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Dr. André Berghegger: Die Aufnahme der Schuldenbremse ins Grundgesetz ist gut  und richtig gewesen

Rede in der Schlussrunde zum Haushaltsgesetz 2020

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Wir sind in der Haushaltswoche, wir beraten den Regierungsentwurf für den Haushalt 2020, und ich denke, es ist ein guter Entwurf. Wir werden uns aber als Parlament sicherlich anstrengen und aus diesem guten Entwurf einen noch besseren Haushalt machen. Die Haushaltsplanberatungen stehen an, und Ende November wird es dann die zweite und die dritte Lesung geben.

Ich habe diese Woche aufmerksam zugehört, ich habe einige Anregungen wahrgenommen, die wirklich so sind, dass man darüber nachdenken sollte. Andere Anregungen waren zumindest – höflich formuliert – interessant, und über wiederum andere, glaube ich, braucht man nicht zu reden.

Der Bundesrechnungshof – diejenigen, die im Berichterstattergespräch Anfang der Woche dabei waren, wissen es – plant eine Veranstaltung mit dem Titel „Renaissance der Fakten“. Ich glaube, das passt hier ganz gut. Lassen Sie uns in den Haushaltsberatungen über Fakten reden und nicht nur über Behauptungen, die sich vielleicht gut anhören. Wir können die Fakten ja unterschiedlich bewerten, aber das sollte eine gemeinsame Grundlage sein.

(Otto Fricke [FDP]: Nein, ist klar! Das sind nur Kredite!)

Wir verdanken die gute Befüllung dieser Rücklagen der umsichtigen Politik des damaligen Finanzministers Wolfgang Schäuble, und Herr Scholz führt diese Politik jetzt fort. Wenn wir der Opposition gefolgt wären, wäre das Geld schon längst weg. Wir haben für schwierigere Zeiten vorgesorgt, und davon profitieren wir jetzt.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Vizepräsidentin Petra Pau:

Kollege Berghegger, gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung des Kollegen Fricke?

Dr. André Berghegger (CDU/CSU):

Nein, ich möchte fortfahren.

(Otto Fricke [FDP]: Das war mir klar! – Gegenruf des Abg. Johannes Kahrs [SPD]: Hallo! – Eckhardt Rehberg [CDU/CSU], an den Abg. Otto Fricke [FDP] gewandt: Du kannst mir nachher eine Frage stellen!)

Ein zweiter Punkt. Die Investitionsquote wird bemängelt; sie betrage nur zwischen 10 und 11 Prozent. Natürlich fände ich es besser, wenn mehr investiert würde; gar keine Frage. Aber ein Etat wird nicht allein dadurch besser, dass man mehr investiert. Entscheidend ist: Das Geld muss auch abfließen. Es muss vor Ort ankommen. Wir führen hier immer eine Diskussion über Planzahlen – das ist auch gut und richtig –, weil sie Vorstellungen wiedergeben. Aber entscheidend – das weiß jeder – sind die Ergebnisse vor Ort.

Hier kommen wir zu einem Problem, das jeder eigentlich wissen müsste. Wenn wir uns die Zahlen genau angucken und fragen: „Wie viel ist denn eigentlich vom Jahr 2018 ins Jahr 2019 übertragen worden?“, dann werden wir feststellen, dass wir 20 Milliarden Euro an Resten haben. 20 Milliarden Euro sind nicht ausgegeben. Deswegen ist unsere Hausaufgabe, die wir erfüllen müssen, dass die Plan- und die Istzahlen besser zusammenpassen. Es dauert teilweise Jahre, bis Geld abfließt. Dazu einige Beispiele:

Das Kommunalinvestitionsförderungsgesetz, das erste: Wer weiß noch, von wann es ist? Es ist von 2015. Wenn man sich die Positionen anschaut, die vor Ort viel Gutes bewirken – gar keine Frage! –, dann wird klar: Aus diesem Etat sind erst knapp 50 Prozent abgeflossen – aus 2015.

Der soziale Wohnungsbau. Wir geben in den letzten Jahren und auch in diesem Jahr  Mittel  des  Bundes,  1,5 Milliarden Euro. Mit der zugesagten, verabredeten Gegenfinanzierung durch die Länder könnten damit rund 45 000 Wohnungen neu gebaut werden. Wie viele sind nach Angaben der Länder im letzten Jahr entstanden? 27 000! Da ist also noch deutlich Luft nach oben. Hier gibt es eine große Bandbreite. Lieber Alois Rainer, 6 600 Wohnungen waren es in Bayern, NRW ist auf einem ähnlichen Stand. Aber ein Bundesland hat sogar gar keine neugebauten Wohnungen gemeldet. Ich werde jetzt das Saarland hier nicht erwähnen.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

Setzen Sie, liebe Länder, das Geld ordnungsgemäß ein, und finanzieren Sie gegen. Dann können wir dieses wichtige Thema auch voranbringen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Der Breitbandausbau. Über 4 Milliarden Euro stehen dafür zur Verfügung. Wir alle kennen die Beispiele aus den Wahlkreisen. Wir haben Förderbescheide bekommen für Untersuchungen und dann auch für die konkreten Baumaßnahmen. Aber wie lange dauert es denn, bis die Kabel für die Breitbandversorgung in die Erde gelegt werden und der Bürger vor Ort davon profitiert? Das ist eine Schwierigkeit, der wir uns stellen müssen.

Wir haben nämlich das Problem, dass wir öffentliche Ausschreibungsvorschriften haben, die man zum Teil nicht mehr nachvollziehen kann. Wir müssen Planungskapazitäten im öffentlichen wie im privaten Bereich erhöhen. Die Baukapazitäten müssen angehoben werden. Und wir müssen die Bürokratie im Auge behalten. Diese Verkrustungen, diese Investitionsbremsen müssen wir lösen, im öffentlichen wie im privaten Bereich. Alleine den Etat erhöhen ist nur eine mögliche Maßnahme, aber nicht die umfassende Lösung.

Die nächste Kritik, die ich hörte: Die Schuldenbremse muss weg; je eher, desto besser. – Ich behaupte: Zum Glück steht diese Schuldenbremse in der  Verfassung und nicht in irgendeinem Gesetz.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Sie ist, wenn man genauer hinschaut, auch gerade für solche Konstruktionen gedacht. Sie hat nämlich eine Konjunkturkomponente. Das heißt, sie kann atmen. Und sie hat ja auch einen Sinn: Wir wollen nachfolgende Generationen nicht überfordern. Genau deswegen ist die Aufnahme der Schuldenbremse ins Grundgesetz gut  und richtig gewesen. Sie steht auch für nachhaltige Finanzpolitik, so wie wir es oben beschrieben haben.

Ein Wermutstropfen bleibt aber; das ist an dich, liebe Bettina, bzw. an das Finanzministerium gerichtet. Ich kann nachvollziehen – ich finde es trotzdem nicht schön –, dass der Wirtschaftsplan zum EKF zur ersten Lesung noch nicht vorgelegen hat. Wir warten auf den 20. September und die konkreten Maßnahmen. Wir wissen ja auch, dass der EKF ein Volumen von weit über 6 Milliarden Euro hat und deswegen in dieser Konstellation wichtig ist. Aber zugesagt ist, dass wir die Informationen rechtzeitig vor der zweiten und dritten Lesung bekommen. Darauf bitte ich zu achten.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

Wichtig scheint mir nur zu sein, dass wir nicht nur von Klimaschutz, sondern auch von Naturschutz und vor allen Dingen von Nachhaltigkeit insgesamt sprechen und versuchen, aus diesem Gesamtpaket ambitionierte, aber realistische Ziele abzuleiten.

Natürlich, liebe Grünen, finde ich es toll und wünschenswert, den Individualverkehr zu reduzieren. Aber gemach, gemach! Nicht mit Verboten, unsozialen Preisen oder mit der großstädtischen Brille! Das muss klug gemacht werden, lieber Tobias, mit Anreizen, bezahlbar für alle, vor allen Dingen auch im ländlichen Raum umsetzbar.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Michael Theurer [FDP])

Der Individualverkehr vor Ort hat verschiedene Funktionen. Er ist ein Stück Lebensqualität, ein Stück Freiheit und vor allen Dingen auch ein Stück soziale, gesellschaftliche Teilhabe. Darauf legen Sie doch auch immer größten Wert. Wenn man in Berlin oder in anderen Großstädten – der Rüdiger Kruse hat es, glaube ich, diese Woche auch erwähnt – aus der Tür herausgeht, dann stolpert man relativ schnell in eine Uoder S-Bahn-Station oder Bushaltestelle und kann sofort von A nach B fahren. Im ländlichen Raum ist das etwas anders. Ich lade Sie gerne mal in meinen Wahlkreis ein. Wenn wir von Norden nach Süden einmal durchfahren, sind das anderthalb Stunden mit dem Auto. Das können wir ja mal mit dem Bus und der Bahn machen. Ich bitte nur: Kommen Sie Anfang der Woche, damit wir rechtzeitig zur Plenarsitzung wieder zurück sind.

Das geht nicht so schnell.

(Stefan Schmidt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja! Aber Sie tun ja auch nichts dagegen!)

Wir müssen vor Ort schauen, wie wir die Maßnahmen umsetzen und dabei die kommunale Selbstverwaltung und die Finanzhoheit berücksichtigen.

Ich komme zu der Schlussfolgerung. Die finanzielle Klammer – das haben Johannes Kahrs und Ecki Rehberg immer wieder betont, und man kann es gar nicht oft genug wiederholen – müssen wir beachten. Der Bund hat die Länder und Kommunen in den letzten Jahren in einer nicht dagewesenen Art und Weise finanziell unterstützt, und das wird in Zukunft auch noch so fortgesetzt.

Ab dem nächsten Jahr sind die Steuereinnahmen der Länder größer als die des Bundes. Das liegt insbesondere an der Übertragung der Umsatzsteueranteile, also von ungebundenem Geld, das dort zur Verfügung steht.

Von diesem Jahr bis zum Jahr 2023 entsteht bei den Ländern eine Mehreinnahme von über 70 Milliarden Euro. Mit diesen zusätzlichen Mitteln kann man, glaube ich, eine ganze Menge unter Prioritätensetzung dort vor Ort leisten.

Nur weil eine Aufgabe an verschiedenen Stellen im Bundesgebiet auftaucht, heißt das noch nicht, dass der Bund sie erfüllen muss. Die zuvörderst zu erledigende Aufgabe der Länder ist die ordnungsgemäße Finanzausstattung der Kommunen. Daran muss man immer wieder erinnern.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Von daher: Wir haben eine solide Grundlage mit diesem Haushaltsplanentwurf. Wir werden Prioritäten setzen. Es liegt jetzt an uns, daraus einen besseren Haushalt zu machen.

Vielen Dank fürs freundliche Zuhören.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Johannes Kahrs [SPD])