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Dr. André Berghegger: Wir erfüllen seit 17 Jahren das Maastricht-Kriterium der gesamtstaatlichen Verschuldung

Rede in der allgemeinen Finanzdebatte zum Haushaltsgesetz 2019

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Das Jahr 2018 ist natürlich für einen Haushälter ein besonderes Jahr. Wir haben die Gelegenheit, zweimal einen Haushalt zu beraten. Das ist natürlich der Bundestagswahl und den zeitlichen Abfolgen danach geschuldet.

Über den Regierungsentwurf, der uns vorliegt, gibt es viel Positives, aber auch Nachdenkliches zu berichten. Ich glaube, die Kennzahlen bei diesem Regierungsentwurf passen: Er ist ausgeglichen. Er liegt rund 4 Prozent über dem Niveau des Vorjahres bei einem Gesamtvolumen von 357 Milliarden Euro. Wir machen weiterhin keine neuen Schulden. Herr Scholz, die schwarze Null, die Ihr Vorgänger 2014 eingeführt hat, wird quasi fortgeschrieben. Die prioritären Maßnahmen laut Koalitionsvertrag werden vollständig ausfinanziert, und erstmals – das ist schon mehrfach erwähnt worden – seit 17 Jahren erfüllen wir das Maastricht-Kriterium der gesamtstaatlichen Verschuldung: Wir senken diesen Schuldenstand nämlich unter 60 Prozent des BIPs. Das sorgt für Glaubwürdigkeit und für Unabhängigkeit in finanzpolitischen Entscheidungen.

Sehr geehrter, lieber Sven-Christian Kindler, hier von „fahrlässiger Haushaltsführung“ zu sprechen, wie Sie es getan haben, ist aus meiner Sicht bewusst falsch. Ich würde sagen, diese Rahmendaten sprechen dafür, dass über lange Jahre eine seriöse Haushaltspolitik geführt wurde, und sie wird hier fortgesetzt.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben natürlich als Parlament einen Anspruch. Sehr geehrter Herr Finanzminister, wir werden versuchen, aus dem guten Regierungsentwurf einen noch besseren Haushalt zu machen. Darüber werden wir die nächsten Wochen und Monate debattieren.

Ich möchte auf vier verschiedene Risiken oder Herausforderungen zu sprechen kommen, die wir sicherlich immer im Hinterkopf haben müssen.

Erstens: die wirtschaftliche Entwicklung. Uns geht es gut. Erfreulich lange leben wir in einer Phase des anhaltenden Aufschwunges. Im letzten Jahr ist das BIP um 2,2 Prozent gewachsen. Das Finanzministerium legt für die Zukunft ähnliche Wachstumsraten zugrunde. Aber wo kommen wir denn her? Ich möchte das in Erinnerung rufen: Vor der Finanz- und Wirtschaftskrise lag das BIP bei 2 500 Milliarden Euro. Im Jahr der Krise ist es um gut 100 Milliarden Euro geschrumpft. Wir sind im letzten Jahr bei einem BIP von 3 200 Milliarden Euro gelandet. Das ist eine beeindruckende Entwicklung, aber alles andere als selbstverständlich. Wir müssen immer wieder beachten, dass wir in Deutschland vom Handel und vom Außenhandel leben. Eintrübungen sind erkennbar, und wir müssen alles – wirklich alles – daransetzen, Zollstreitigkeiten und drohende Handelskriege zu vermeiden bzw. die entsprechenden Gefahren zu verringern. Ich glaube, das schaffen wir nicht alleine, sondern am besten mit der Stimme von 500 Millionen Menschen, mit einem geeinten und selbstbewussten Europa. Daran sollten wir denken, und daran sollten wir arbeiten.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir müssen verschiedene Themen im Hinterkopf behalten, die Auswirkungen auf den Haushalt haben können: der anstehende Brexit, die mittelfristige Finanzplanung, der nächste mehrjährige Finanzrahmen auf EU-Ebene und der Euro-Zonenhaushalt – alles Positionen, die in Zukunft nicht gerade zu Ausgabensenkungen führen können, sondern eher zu ‑steigerungen.

Zweitens: die Digitalisierung, ein Thema, über das wir so oft gesprochen haben. Wir müssen die Ziele weiterhin ambitioniert verfolgen und vor allen Dingen auch umsetzen. Wir müssen bei diesem Thema – wie es schon mal zitiert wurde – in die Champions League zurückkommen. Lieber Steffen Bilger, nicht nur bei der Ausbaugeschwindigkeit – da sind wir in letzter Zeit schon gut unterwegs –, sondern auch beim Grad der Umsetzung müssen wir wieder aufschließen und alles daransetzen, besser zu werden.

Die Nachricht ist, dass die Förderung des kommunalen Breitbandausbaus mit diesem Haushalt nahtlos fortgesetzt wird – das ist gar keine Frage. Aber wir wissen auch alle um die begrenzten und ausgelasteten Planungs- und Baukapazitäten vor Ort. Deswegen haben wir die Ansätze verschoben. Insofern ist der Nullansatz bei den Barmitteln für 2019 – bevor es die Opposition anspricht – kein Problem; denn wir haben genügend Ausgabereste aus dem letzten Jahr, die wir jetzt nur periodengerecht zugeordnet haben. Wir müssen auf diesem Weg wirklich weitergehen, und es besteht kein Grund für Hektik in diesem Themenbereich.

Drittens: die Fachkräftesicherung. Deutschlands Wirtschaft boomt. Die Zahl der unbesetzten Stellen nimmt zu. Das merkt jeder von uns, wenn er im Wahlkreis unterwegs ist, bei den Firmenbesuchen und den Gesprächen mit den Unternehmerinnen und Unternehmern. Wir müssen uns deswegen weiter um die Fachkräftesicherung kümmern, sei es im Hinblick auf die Berufsorientierung der Schulen, die Stärkung der dualen Ausbildung oder eben die Schaffung des Fachkräftesicherungsgesetzes. All das wird unsere wirtschaftliche Leistungsfähigkeit weiter erhöhen.

Viertens: die Infrastruktur. Straßen als Lebensadern unserer Wirtschaft müssen auch wirklich so behandelt werden. Ihr Erhalt und ihr Ausbau sind für die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit elementar wichtig. Ich kann und will mich nicht damit abfinden, dass größere Straßenverkehrsinfrastrukturprojekte quasi zur Generationenaufgabe werden. Ich glaube, wir müssen die Planungs- und Bauzeiten nachhaltig hinterfragen und verkürzen. Bei Wahrung aller rechtsstaatlichen Prinzipien müssen wir auch darüber nachdenken, wie man Klagezeiten und Klagewege verkürzen und straffen kann.

(Johannes Kahrs [SPD]: Verbandsklagerecht!)

– Zum Beispiel.

Lieber Steffen Bilger, volle Unterstützung für jede intelligente Idee aus dem BMVI. Wir müssen den Anspruch haben, einfach schneller und effektiver zu werden. Vom Baustellenmanagement will ich hier gar nicht reden – so viel Redezeit habe ich gar nicht.

Ohne Anspruch auf Vollständigkeit sollen diese vier Punkte einfach zeigen, was wir im Hinterkopf haben müssen, damit wir das Geld sinnvoll einsetzen. Ich glaube, es lohnt sich, in diese Punkte zu investieren – Kraft, Energie und Geld –, bevor man sich etwas völlig Neues überlegt.

Da komme ich zu einer Sorge, die ich an dieser Stelle beschreiben möchte. Es geht um das Verhältnis zwischen sozialen Ausgaben und Investitionen. Eckhardt Rehberg hat es vorhin auch schon angesprochen: Wenn man den Zeitraum 2016 bis zum Ende des Finanzplanungszeitraums, 2022, zugrunde legt, dann erkennt man, dass die sozialen Ausgaben von 160 Milliarden auf 194 Milliarden gestiegen sind bzw. steigen werden und die Investitionen von 35 Milliarden auf 38 Milliarden. Das ist ein ungünstiges Verhältnis, weil Investitionen, so wie es der Finanzminister auch beschrieben hat, unsere Zukunft sichern. Deswegen müssen wir den investiven Haushalt hinterfragen und schauen, wie wir ihn steigern können. Die Devise muss aber immer sein, mit dem Einkommen auszukommen und auf Unwägbarkeiten und Risiken eingestellt zu sein. Deshalb sollten wir uns mit zusätzlichen Wünschen zurückhalten.

An dieser Stelle, gegen Ende, eine Note an die Länder und Kommunen. Die Länder schließen seit 2015 ihren Kernhaushalt mit Überschüssen ab, seit 2015! Im letzten Jahr gab es einen Überschuss von gut 10 Milliarden Euro. 13 Länder haben Überschüsse erwirtschaftet – Bremen, das Saarland und Nordrhein-Westfalen möchte ich an dieser Stelle nicht erwähnen. Wir werden sie ab 2020 wieder mit gut 10 Milliarden Euro – steigend – entlasten. Die Kommunen haben Rekordüberschüsse im sechsten Jahr nacheinander – insgesamt, in allen Ländern –, knapp 10 Milliarden Euro im letzten Jahr, erzielt. Das sind gute Gründe, vorsichtig und zurückhaltend mit neuen Ideen aus deren Bereich umzugehen.

Da wir auch den Etat des Bundesrechnungshofes debattieren, sei an dieser Stelle an Berichte verschiedener Art des Bundesrechnungshofes erinnert. Der Bundesrechnungshof hat immer wieder gesagt, dass der Spielraum auf Bundesebene für weitere Entlastungen der Länder und der Kommunen kaum noch bzw. nicht mehr vorhanden ist. Das sollten wir bei jedweder Debatte im Hinterkopf haben und dann die richtigen Entscheidungen treffen.

Ich möchte mich zum Ende meiner Rede bei Ihnen, Herr Finanzminister, und Ihrem Team für den guten Regierungsentwurf bedanken. Wir werden versuchen, einen besseren Haushalt daraus zu machen. Ich freue mich auf die anstehenden Beratungen. Lassen Sie uns das Beste daraus machen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)