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Dr. André Berghegger: Der ESM wird weiterentwickelt, ja, auf diese Pandemie angepasst

Rede zur Bereitstellung des ESM-Instruments ECCL Pandemic Crisis Support (PCSI)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Mit dem hier vorliegenden Antrag des Bundesfinanzministers machen wir den grundsätzlichen Weg frei für eine besondere Kreditlinie des Europäischen Stabilitätsmechanismus. Es ist einer von mehreren Bausteinen einer europäischen Strategie. Finanziert werden sollen gesundheitspolitische Maßnahmen im Rahmen der Coronapandemie in den Mitgliedstaaten. Ich glaube, dieser Antrag, wenn wir ihn denn beschließen, ist ein weiteres Zeichen von gelebter Solidarität hier in Deutschland. Deutschland ist der größte Kapital- und Garantiegeber für den ESM, ohne den ESM in dem Umfang oder überhaupt zu nutzen. Deutschland ist und bleibt solidarisch mit seinen Nachbarn – und das jederzeit.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Das Ziel ist: Wir wollen natürlich kurzfristig Mittel bereitstellen, kurzfristig den Mitgliedstaaten helfen. Nach meinem Kenntnisstand soll diese Kreditlinie am 1. Juni einsatzfähig sein; das ist gar nicht mehr weit hin. Aber das geht nur – das sage ich aus voller Überzeugung – mit den vorhandenen Institutionen und mit den vorhandenen Instrumenten. Der ESM wird weiterentwickelt, ja, auf diese Krise, auf diese Pandemie angepasst; das haben wir schon mehrfach gehört.

Teile der Opposition hingegen haben im Laufe der Debatten immer wieder über neue Instrumente geredet oder diese vorgeschlagen. Aber Sie wissen auch, dass das zum Teil rechtlich gar nicht möglich wäre und sehr viel Zeit in Anspruch nehmen würde. Es dauert teilweise Jahre, bis die EU-Verträge unter Berücksichtigung der Mitwirkungsvorschriften in den Mitgliedstaaten angepasst werden können – und das müssten sie –, und es dauert auch sehr, sehr lange, um neue Finanzprodukte zu entwickeln und zum Einsatz zu bringen. Dessen müssen Sie sich immer auch bewusst sein.

Die Euro-Gruppe und die Institutionen, insbesondere beim ESM, haben die Mitgliedstaaten hinsichtlich der Zugangskriterien für diese Kreditlinie geprüft und haben befunden, dass alle Mitgliedstaaten diese Zugangskriterien erfüllen. Das beruhigt die Märkte. Das ist ein wichtiges Signal; denn es zeigt: Wenn ein Mitgliedstaat diese zusätzlichen Mittel tatsächlich in Anspruch nehmen müsste, dann sind die Mittel da, dann stehen sie bereit. Und das ist, glaube ich, im Gesamtpaket ein deutliches Signal an alle.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Christian Petry [SPD])

Der Vorteil, der hier aus meiner Sicht immer wieder erwähnt werden kann, ist, dass durch dieses System, durch diese Kreditlinie, die wir hier auf den Weg bringen, die Einbindung und die Begleitung durch die EZB möglich ist, durch welche Funktionen auch immer. Die EZB kann durch ihre Staatsanleihen oder durch die Ankaufprogramme für Unternehmensanleihen natürlich mit ins Rad greifen. Diese Programme kann man kritisieren – das haben wir hier auch lebendig getan; wir haben darüber mehrfach diskutiert und werden es auch in Zukunft tun –, aber diese Programme sind da; es gibt sie nun mal. Sie dienen im Gesamtpaket der Finanzierung von nationalen Maßnahmen, sodass viele Mittel zur Verfügung stehen, um in dieser Situation in jedem Mitgliedstaat handeln zu können. Wenn ein Mitgliedstaat diese Mittel tatsächlich in Anspruch nehmen möchte, werden wir uns hier im Bundestag natürlich mit dem Einzelantrag befassen, und das ist auch gut so, um die Beteiligungsrechte dieses Hohen Hauses zu wahren.

Kritik hört man ab und zu über die Höhe dieses Programms. 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts können für den einzelnen Mitgliedstaat zur Verfügung gestellt werden. Das sind auf Italien heruntergerechnet rund 36 Milliarden Euro. Da sagen manche: Das ist viel zu wenig. – Zwei Anmerkungen dazu: Erstens. Wenn dieses Programm maximal ausgeschöpft wird, ist der ESM immer noch komplett handlungsfähig aufgrund seiner großen Reserven und Vorhalte, die er noch hat – ganz wichtig für diese Institution. Zweitens. Diese Kreditlinie ist natürlich nur ein Baustein von mehreren Bausteinen der europäischen Strategie.

Deshalb, sehr geehrter Finanzminister – es wurde schon mehrfach gesagt, aber ich möchte es noch mal unterstreichen –: Ich finde es sehr, sehr wichtig, dass die weiteren Projekte zügig in Gang kommen können, dass also das Kurzarbeitergeld SURE nicht erst im Sommer, sondern vielleicht schon in der nächsten oder übernächsten Sitzungswoche so weit vorangeschritten ist, dass wir hier unsere Entscheidung darüber treffen können, dass die EIB zügig Geld in größerem Volumen an die kleinen und mittleren Unternehmen ausleihen kann, sodass wir da vorankommen, und dass wir mittelfristig – das ist die größte Position – das Wiederanfahren der europäischen Wirtschaft klug verhandeln – Stichwort „Recovery Fund“. Mit „klug“ meine ich die Einbeziehung in den europäischen Haushalt, in den mittelfristigen Finanzrahmen, aber natürlich unter Setzung von Prioritäten auf Zukunftsinvestitionen, sodass wir die Chance haben, aus dieser schwierigen Situation und Krise auch insoweit gestärkt herauszukommen, und optimistisch nach vorne schauen können.

In der Summe glaube ich, dass dieses gesamte Paket auf einem schlüssigen Konzept beruht, ein schlüssiges Paket von Hilfen ist, auch auf der europäischen Ebene. Aber ich mahne, dass wir nach der Krise den Pfad der finanzpolitischen Tugend wiederfinden, wieder erreichen oder noch einhalten müssen, wie auch immer man das formuliert. Denn alle Summen, die wir zur Verfügung stellen, müssen wir auch zurückzahlen; wir müssen sie uns leisten können.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Jetzt haben wir den Stabilitäts- und Wachstumspakt aufgrund der schwierigen Situation ausnahmsweise ausgesetzt. Aber wir müssen von der Ausnahme wieder zur Regel kommen, zur soliden Haushaltspolitik, und solide Haushaltspolitik eröffnet Handlungsoptionen. Das sehen wir, glaube ich, an unserem Beispiel in Deutschland in den letzten Jahren. Deswegen werbe ich um Zustimmung zu diesem Antrag.

Vielen Dank fürs freundliche Zuhören.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)