, die Jobmaschine ist.

Das Gros der zusätzlichen Jobs sind übrigens, Herr Ernst, sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse, also gute Arbeit, die wir ja alle wollen. Um diese Dynamik fortzusetzen, brauchen wir auch weiterhin einen flexiblen, das heißt einen aufnahmefähigen Arbeitsmarkt. Sozial ist eben immer noch, was Arbeit schafft, und nicht, was für den Einzelnen eine Scheinsicherheit bringt, aber insgesamt Arbeitsplätze vernichtet.

(Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: So ist es!)

Die gute Beschäftigungslage schafft auch Spielraum in den Sozialkassen. Auch deshalb fordert der Sachverständigenrat zu Recht eine Senkung der Beitragssätze in der Arbeitslosenversicherung. Das wird im vorliegenden Sondierungspapier mit einer geplanten Senkung von 0,3 Prozentpunkten adressiert. Das würde sowohl die Arbeitgeber als auch die Arbeitnehmer entlasten.

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:

Herr Kollege Lenz, gestatten Sie eine Zwischenfrage aus der AfD-Fraktion?

Dr. Andreas Lenz (CDU/CSU):

Sehr gerne.

Andreas Bleck (AfD):

Vielen Dank, Herr Dr. Lenz, für das Erlauben der Zwischenfrage. – Sie stellen einen möglichen Austritt Deutschlands aus der Euro-Zone als einen potenziellen Ruin dar, weil Sie, wenn ich Sie richtig verstanden habe, der Überzeugung sind, dass ein solcher Austritt unserer Exportwirtschaft massiven Schaden zufügen würde. Können Sie dem Hohen Haus erklären, warum es dann möglich gewesen ist, dass Deutschland bereits vor Einführung des Euros Exportweltmeister war?

(Beifall bei der AfD – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Mein Gott, wie simpel!)

Dr. Andreas Lenz (CDU/CSU):

Es ist wieder einmal nicht so einfach, wie es die AfD darstellt, etwa auf ihren Wahlplakaten.

Wir hatten schon vor Einführung des Euros ein System der Wechselkursbindungen, das auch im Hinblick auf die Einführung des Euros entsprechend ausgestaltet war. Wie gesagt, ist der Euro Teil der Exportstärke Deutschlands.

(Dr. Alice Weidel [AfD]: Sie sollen es einfach nur erklären! Antworten Sie doch einfach mal!)

Wir sehen doch an der aktuellen Entwicklung im Export: Steigt der Euro, geht es der deutschen Wirtschaft schlechter.

(Dr. Alice Weidel [AfD]: Das war doch gar nicht die Frage, Herr Lenz!)

Würde Deutschland aus dem Euro aussteigen – das besagen alle Studien –, dann würden unsere Waren aufgrund der dann eintretenden Exportschwäche signifikant teurer werden, etwa um 30 Prozent.

(Dr. Alice Weidel [AfD]: Sie sollten schon verstehen, was Sie reden!)

Das würde die deutsche Wirtschaft massiv beeinträchtigen. Deswegen ist Ihr Konzept keine Alternative und auch wirtschaftlich nicht sinnvoll.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr. Alice Weidel [AfD]: Sie haben es gar nicht verstanden, Herr Lenz!)

Da wir gerade bei Europa sind: Man muss auch sagen, dass der Aufschwung in ganz Europa ankommt. Wir haben mit 7,8 Prozent mittlerweile die niedrigste Arbeitslosenquote in der EU seit über neun Jahren, also dem Ausbruch der Wirtschafts- und Finanzkrise. Diese Krise hat übrigens auch nichts mit der Einführung des Euros zu tun gehabt.

Schauen wir uns außerdem an, wie Prognosen für das Jahr 2018 ausschauen. Für fast alle Staaten wird eine bessere wirtschaftliche Entwicklung prognostiziert. Als einzigem Land wird übrigens Großbritannien keine bessere wirtschaftliche Entwicklung prognostiziert. Auch hieran sieht man, dass sich der Brexit wirtschaftlich negativ auswirkt.

Der Außenbeitrag trägt 0,2 Prozentpunkte zum Wirtschaftswachstum von 2,2 Prozent in 2017 bei; das sind gemessen am Bruttoinlandsprodukt 7,6 Prozent. Auch hier ist es so, dass die Importe schneller steigen als die Exporte. Trotzdem haben manche hier im Hause immer noch Angst aufgrund des Exportüberschusses, Herr Ernst.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich hätte viel mehr Angst, wenn wir keine Überschüsse mehr erzielen würden. Sie sind ein Zeichen der globalen Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wir, Deutschland, konkurrieren doch mittlerweile viel mehr mit den USA, mit China, mit Südostasien als mit unseren europäischen Nachbarländern. Das zeigt sich beispielsweise in einem neuen Steuerwettbewerb, der sich zwischen den Wirtschaftsblöcken anbahnt. Oft ist es übrigens die Konkurrenz der Staaten, die die Lösung globaler Herausforderungen behindert.

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:

Herr Kollege Lenz, es besteht der Wunsch nach einer Zwischenbemerkung aus der Fraktion Die Linke. Lassen Sie sie zu?

Dr. Andreas Lenz (CDU/CSU):

Ja, gerne.

Klaus Ernst (DIE LINKE):

Herr Dr. Lenz, nachdem Sie die Exportüberschüsse angesprochen haben, möchte ich dazu noch eine Bemerkung machen. Können Sie sich vorstellen, dass, wenn in einem Land wie der Bundesrepublik Deutschland, das dauernd bei weitem mehr exportiert als importiert, hier also ein Überschuss entsteht, der irgendwie finanziert werden muss,

(Dr. Marco Buschmann [FDP]: Der tut ja so, als ob die Leute gezwungen sind, deutsche Produkte zu kaufen!)

den Ländern, die unseren Überschuss sozusagen aufnehmen, irgendwann das Geld ausgeht, wenn wir ihnen nicht mehr abkaufen? Können Sie sich vorstellen, dass die Unsicherheiten, die Unwägbarkeiten in der wirtschaftlichen Entwicklung auch darin liegen, dass wir permanent so hohe Überschüsse haben?

Können Sie sich gleichzeitig vorstellen, dass die Bürger unseres Landes irgendwann ein Problem damit haben, diese Überschüsse per Übertragungen zu finanzieren? Wenn wir denen im Ausland kein Geld geben, können sie bei uns nichts mehr kaufen; sie haben permanent sozusagen zu wenig Geld, weil sie schon kaufen, wir ihnen aber nichts abkaufen. Das ist eine Binsenweisheit.

(Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Können Sie sich vorstellen, dass Wohlstand aus Wachstum entsteht?)

Das Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft, das Stabilitätsgesetz, das wir in der Bundesrepublik Deutschland haben, hat als ein Ziel – ich habe schon mehrmals darauf hingewiesen – eine ausgeglichene Handelsbilanz, eine ausgeglichene Leistungsbilanz. Ich verstehe überhaupt nicht, warum gerade Ihre Fraktion permanent so tut, als wäre es ein Grund zum Jubeln, dass man Außenhandelsüberschüsse erzielt.

(Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Lassen Sie sich von Ihrer Fraktion bitte mehr Redezeit geben!)

Es ist keiner. Das gefährdet die wirtschaftliche Entwicklung in Europa.

(Beifall bei der LINKEN)

Dr. Andreas Lenz (CDU/CSU):

Lieber Herr Ernst, ich habe gestern im Ausschuss schon wahrgenommen, dass es Ihnen schwerfällt, den Ausschussvorsitz auszuüben, weil man da nicht immer etwas sagen darf und auch nicht immer seine Stellungnahme abgeben darf.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und der AfD – Zurufe von der LINKEN: Ach!)

Das dürfen Sie heute hier im Plenum.

Herr Ernst, können Sie sich vorstellen, dass zu einer sozialen Marktwirtschaft Wettbewerb gehört? Können Sie sich vorstellen, dass die Grundlage von wirtschaftlichem Wachstum und Prosperität Wettbewerb, auch internationaler Wettbewerb um die besten Produkte, ist?

(Dr. Marco Buschmann [FDP]: Freiwillig! – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Die Antwort hat mit der Frage nichts zu tun!)

Vielleicht noch abschließend: Es ist so, dass die EU-Kommission Deutschland zwar ein Ungleichgewicht im Bereich des Außenhandels attestiert, aber kein exzessives. Das ist der einzige Punkt, der von der Kommission überhaupt noch adressiert wird. Von daher sollten wir weiterhin froh sein, dass wir eine Wirtschaft haben, die sich auch auf den globalen Märkten behauptet. Es ist nicht so, dass irgendjemand auf der Welt gezwungen wird, deutsche Waren zu kaufen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Die Antwort hat mit der Frage nichts zu tun!)

Wenn es um den internationalen Handel geht, dann müssen wir auch hier klar sagen, dass Protektionismus, dass Nationalismus und dass Isolationismus nicht die Probleme der Zukunft lösen.

(Beifall des Abg. Michael Theurer [FDP])

Es ist aber auch wichtig, dass wir uns stärker Gedanken um die Wettbewerbsfähigkeit des eigenen Standorts machen, dass wir uns Gedanken über die Wettbewerbsfähigkeit Europas machen. Dazu brauchen wir zuallererst ein positives Bild vom Unternehmertum. Unternehmer sind für uns immer noch Vorbild und nicht Feindbild.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Eigentum, Eigenkapital der Unternehmen sind die Grundlage von Produktivität und die Grundlage einer erfolgreichen Wirtschaft. Auch deshalb sind vermögensbezogene Steuern Gift für die wirtschaftliche Entwicklung.

(Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie haltet ihr es denn mit den Managergehältern?)

Die deutsche Wirtschaft muss die Chancen der Digitalisierung nutzen können und sie dann auch nutzen. Die Aufgabe der Politik ist es, die Chancen nutzbar zu machen. Dabei sind wir.

Gerade wurde auch die Wichtigkeit von Innovation und von Investition angesprochen. Die steuerliche Forschungsförderung ist ein Beitrag dazu.

Sieht man sich die demografische Herausforderung für unsere Volkswirtschaft an, stellt man fest, dass gerade für die junge Generation das Festhalten am ausgeglichenen Haushalt von nicht zu unterschätzender Bedeutung ist. Die Schuldenstandsquote – wir haben es gehört – beträgt in diesem Jahr nur noch 64,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. 2019, wenn das Finanzministerium in Unionshand bleibt, wird es so sein, dass sie unter 60 Prozent fällt und dass damit das Maastricht-Kriterium eingehalten wird. Das ist zukunftsgerichtete Politik und generationengerechte Politik.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Gleichzeitig brauchen wir natürlich weitere Entlastungen. Wir haben einen Konsensvorschlag zur Entlastung beim Soli, nach dem insgesamt über 90 Prozent der Menschen in unserem Land entlastet werden.

Für eine weiterhin positive wirtschaftliche Entwicklung brauchen wir jetzt natürlich auch politische Stabilität. Es liegt in unserer Verantwortung, die in den nächsten Tagen und Wochen zu schaffen. Das ist der Rahmen für eine positive wirtschaftliche Entwicklung. Das liegt in unserer Verantwortung.

Ich will es jetzt nicht versäumen – wenn es sonst keiner macht –, der Wirtschaftsministerin persönlich noch alles Gute zu wünschen.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie der Abg. Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])