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Christian Haase: Wir erhalten die kommunale Liquidität und halten damit den laufenden Betrieb aufrecht

Redebeitrag zum Corona-Konjunktur- und Krisenbewältigungspaket

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Coronakrise ist der härteste wirtschaftliche Einschnitt in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Er betrifft alle Wirtschaftsbereiche und alle staatlichen Ebenen, den Bund, die Länder und die Kommunen. Mit unserem Zukunftspaket steuern wir unser Land kraftvoll aus der Krise. Die Segel sind richtig gesetzt: Steuersenkung, Familienbonus, Deckelung von Sozialausgaben, Strompreisbremse. In dieser Situation ist es notwendig, dass wir auf breiter Front mit der Gießkanne unterstützen. Nur so bleiben Betriebe und Bürger flüssig. Liquidität ist genau das, was wir jetzt brauchen, damit die Konjunktur wieder durchstartet und wir wieder in ruhige Fahrwasser kommen.

Das bedeutet natürlich nicht, dass diese Hilfen nicht zielgerichtet sind. Gerade bei der Entlastung der Kommunen handeln wir mit Weitblick. Die Kommunen sind bei uns der Fels in der Brandung. Wir müssen ihre Handlungsfähigkeit sicherstellen. Durch die Übernahme der Ausfälle bei der Gewerbesteuer stellen wir das sicher, aber wir gehen noch einen Schritt weiter: Durch die dauerhafte Entlastung bei den Sozialausgaben stärken wir vor allem strukturschwache Kommunen langfristig. Es bringt nämlich nichts, das Leck in den Kassen der überschuldeten Kommunen zu stopfen, wenn immer wieder neues Wasser eindringt. Wenn wir wirklich helfen wollen, dann müssen wir an die Strukturen heran.

Wir haben dazu einen ambitionierten Plan entwickelt. Drei Partner ziehen an einem Strang, drei Ziele erreichen wir, drei Säulen stützen diesen Plan. Die drei Partner – der Bund, die Länder und die Kommunen – übernehmen in der Krise gemeinsam Verantwortung. Es kommt nicht häufig vor, dass bei Bund-Länder-Verhandlungen so große Einigkeit und Zufriedenheit herrscht. Auch die kommunalen Spitzenverbände haben die Beschlüsse einmütig gelobt.

Drei wichtige Ziele werden mit den vorliegenden Maßnahmen erreicht:

Erstens. Wir erhalten die kommunale Liquidität und halten damit den laufenden Betrieb aufrecht.

Zweitens. Wir verhindern, dass die Kommunen gezwungen sind, Steuern zu erhöhen, und der Konjunkturaufschwung sofort wieder abgewürgt wird.

Drittens. Wir erhalten die Investitionsfähigkeit der Kommunen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Das Ganze stellen wir auf drei Säulen: Stärkung in der Krise, dauerhafte Entlastung und Infrastrukturausbau.

Ich komme zur Stärkung. Die hälftige Übernahme der Gewerbesteuerausfälle, je durch Bund und Länder, ist das Kernstück. Knapp 12 Milliarden Euro umfasst dieses Paket. Warum wir dazu, wie vorgeschlagen, eine Grundgesetzänderung brauchen, erschließt sich mir nicht ganz. Das Grundgesetz sollte meiner Auffassung nach nur angetastet werden, wenn es wirklich notwendig ist. Leider gibt es für andere wichtige Vorhaben, bei denen eine Grundgesetzänderung notwendig wäre, zum Beispiel für die Erweiterung der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ um die Förderung des ländlichen Raumes, in diesem Hause keine Mehrheit.

Kommen wir zur eigentlichen Kernfrage: Wie hoch sind der Steuerausfall und damit die Ausgleichszahlungen tatsächlich? Politisch versprochen ist der Ausgleich in 2020 je zur Hälfte durch Bund und Länder, und daran wird sich auch unsere Glaubwürdigkeit messen lassen müssen. Die Mai-Steuerschätzung ist dabei nur eine Momentaufnahme aus dem Beginn der Krise. Ideal wären daher ein pauschalierter Ausgleich in diesem Jahr und eine Spitzabrechnung in 2021. Ich kann aber einsehen, dass wir die komplette Abwicklung noch in diesem Jahr umsetzen wollen. Dann sollten wir aber zumindest die Steuerschätzung im September abwarten und uns echte Zahlen von der kommunalen Ebene besorgen. Ich möchte am Ende nicht in die Lage geraten, dass wir in einem Land 100 Millionen Euro zu viel an Kommunen zahlen – die werden sich im Zweifelsfall nicht bei uns melden –, aber in einem anderen Land 200 Millionen Euro zu wenig; die werden sich dann ganz sicher bei uns melden und Nachforderungen stellen.

Mein zweiter Punkt ist die Frage, ob wir nicht gemeinsam mit den Ländern die Verteilschlüssel für die Kommunen festlegen können, ja vielleicht sogar müssen, damit bei den Ländern nichts hängen bleibt; denn es gibt nichts zu verrechnen an dieser Stelle. Die Ausfälle beschränken sich ja nicht auf die Gewerbesteuereinnahmen. Die Kommunen haben an vielen Stellen Steuer- und Einnahmeausfälle. Insofern müssen wir aufpassen, dass das, was wir jetzt beschließen, zu 100 Prozent auf der kommunalen Ebene ankommt.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Bernhard Daldrup [SPD])

Als Schlüssel bietet sich an, da die Gewerbesteuer, wie wir wissen, volatil ist, einen geglätteten Durchschnitt der letzten Jahre anzusetzen und diesen zu vergleichen mit den aktuellen Zahlen, die wir im September haben werden. Ich glaube, darüber sollten wir im Verfahren noch einmal reden.

Aber, meine Damen und Herren, wir bleiben nicht bei kurzfristigen Liquiditätshilfen. Der Bund übernimmt dauerhaft bis zu 75 Prozent der Kosten der Unterkunft. Das sind jährliche Entlastungen der Kommunen von 3,4 Milliarden Euro. Damit keine Bundesauftragsverwaltung einsetzt, müssen wir in diesem Fall das Grundgesetz ändern. Mit dieser Maßnahme entlasten wir gezielt strukturschwache Kommunen, und zwar deutlich stärker als mit der Übernahme von Altschulden. Wir haben das nachgerechnet: Die kassenkreditbelasteten Kommunen in NRW hätten bei einer vollständigen Übernahme von Altschulden ungefähr jährlich 300 Millionen Euro an Zins und Tilgung gespart. Mit der Übernahme der KdU kommt aber fast 1 Milliarde Euro bei den Kommunen in Nordrhein-Westfalen an. Ich glaube, das ist die bessere Hilfe an dieser Stelle, als wenn wir ihre Altschulden übernommen hätten.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, zusammen mit der Förderung des Infrastrukturausbaus – ich nenne beispielhaft Sportstättenförderprogramm, 3 Milliarden Euro für Kita- und Ganztagsausbau, Investitionen in die Ladesäuleninfrastruktur, Flottenaustausch bei den kommunalen Fahrzeugen und beim ÖPNV, 1 Milliarde Euro für kommunale energetische Gebäudesanierung, 3 Milliarden Euro für die Digitalisierung der Kommunalverwaltung, Zukunftsprogramm Krankenhäuser usw. – bringen wir die Kommunen nicht nur sicher durch die Krise, sondern wir machen sie auch fit für morgen.

Ich bin sehr zufrieden, dass es uns gelungen ist, ein so umfassendes Paket auf die Beine zu stellen. Besonders freue ich mich darüber, dass damit endlich ein Thema erledigt ist, nämlich: Der Bund soll die kommunalen Altschulden übernehmen. – Das ist ein für alle Mal vorbei.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir verabschieden wir uns jetzt in die Sommerpause. Da gibt es viele Begegnungen in unseren Wahlkreisen. Meine Damen und Herren, in diesen Wahlkreisen schlägt das Herz der Demokratie. Das sollten wir auch bei anderen Entscheidungen sehr ernst nehmen. Für all diejenigen, die ein wenig Urlaub machen: Es gibt die Küste, es gibt die Berge, und dazwischen liegen das schöne Weserbergland und der Teutoburger Wald. Wir freuen uns auf Sie.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)