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Christian Haase: Die EZB wird weiterhin die wirtschaftspolitischen Maßnahmen in der Coronakrise unterstützen

Rede zu Anleihekäufen der Europäischen Zentralbank

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich zum Abschluss dieser Debatte noch mal einige wichtige Erkenntnisse betonen – in der Didaktik hilft das ja bekanntlich –: Das Bundesverfassungsgericht hat bestätigt, dass das Anleihekaufprogramm PSPP keine monetäre Staatsfinanzierung ist. Es liegt somit auch kein Verstoß gegen das Budgetrecht des Deutschen Bundestages vor.

Die Antragsteller von der AfD lassen aber natürlich die Gelegenheit nicht aus, die EU und ihre Institutionen wieder einmal grundsätzlich infrage zu stellen. Aber das wird niemanden hier überraschen, ist das doch vielleicht das Einzige, worauf man sich in dieser zerstrittenen AfD noch einigen kann.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Alexander Gauland [AfD]: Es gibt noch mehr!)

Im Antrag wird Folgendes behauptet: Dass die Karlsruher Richter in ihrem Urteil keinen offensichtlichen Verstoß gegen das Verbot der monetären Staatsfinanzierung feststellen, bedeute nicht, dass der Tatbestand nicht erfüllt sei. Doch, liebe Kolleginnen und Kollegen von der AfD: Genau das bedeutet das Urteil. Sie müssen Urteile unabhängiger Gerichte schon akzeptieren.

(Peter Boehringer [AfD]: Transferleistungen!)

Meine Damen und Herren, wir sollten uns vielmehr mit der Frage beschäftigen: Was bedeutet dieses Urteil nun konkret für den Deutschen Bundestag? Die Verfassungsrichter sehen im EZB-Programm möglicherweise den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt und haben eine dreimonatige Frist gesetzt, darauf zu reagieren. Diesen Auftrag aus Karlsruhe nehmen wir sehr ernst, auch wenn wir beachten müssen, dass die EZB – wie die Deutsche Bundesbank – unabhängig ist. Eckhardt Rehberg hat deshalb zu Recht auf die Verfassungswidrigkeit Ihres Antrages hingewiesen.

Die AfD-Fraktion nutzt das Karlsruher Urteil unter Umgehung der Verfassung munter für ihre eigenen Ziele. So fordern die Antragsteller, das aktuelle EZB-Programm PEPP sofort zu beenden. Dieses zeitlich begrenzte Notfallprogramm gegen die Coronapandemie war aber ausdrücklich nicht Gegenstand des Karlsruher Urteils. Auch die Kriterien, die das Bundesverfassungsgericht für die Anleihekäufe im Rahmen von PSPP aufgestellt hat, sind nicht automatisch übertragbar. Und Herr Boehringer, wie Sie aus diesem Programm einen Billionenschaden für die Deutsche Bundesbank herbeireden können, wenn deutsche Staatsanleihen gekauft werden, ist mir vollkommen schleierhaft.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Aber spielen wir das Szenario einmal weiter durch: PEPP wird eingestellt. Die Zinsaufschläge für südeuropäische Staatsanleihen steigen deutlich. Wir bekommen eine zweite Euro-Schuldenkrise. In letzter Konsequenz bricht die Gemeinschaftswährung auseinander. Das klingt verdächtig nach einem Wunschtraum der AfD.

(Zuruf von der AfD: Nein! Es klingt nach Marktwirtschaft!)

Aus diesem Traum muss ich Sie leider unsanft aufwecken, werte Kollegen. Natürlich wird die EZB weiterhin die wirtschaftspolitischen Maßnahmen in der Coronakrise unterstützen; denn das ist die Aufgabe der Zentralbank. So steht es auch in Artikel 127 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union.

Das währungspolitische Hauptziel der EZB ist bekanntlich die Preisstabilität mit einer Inflationsrate von knapp unter 2 Prozent. Soweit das Ziel der Preisstabilität aber nicht beeinträchtigt wird, unterstützt die EZB die allgemeine Wirtschaftspolitik in der EU. Dieses Nebenziel der Geldpolitik ist besonders wichtig, wenn es darum geht, eine Rezession zu vermeiden oder zumindest abzufedern.

Das Notkaufprogramm ist ohne Frage ein außergewöhnliches Instrument. Aber die Coronapandemie ist auch eine außergewöhnliche Krise; um es einmal vorsichtig auszudrücken. Eine Volkswirtschaft herunterzufahren, um einen Virus zu bekämpfen, so was hat es noch nicht gegeben. Daher gibt es auch keine Blaupause, wie wir am besten durch diese schwierige Zeit kommen.

Auf nationaler Ebene haben wir zahlreiche Maßnahmen eingeführt, um die Wirtschaft zu unterstützen. Dazu waren wir in der Lage, weil wir seit der Weltfinanzkrise sehr gut gewirtschaftet haben. Auch darauf darf man noch mal hinweisen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Italien und Spanien sind allerdings nicht in dieser vergleichbar komfortablen Lage. Ja, zum Teil haben sie Reformen und Haushaltskonsolidierung versäumt. Aber man darf nicht vergessen, dass diese Länder unverschuldet deutlich härter von Corona betroffen sind als wir. Deshalb braucht es jetzt die vielbeschworene europäische Solidarität. Die Unionsfraktion begrüßt daher die Initiative der Bundeskanzlerin und des französischen Präsidenten für ein Wiederaufbauprogramm. Wir schauen auch mit Interesse auf die Pläne, die Ursula von der Leyen gestern vorgestellt hat. Denn ohne eine starke EU ist Deutschland schwach.

Ja, dieser Spruch klingt etwas abgedroschen; aber das macht ihn nicht weniger wahr. Deutschland allein wird im globalen Wettbewerb mit den USA oder China nicht bestehen können. Wir sind auf starke europäische Partnerländer innerhalb der Europäischen Union angewiesen. Gerade als Exportnation haben wir Interesse an nachhaltigem Wachstum und funktionierenden Lieferketten in ganz Europa. Wir werden daher natürlich darauf achten, dass die neuen Programme auf Zukunftstechnologien ausgerichtet sind und nicht auf allgemeine Budgethilfen. Genauso werden wir darauf achten, dass das Haushaltsrecht des Deutschen Bundestages gewahrt bleibt und Deutschland einen entsprechenden Anteil an den Wiederaufbauprogrammen erhält. Wenn wir die Zuschüsse verwenden, um die EU durch die Krise zu bringen und zukunftsfest zu machen, ist es auch vertretbar, besondere Finanzierungsinstrumente zu nutzen. Da ist Flexibilität gefordert.

Aber freuen Sie auf der linken Seite des Plenums sich nicht zu früh. Bei einer anderen Frage werden wir standhaft bleiben: Euro-Bonds und eine gesamtschuldnerische Haftung wird es mit uns nicht geben. Punkt!

(Stefan Liebich [DIE LINKE]: Na, mal sehen!)

Wir sind überzeugt: Ohne Kongruenz zwischen Aufgabe, Kompetenz und Verantwortung kann eine Wirtschafts- und Währungsunion nicht erfolgreich sein. Die EU ist kein Zentralstaat. Das Budgetrecht verbleibt bei den Mitgliedstaaten.

(Peter Boehringer [AfD]: Wunschdenken!)

Das heißt nicht, dass wir keine weiter gehende Integration wollen. Im Gegenteil: Die deutsche EU-Ratspräsidentschaft wird für diese Diskussion ein guter Ausgangspunkt sein.

Was wir jetzt europäisch auf den Weg bringen, ist ein Marshallplan für Europa. Dessen Grundidee ist die Erkenntnis, dass man sich selbst hilft, wenn man anderen hilft, und dass man sich sogar schaden würde, wenn man nicht das große Ganze im Blick hat.

Ich hoffe, dieses Aha-Erlebnis tritt auch noch bei den Antragstellern ein.

(Beifall bei der CDU/CSU)