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Christian Haase: Europa und insbesondere die Euro-Zone sind nicht immer eine Schönwetterveranstaltung

Rede zu den Finanzhilfen zugunsten Griechenlands

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sprechen über Griechenland, wieder einmal. Bei der Vorbereitung auf die heutige Rede ist mir ein Ohrwurm in den Kopf gekommen:

Guten Morgen, liebe Sorgen, seid ihr auch schon alle da? Habt ihr auch so gut geschlafen, na dann ist ja alles klar.

(Dr. Marco Buschmann [FDP]: Wie sehr wollen Sie die Debatte noch banalisieren? Das ist vollkommen unangemessen!)

Ja, liebe Kolleginnen und Kollegen, mein ostwestfälischer Kollege Ralph Brinkhaus sollte recht behalten, als er 2015 an diesem Rednerpult sagte: Wir werden noch häufig in diesem Hohen Hause über Griechenland sprechen.

(Peter Boehringer [AfD]: Ja! Beenden Sie den Wahnsinn einfach!)

Doch heute sprechen wir zum Glück aus einem ganz anderen Anlass als 2015 über Griechenland.

(Dr. Marco Buschmann [FDP]: Nein, das ist leider der gleiche!)

Lassen Sie uns einmal zurückblicken: 2015 hatten wir in Europa die globale Finanzkrise noch nicht überwunden. Zwischenzeitlich hatten wir fünf Länder unter dem Euro-Rettungsschirm. Vier davon konnten wir wieder fit machen und somit zeigen, dass die EU-Politik der Reformen wirkt. Nur beim größten Sorgenkind wollten keine rechten Fortschritte gelingen. Daher mussten wir 2015 das Programm für Griechenland erneuern.

Ich erinnere mich noch ganz genau an die hitzigen und intensiven Debatten zu diesem Thema im Sommer 2015. Wir hatten eine Sondersitzung in den Parlamentsferien. Alle Abgeordneten mussten aus dem Urlaub zurück nach Berlin kommen. Im Gepäck war nicht nur der Frust über den abgebrochenen Sommerurlaub mit der Familie, sondern auch jede Menge Zweifel. Wir haben daran gezweifelt, ob wir der griechischen Regierung vertrauen können, die bitteren Reformen auch wirklich umzusetzen. Wir haben daran gezweifelt, ob die Bürgerinnen und Bürger Griechenlands, die sich auf den Straßen versammelt hatten, die Reformpolitik tatsächlich mittragen würden. Wir hatten Bedenken, wie wir die richtige EU-Politik zu Hause in den Wahlkreisen erklären sollten. Viele Fragezeichen standen im Raum, und wir haben uns die Entscheidung 2015 wirklich nicht einfach gemacht.

Dabei schaue ich mir die Situation auch immer durch die kommunale Brille an. Man darf die Auswirkungen solcher Reformen auf die kommunale Ebene nicht unterschätzen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ich war zuletzt 2016 in Griechenland, um Gespräche mit den verschiedenen politischen Ebenen zu führen und auch die Stimmung vor Ort mitzunehmen. Ich kann Ihnen sagen: Die Probleme, die unsere deutschen Kommunen haben, würden sich die griechischen Kommunen wünschen. Nur durch Improvisieren, Nichtfragen und mutiges Handeln konnte ein Zusammenbruch der kommunalen Ebene verhindert werden; aber so sind Kommunale nun einmal. Geholfen hat die Deutsch-Griechische Versammlung. Sie hat innerhalb weniger Jahre ein dynamisches Netzwerk aus Kommunen, Zivilgesellschaft und Wirtschaft entwickelt, bei dem wir jetzt anknüpfen können.

(Beifall der Abg. Sonja Amalie Steffen [SPD])

Hier danke ich besonders unserem Parlamentarischen Staatssekretär, Herrn Fuchtel, für sein Engagement.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Meine Damen und Herren, 2015 haben Deutschland und die europäischen Partner zusammen mit den Institutionen ein Paket geschnürt, welches man im Lehrbuch „Wie saniert man ein Land?“ finden kann. Die Auflagen und Maßnahmen wurden nicht nur an einen strengen Zeitplan geknüpft, sondern auch engmaschig kontrolliert. Mein besonderer Dank gilt an dieser Stelle Wolfang Schäuble, der Deutschland als Finanzminister mit der richtigen Mischung aus Solidität und Solidarität durch diese schwierige Zeit geführt hat.

Wir haben aus dieser Zeit gelernt, dass Europa und insbesondere die Euro-Zone – wie jede Familie – nicht immer eine Schönwetterveranstaltung sind. Manchmal rappelt es auch ordentlich,

(Abg. Christian Dürr [FDP] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

und wir haben gelernt, dass wir alle eng miteinander verflochten sind. Am Ende haben wir die richtigen Lehren gezogen und die Euro-Zone als Ganzes stabiler gemacht.

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:

Herr Kollege Haase, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Christian Haase (CDU/CSU):

Nein, die Kollegen warten auf die namentliche Abstimmung.

(Beifall des Abg. Karsten Hilse [AfD])

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:

Er gestattet sie nicht.

Christian Haase (CDU/CSU):

Heute stehen wir hier, meine Damen und Herren, und können auf die Anstrengungen der letzten Jahre zurückblicken. Viele waren sich sicher, dass dieser Moment nie kommt. Aber im August ist es so weit: Griechenland verlässt geordnet den Euro-Rettungsschirm. Nach acht Jahren kann sich Griechenland wieder am Kapitalmarkt refinanzieren. Das Prinzip „Finanzhilfen gegen Reformen“ wirkt. Dabei sind die Mittel des dritten Hilfsprogramms noch nicht einmal ausgeschöpft.

Sorgen macht jetzt noch die Tragfähigkeit der griechischen Staatsschulden. Ein Schuldenstand in Höhe von 180 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ist eine gewaltige Belastung. Diesen Schuldenberg abzuarbeiten, wird Jahrzehnte dauern. Eine langfristige Tragfähigkeit erfordert daher verbesserte Bedingungen im Hinblick auf den Schuldenstand. Die Euro-Gruppe hat dazu ein angemessenes Maßnahmenpaket entwickelt. Es umfasst – wiederum gegen Auflagen – unter anderem längere Laufzeiten für die Kredite und die Auszahlung von Gewinnen aus den Hilfsprogrammen an Griechenland.

Meine Damen und Herren, zwei Punkte sind für mich hier wichtig: Erstens. Es gibt keinen Schuldenerlass oder Schuldenschnitt. Zweitens. Der Internationale Währungsfonds wird mit seiner Expertise an der Nachprogrammüberwachung mitwirken. Der IWF bleibt mit seinen Darlehen aus dem ersten Hilfsprogramm engagiert. Die Forderungen nach einem Rückkauf der alten IWF-Darlehen sind vom Tisch. Vierteljährlich wird sich Griechenland einer verstärkten Überwachung durch die Institutionen stellen müssen.

(Zuruf von der LINKEN: Unglaublich!)

Damit stellen wir sicher, dass die griechische Regierung auf Reformkurs bleibt. Nur so können unsere Hilfen langfristig auf einen fruchtbaren Boden fallen.

Meine Damen und Herren, die Sorgen sind noch nicht ganz verschwunden. Aber es sieht doch besser aus, als wir vor drei Jahren gedacht haben. Jetzt muss der Deutsche Bundestag hier am Ball bleiben.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)