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Dr. André Berghegger: Es darf nicht das Prinzip Gießkanne Einzug halten

Redebeitrag in der Schlussrunde zum Haushaltsgesetz 2021

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Wir debattieren hier den Regierungsentwurf für den Haushalt 2021 mit einem Volumen von gut 400 Milliarden Euro. Das sind rund 100 Milliarden Euro weniger, als wir im laufenden Jahr haben, aber das Volumen ist immer noch auf Rekordniveau.

Die Schlussrunde bietet Gelegenheit, diese Haushaltswoche einmal etwas Revue passieren zu lassen. Die Debatte ist natürlich geprägt von der Covid-19-Pandemie mit Auswirkungen in allen Lebensbereichen. Vor allen Dingen im wirtschaftlich-fiskalischen Bereich erleben wir einen Einbruch der Wirtschaft von historischem Ausmaß. Die Reaktion in Deutschland und in der EU erfolgte durch Hilfspakete enormer Größe. Aber an dieser Stelle wiederhole ich sehr deutlich und sehr gerne: Diese Hilfe ist erst möglich geworden durch die jahrelange solide Haushaltspolitik. Was wurden wir dafür kritisiert! Aber wir haben uns dadurch erst die Spielräume erarbeitet, die uns jetzt zugutekommen. Dafür stehen wir.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die Krise stellt uns natürlich vor fiskal- und geldpolitisch größte Herausforderungen. Zusätzlich kommen Megatrends mit großen finanziellen Auswirkungen dazu. Genannt seien hier die ökologische und die digitale Transformation der Volkswirtschaften. Aber Haushalt ist kein Selbstzweck, sondern in Zahlen gegossene Politik. Und mit diesem Haushalt werden aus meiner Sicht drei Ziele verfolgt: zum Ersten die Krise meistern, zum Zweiten nachhaltige wirtschaftliche Erholung anstoßen und nicht nur ein Strohfeuer entfachen und zum Dritten – das spürt ja jeder von uns zu Hause bei seinen Gesprächen tagtäglich – den Zusammenhalt der Gesellschaft verbessern. Das sind die Ziele, und die wollen wir erreichen. Das Mittel dazu ist ein Haushalt mit Verantwortung und Weitblick.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Natürlich ist es jetzt richtig, zeitlich befristet expansive Ausgaben zu tätigen, um diese Ziele zu erreichen. Aber die Ausgaben müssen wir natürlich ständig hinterfragen. Es darf nicht das Prinzip Gießkanne Einzug halten; denn wir müssen uns die Ausgaben langfristig leisten können. Das ist generationengerecht und nachhaltig.

(Christian Dürr [FDP]: Aber die Bazooka ist doch die waffengewordene Gießkanne!)

Und wir müssen natürlich zügig auf den Pfad der finanzpolitischen Tugend zurückkehren und die Schuldenbremse wieder einhalten; denn wir wissen nicht, was wirtschaftlich und finanzpolitisch in der Zukunft auf uns zukommt.

Ich bin der festen Überzeugung: Wir können aus der Krise herauswachsen. Aber wir können aus der Krise nur herauswachsen, wenn das Wachstum größer ist als die Ausgabensteigerung.

(Christian Dürr [FDP]: Ja!)

Ein Vergleich mit anderen Industrienationen tut natürlich gut und ist an dieser Stelle richtig: Wir sind bis jetzt ganz gut durch die Krise gekommen – gar keine Frage –; darauf kann man auch einen Moment lang stolz sein. Aber wir müssen aufpassen und weiter vorsichtig agieren.

Auch ein Vergleich zur Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/2009 ist sachlich in Ordnung; aber aus meiner Sicht hinkt dieser Vergleich. Ja, wirtschaftlich war der Einbruch damals ähnlich wie heute: damals 5,7 Prozent; jetzt wird er mit 5,8 Prozent erwartet. Ja, die Verschuldung im Vergleich zum gesamten BIP war ähnlich: 82 Prozent Verschuldung damals; jetzt prognostizieren wir um die 80 Prozent im nächsten Jahr. Und ja, der wirtschaftliche Aufschwung setzte damals zügig wieder ein: 4,2 Prozent damals; wir erwarten jetzt 4,4 Prozent. Aber die wichtigen Rahmenbedingungen der damaligen Zeit haben sich im Vergleich zu heute komplett geändert. Das möchte ich Ihnen an drei Beispielen deutlich machen:

Erstens. Wir konnten damals strukturell 30 Milliarden Euro an Zinszahlungen einsparen. Die Zinsbelastung des Bundes ist von 40 Milliarden Euro auf 10 Milliarden Euro pro Jahr gesunken. Viel tiefer geht es, auch in dieser Niedrigzinsphase, nicht. Die Kredite sind im Wesentlichen umgeschuldet, und wir werden eine Seitwärtsbewegung oder sogar einen leichten Anstieg verzeichnen; denn wir haben neue Schulden aufgenommen. Das haben wir diese Woche mehrfach in großer Dimension besprochen. Ich erinnere noch mal daran: Die Schulden, die wir dieses Jahr und geplant im nächsten Jahr aufnehmen, belaufen sich auf über 300 Milliarden Euro. Es ist gar nicht lange her – 2016 –, da entsprach dieser Betrag ungefähr dem gesamten Haushaltsvolumen der Bundesrepublik.

Zweitens. Der Anteil der Steuereinnahmen verschiebt sich mehr und mehr in Richtung Länder und Kommunen. Hinzu kommen mehr und mehr strukturell ungebundene Entlastungen von Ländern und Kommunen, über die kaum noch einer redet. Da tun wir Gutes und versuchen, den Kommunen und Ländern zu helfen, wo wir können. Von 1 Euro Umsatzsteuer geht ab diesem Jahr mehr Geld an die Länder und Kommunen, als beim Bund verbleibt. Länder und Kommunen erreichen das Vorkrisenniveau bei den Steuereinnahmen 2021 und der Bund erst wieder 2023.

Drittens. Ab 2026 werden wir die Schulden, die wir in diesem und im nächsten Jahr aufnehmen, nach einem festen Tilgungsplan – das schreibt das Grundgesetz vor – zurückzahlen müssen; das ist eine zusätzliche Belastung von ungefähr 11 Milliarden Euro, die langfristig auf uns zukommt.

Das bedeutet, es wird ungleich schwieriger, den Haushalt auszugleichen, als nach der Finanz- und Wirtschaftskrise vor zehn Jahren. Aber es ist unser fester Wille, schnellstmöglich diesen Ausgleich hinzubekommen, und das werden wir auch gemeinsam schaffen, wenn wir verschiedene Kriterien berücksichtigen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Zwingend sind aus meiner Sicht vier Leitlinien, die wir uns überlegen können.

Erstens sind die Ausgaben möglichst stabil zu halten oder nur moderat zu steigern.

(Christian Dürr [FDP]: Keine Grundrente zu beschließen!)

Zweitens sind die Ansätze zu hinterfragen. Ein Haushalt – das habe ich diese Woche auch wieder häufig gehört – ist nicht deshalb gut, weil sein Volumen größer ist als das im Vorjahr.

(Christian Dürr [FDP]: Richtig!)

Das ist die falsche Denkweise.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

Es geht hier auch gar nicht ums Sparen, sondern es geht um den effektiven Einsatz der Mittel.

Drittens – das ist wahrscheinlich der wichtigste Punkt –: Die politisch beschlossenen Gelder müssen abfließen, umgesetzt werden, abgerufen werden. Sie dürfen nicht nur im Schaufenster stehen,

(Christian Dürr [FDP]: So ist es!)

sondern sie müssen dem politischen Zweck zugutekommen.

Das kann ich noch einmal an drei, vier Beispielen erläutern. Schauen wir uns die Haushaltsausgabereste an: Von 2016 bis 2020 sind sie in diesem Land von 9 auf 22 Milliarden Euro gestiegen. Die EU hat politisch gebundene Mittel, die aber nicht abfließen, aktuell in der Größenordnung von knapp 300 Milliarden Euro zur Verfügung. Die bestehenden Sondervermögen – EKF, Kinderbetreuungsausbau, Digitalfonds, Ganztagsausbau, Kommunalinvestitionsförderungsfonds sind einige Beispiele – weisen hohe Bestände auf, aber die Mittel werden nicht abgerufen. Da müssen wir besser werden; dann erzeugen wir auch unsere politisch gewollte Wirkung.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Zu guter Letzt. Investitionen müssen wir auf dem hohen Niveau, wie wir es jetzt kennen, fortführen, insbesondere in Bereichen, die unser Land zukunftsfähig machen: Digitalisierung, Forschung und Entwicklung, Bildung, Infrastruktur und Klimaschutz. Das sind gewissermaßen rentierliche Schulden für Land und Leute. Daran müssen wir arbeiten. Wenn wir das mit diesen Leitplanken machen, sowohl in der Haushaltsaufstellung als auch vor allen Dingen in der Umsetzung des Haushaltes, dann besteht in dieser Krise auch eine haushaltspolitische und eine finanzpolitische Chance. Deswegen freue ich mich auf die Haushaltsberatungen.

Vielen Dank für Ihre freundliche Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)