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Dr. André Berghegger: Man sollte die TARGET-Forderungen nicht überschätzen und auch nicht unterschätzen

Rede zur Besicherung von Target-Forderungen

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Wir beraten hier den AfD-Antrag zum Thema TARGET-Salden: „Das Vermögen der Deutschen Bundesbank schützen – Target-Forderungen besichern“. Das ist ein spannendes Thema, und es ist eine sportliche Aufgabe, es vor allen Dingen für diejenigen, die sich nicht jeden Tag damit beschäftigen, in wenigen Minuten nachvollziehbar zu erklären.

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Davon gibt es eine Menge!)

– Davon gibt es eine Menge.

Sie gehen in dem Antrag von einem konkreten Risiko für den Bundeshaushalt aus und wollen die TARGET-­Verbindlichkeiten deswegen werthaltig besichern. Es wird Sie nicht wundern, wenn wir und ich persönlich etwas anderer Auffassung sind. Ich werde versuchen, das in den nächsten Minuten zu erklären.

(Dr. Alice Weidel [AfD]: Basel-Regelung!)

Zum Hintergrund: Was ist das TARGET-System? Das TARGET-System dient der technischen und buchhalterischen Umsetzung des Zahlungsverkehrs in der Euro-Zone in unserem zweistufigen System mit der EZB und den nationalen Notenbanken. Eine internationale Transaktion ist für die Bürger ein relativ einfacher Vorgang, aber dahinter steckt natürlich technisch und rechtlich ein komplizierter Mechanismus. Dieser Mechanismus ist mit Einführung der Währungsunion Ende der 90er-Jahre etabliert worden.

Durch das TARGET-System entstehen Salden, Forderungen, Schulden der nationalen Notenbanken in Bezug auf die Europäische Zentralbank. Es wurde gerade schon angesprochen: Der aktuelle Stand der Forderungen im Rahmen dieses TARGET2-Systems, also der Fortentwicklung, beläuft sich bei der Bundesbank auf einen Betrag von über 900 Milliarden Euro. Das ist eine beachtliche, ja eine gigantische Summe. Aber was bedeutet das eigentlich? Aus meiner Sicht erkennt man daran den Leistungsbilanzüberschuss in Deutschland: dass die Exporte die Importe deutlich überwiegen. Man sollte diese TARGET-Forderungen nicht überschätzen und auch nicht unterschätzen. Wir sollten versuchen, gemeinsam realistisch damit umzugehen.

(Sonja Amalie Steffen [SPD]: So ist es!)

Ich würde sagen, die TARGET-Forderungen sind – gestatten Sie mir dieses Bild – wie ein Fieberthermometer. Sie zeigen an, dass in diesem System etwas nicht stimmt.

(Beifall bei der AfD – Jürgen Braun [AfD]: Oh! Na, immerhin!)

Aber eine werthaltige Absicherung der TARGET-Forderungen ist nun nicht erforderlich.

(Lachen bei der AfD – Jürgen Braun [AfD]: Oder nicht möglich?)

Das werde ich Ihnen anhand mehrerer Gründe erklären. Jeder Grund für sich ist schon sehr beachtlich und nachvollziehbar.

Erstens. Das EZB-Geld und damit auch die Forderungen gegenüber der EZB sind in unserem System das sicherste Geld, das wir kennen.

(Lachen bei der AfD – Zurufe von der AfD: Ha, ha! – Der war gut!)

Es ist durch internationale Verträge gesichert und muss deswegen nicht noch zusätzlich besichert werden.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Sonja Amalie Steffen [SPD]: So ist es!)

Zweitens. Der Euro hat keinen Gegenwert mehr in Gold oder in anderen Sicherheiten.

(Peter Boehringer [AfD]: Leider nicht!)

Ein Goldstandard, feste, flexible Wechselkursmechanismen, das Bretton-Woods-System, all das ist international seit etlichen Jahren entweder ausgesetzt oder sogar abgeschafft worden.

(Peter Boehringer [AfD]: Leider!)

Deswegen ist das keine neue Entwicklung, sondern spätestens seit den 70er-Jahren so. Das Geld, das wir kennen – Münzgeld, Notengeld –, erhält seinen Wert alleine dadurch, dass es Vertrauen gibt, Vertrauen durch die Staaten und eine Anerkennung dieser Währung durch die Staaten und die Steuerbehörden. Genau das wissen Sie auch.

(Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: So ist es!)

Die dritte Argumentation – das, was der Kollege Hollnagel vorhin gesagt hat –, nämlich die Forderung, die nationale Notenbank soll negative TARGET-Salden ausgleichen – als Beispiel werden oft die USA zitiert –, überzeugt mich nun wirklich nicht. In den USA ist es so, dass diese TARGET-Forderungen ausgeglichen oder besichert wurden durch Gold, Goldzertifikate und am Ende auch durch Staatsanleihen. Genau das finde ich in diesem Fall aber unlogisch. Zum einen fehlt uns der Gegenwert in Gold – das habe ich vorhin gerade beschrieben –,

(Lachen der Abg. Dr. Alice Weidel [AfD])

und zum anderen würde das im Ergebnis dazu führen, dass am Ende Anleihen finanzschwacher Staaten in die Bilanz der Bundesbank übernommen werden. Das kann nun wirklich keiner wollen.

(Beifall bei der CDU/CSU – Beatrix von Storch [AfD]: Als würden wir das nicht schon längst machen! – Jürgen Braun [AfD]: Das wäre wenigstens mal ehrlich! – Dr. Alice Weidel [AfD]: Es ist ja wirklich unglaublich, was der da von sich gibt!)

Der vierte Punkt. Die TARGET-Forderungen der Deutschen Bundesbank – Herr Hollnagel hat da wieder das Gegenteil behauptet – sind nun wirklich kein Kredit an andere Länder, der besichert werden muss. Nun wirklich nicht!

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Jürgen Braun [AfD]: Oh doch! Nur weil sie nicht so heißen, oder was? – Beatrix von Storch [AfD]: Sondern was?)

Es ist kein Geld von Deutschland ins Ausland geflossen, sondern umgekehrt wird ein Schuh daraus:

(Fabio De Masi [DIE LINKE]: Ja, eben!)

Deutsche Produkte wurden im Zweifel exportiert, und Geld aus dem Ausland ist nach Deutschland geflossen. Das ist nun wirklich kein Kredit.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr. Alice Weidel [AfD]: Nein, die Deutschen bezahlen ihre Exporte selbst! Das ist TARGET2! – Jürgen Braun [AfD]: Deutschland bezahlt den Mercedes in Griechenland, genau! – Michael Grosse-­Brömer [CDU/CSU], an die AfD gewandt: Sie sind ja sehr aufgeregt! Dann scheint das ja alles zu stimmen!)

– Ich habe Sie doch auch ausreden lassen.

Im Ergebnis sind die TARGET-Salden Anzeichen für Ungleichgewichte in der Wirtschafts- und Währungsunion, die abzubauen sind; das ist ja gar keine Frage. Aber das sind keine billionenschweren Haftungsübernahmen Deutschlands. Es sind Buchungssalden. Ich würde sie eher als Einlagen bei der EZB beschreiben denn als Kredit. Sie weisen auf die Probleme hin, sind aber selbst keine.

Ich möchte das Beispiel des Fieberthermometers noch einmal aufgreifen: Wenn Sie Anzeichen von Fieber verspüren, dann schmeißen Sie ja auch nicht das Thermometer weg, sondern

(Jürgen Braun [AfD]: Treten aus der Union aus!)

kümmern sich um die Ursachen. Das müssen wir auch hier versuchen.

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Sehr schön! Jetzt haben sie es verstanden! – Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU)

– Ja, jetzt sind sie ruhig.

Nur in der Theorie – ich komme Ihnen ja entgegen; ich versuche, die Argumente nachzuvollziehen –, in dem unwahrscheinlichen Fall, dass mehrere Länder aus dem Euro-Raum aussteigen,

(Jürgen Braun [AfD]: Das ist ein unwahrscheinlicher Fall? Ich denke, das kann gar nicht sein!)

könnte, wenn überhaupt – Konjunktiv –, ein Risiko einschlägig sein. Dann müsste über den bilanziellen Umgang mit den TARGET-Salden gesprochen und entschieden werden; das steht außer Frage. Aber es gibt keine einhellige wissenschaftliche Auffassung, die besagt, dass dies sofort zu einem Risiko für den Steuerzahler wird.

(Beatrix von Storch [AfD]: Da reicht der normale Menschenverstand! – Gegenruf des Abg. Michael Schrodi [SPD]: Der fehlt bei Ihnen ja!)

Ob und in welcher Höhe eine Belastung für die Bundesbank und dann auch für den Steuerzahler entsteht, ist dann noch zu klären und abzuwarten. Sie legen doch immer Wert auf Fakten. Dann nehmen Sie diese Meinung in der Wissenschaft doch bitte zur Kenntnis.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Ein Automatismus von einem Ausgleich eventueller Bilanzverluste der Deutschen Bundesbank zu einer Beanspruchung des deutschen Steuerzahlers ist gerade nicht gegeben. Verbreiten Sie hier bitte keine Unsicherheit bzw. – das habe ich vorhin schon einmal gehört – keine Angst.

Ich komme zum Fazit. Der Schlüssel für den Abbau der TARGET-Salden besteht im Abbau der Ungleichgewichte in der Euro-Zone. Sie wissen, dass in den Verhandlungen über die Zukunft der Wirtschafts- und Währungsunion solche Fragen natürlich auch eine Rolle spielen. Wir müssen geeignete Instrumente finden, diese Ungleichgewichte abzubauen; das ist gar keine Frage. Die Diskussionen über diesen Themenkomplex sind Ihnen bekannt. Nach alledem kann Ihr Antrag – das dürfte Sie nicht wundern – meine Fraktion und mich nicht wirklich überzeugen. Ich bin dennoch gespannt auf die Diskussionen im federführenden Haushaltsausschuss.

Vielen Dank fürs freundliche Zuhören.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)