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Axel Knoerig: "Unsere Digitalisierungsstrategie muss wirtschaftlich begründet sein"

Rede zu Chancen der Digitalisierung

Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Grünen – das haben wir gerade wieder herausgehört – werfen uns in ihrem Antrag vor, dass wir die Digitalisierung als Nebenthema abtun. Das macht deutlich, dass sie selbst den Kern der Sache gar nicht erfasst haben.

(Beifall des Abg. Maik Beermann [CDU/CSU])

Denn bei der Digitalisierung kann man bekanntlich nicht von Haupt- und Nebenthemen sprechen; sie ist vielmehr ein Prozess und durchdringt im Grunde genommen im Querschnitt alle Bereiche unseres Lebens. Deswegen setzten wir im zukünftigen Koalitionsvertrag für den digitalen Wandel in allen Ressorts entsprechende Schwerpunkte.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Unsere Digitalisierungsstrategie muss vor allem – dafür müssen wir im Wirtschaftsressort sorgen – wirtschaftlich begründet sein. Wie in der Wirtschaft müssen wir also permanent das Kerngeschäft hinterfragen. Das bedeutet für die Politik: Wir brauchen eine schonungslose Bilanz, die aufzeigt, wo wir stehen und wo auch die Defizite liegen. Nur daraus können wir schnell Verbesserungsmaßnahmen entwickeln bzw. ableiten. Wie erreichen wir das Ziel unserer Strategie? Mit Glasfasertechnologie, meine Damen und Herren; denn das bringt mehr Tempo auf der Datenautobahn.

(Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war ja ein Armutszeugnis in der letzten Wahlperiode!)

Ich sage aber auch selbstkritisch: Es gibt durchaus Regionen – das weiß ich sehr wohl aus meinem Wahlkreis Diepholz – Nienburg I, einem ländlichen Wahlkreis in Niedersachsen -, in denen gerade in den kleineren Dörfern immer noch auf leistungsfähige Netzanbindung gewartet wird. Eine solche muss aber, denke ich, im Jahr 2018 selbstverständlich sein.

Immerhin strebt der neue Rechtsrahmen der EU eine lückenlose Versorgung bei der Telekommunikation an. Doch, meine sehr verehrten Damen und Herren, wir müssen die Papiere genau lesen. Die Bundesnetzagentur will weiterhin eine Versorgung von 90 bis 98 Prozent der Haushalte. Wenn das so festgeschrieben wird, sind wieder ganze Dörfer außen vor. Das darf politisch in keiner Weise mitgetragen werden!

(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Daseinsvorsorge!)

Hier sehe ich ganz klar die Unternehmen in der Pflicht: Sie müssen 100 Prozent der Fläche ausbauen.

Es ist sehr wohl richtig, dass die Landkreise dazu übergehen – das hat mein Heimatlandkreis Diepholz auch getan –, flächig zu prüfen, wo Funklöcher und weiße Breitbandflecken sind. Ich kann nur jedem Landkreis empfehlen, das so zu machen, um Druck auf die Bundesnetzagentur auszuüben. Auch der Deutsche Landkreistag als Interessensverband der Kommunen ist gefordert, dafür zu sorgen, damit die Flickenteppiche endlich gestopft werden.

Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich:

Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage?

Axel Knoerig (CDU/CSU):

Ja, bitte.

Dieter Janecek (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Knoerig, danke, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. Wir kennen uns ja aus dem Digitalausschuss. – Sie haben betont, wie langsam der Breitbandausbau vonstattengeht. Jetzt habe ich vernommen, dass Herr Kauder vorgeschlagen hat, dass in der Union Veranstaltungsreihen zum Thema Digitalisierung durchgeführt werden sollen. Vielleicht ist das der erste Schritt nach vorne.

Ich habe aber auch den Bericht des Bundesrechnungshofes zu der Arbeit von Herrn Dobrindt gelesen, der jetzt veröffentlicht worden ist. Dort steht, dass gerade die Unordnung in seinem Ministerium dafür gesorgt hat, dass wir bei der Kostenseite und beim Tempo nicht entsprechend vorankommen bzw. in Schieflage kommen. Ich möchte Sie bitten, dazu Stellung zu nehmen.

Außerdem habe ich die Frage an Sie: Sind Sie bereit, Kompetenzen zu bündeln, also auch dem Digitalausschuss des Deutschen Bundestages eine solche Kompetenz zu geben, dass er ein Ausschuss wird, der Federführung bei diesen Fragen übernehmen kann, damit wir endlich Prioritäten setzen und bei diesen Themen vorankommen können?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP sowie bei Abgeordneten der AfD)

Axel Knoerig (CDU/CSU):

Herr Kollege, wenn Sie bei meinen Ausführungen genau zugehört hätten, hätten Sie vernommen, dass ich davon gesprochen habe, dass das im Grunde genommen eine Querschnittsaufgabe ist, die in alle Lebensbereiche hereinreicht.

(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das bilden wir natürlich auch in den Ministerien ab. Sie haben ja selber in der vergangenen Periode erfahren, wo Industrie 4.0 als Plattform verantwortet wurde. Das BMWi hat entsprechend seiner Aufgabe als Wirtschaftsministerium hierzu bei den Unternehmen beigetragen.

Sie wissen sehr wohl auch, dass in den vergangenen Jahren gerade unter dem Minister Dobrindt der Breitbandausbau mit 4 Milliarden Euro gefördert wurde.

(Manuel Höferlin [FDP]: Es wird nicht besser, wenn man in das Ministerium, das es nicht hingekriegt hat, noch mehr Aufgaben steckt!)

Wir haben da nicht nur für Allianzen in den Landkreisen vor Ort gesorgt, sondern der Ausbau kommt nun auch zustande. Wenn ich selbstkritisch davon spreche, dass wir immer noch Dörfer haben, die nicht ordentlich versorgt werden, so kann ich zugleich auf meinen Landkreis verweisen und festhalten, dass dort 123 Millionen Euro in die Breitbandförderung fließen, an denen sich der Bund mit 50 Millionen Euro beteiligt. Das machen wir ja flächendeckend, nicht nur in den 40 Landkreisen des Landes Niedersachsen, sondern bundesweit. Das ist, wie ich denke, eine herausragende Initiative, die der Minister Dobrindt in den vergangenen Jahren ins Leben gerufen hat.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich sprach eben von der Bundesnetzagentur. Ihr müssen wir weitere Instrumente an die Hand geben, damit sie tatsächlich auch Sanktionen gegenüber den Providern umsetzen kann.

Meine Damen und Herren von den Grünen, auch bei einem weiteren Punkt widerspreche ich Ihnen. Sie sagen: Vorrang für Glasfaser! – Das heißt aber nicht, dass wir nützliche Übergangstechnik wie Vectoring gleich völlig abschaffen oder gar alle Kupferleitungen aus dem Boden reißen.

(Manuel Höferlin [FDP]: Aber Sie müssen die dann doch nicht noch fördern!)

Wir sind jedoch gefordert - ich denke, das ist klar -, die digitale Verwaltung voranzubringen. Da sind wir durchaus Schrittmacher. Bei dieser Entwicklung müssen wir voranschreiten.

Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich:

Herr Kollege, Frau Rößner würde gerne eine Zwischenfrage stellen.

Axel Knoerig (CDU/CSU):

Bitte, Frau Rößner.

Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Vielen Dank, Kollege Knoerig, dass Sie die Nachfrage zulassen. – Sie haben eben davon gesprochen, dass der Ausbau der Netze eine Querschnittsaufgabe ist. Ich würde eher sagen: Die Digitalisierung als Ganzes ist eine Querschnittsaufgabe.

(Zuruf von der CDU/CSU: Das hätte ich auch gesagt!)

Der Ausbau von Infrastruktur ist eigentlich eine sehr klare Beschreibung. Liegt die Verzögerung nicht eher daran, dass in der Vergangenheit falsche Entscheidungen getroffen wurden, dass kein Geld in die Hand genommen wurde, dass auf eine Frequenzversteigerung gewartet wurde und dass mit der Vectoring-Entscheidung der Ausbau eher verhindert wurde, als dass er vorangebracht wurde?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP)

Axel Knoerig (CDU/CSU):

Frau Kollegin, Sie haben mich zum zweiten Mal – ich will nicht sagen: bewusst – missverstanden. Ich habe immer davon gesprochen, dass das Internet mit seiner Technologie eine Querschnittsaufgabe, die alle Bereiche umfasst, darstellt. Dabei sind der Breitbandausbau und die Netze nur ein Aspekt.

Zu dem, was Sie ansprechen, kann ich lediglich festhalten: Zu Beginn haben wir gesagt, dass wir die Netze aufwerten wollen, insbesondere im ländlichen Raum. Danach haben wir erlebt, dass die privaten Unternehmungen ihre Investitionen gestoppt und erst einmal geschaut haben, was denn da an Förderung kommt.

Wenn wir bei dieser Wettbewerbsintensität Subventionen in diesen Markt fließen lassen, müssen wir besonders darauf achten, was sich daraus entwickelt. Jetzt, da wir Subventionen in den Markt hineingeben und den ländlichen Raum ausbauen wollen, stellen wir fest, dass die privaten Unternehmungen beschleunigt tätig werden und versuchen, noch das Mögliche herauszuholen. Diese Initiative hat sehr wohl dazu beigetragen, dass die Privaten sozusagen schneller laufen und diese Datenautobahn besser ausbauen.

Lassen Sie mich zu meinem Thema zurückkommen.

(Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist das Thema!)

Ich habe gesagt, wir müssen bei der digitalen Entwicklung mehr Schritt halten. Der Föderalismus bremst uns hier in Teilen aus. Ich will Ihnen etwas aus meinem vorherigen Berufsleben berichten. Ich habe damals auf der CeBIT-Messe ein webbasiertes Einwohnermeldewesen aufgebaut. Das liegt 22 Jahre zurück. Es ist nicht so, dass es diese Systeme heute nicht flächig in den Ländern gibt; aber sie sind bis heute nicht vernetzt. Das ist letztendlich auch dem Föderalismus geschuldet. Wir brauchen auf Bundesebene eine koordinierte Zusammenarbeit mit einem festgelegten Zeitraum für diese technologische Umstellung.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir schlagen zum Beispiel ein digitales Bürgerkonto vor. Damit kann jeder seine Verwaltungsanliegen beim Bund, bei Ländern und Kommunen zentral erledigen. Auch im Bildungsbereich müssen wir neue Wege gehen. Der Bund will 3,5 Milliarden Euro in die Länder investieren, um den sogenannten Digitalpakt auszugestalten. Natürlich erwarten wir im Gegenzug, dass die Länder mehr Lehrer einstellen und Digitalkonzepte umsetzen.

Wir müssen unseren Mittelstand fitmachen. Dazu haben wir bundesweit Kompetenzzentren in den Regionen errichtet. Wir haben dort mit den Mittelständlern praxistaugliche Strategien rund um das abstrakte Thema Industrie 4.0 erarbeitet, um es den Firmen nahezubringen.

Jetzt geht es darum, dass der Mittelstand und gerade die IT-Firmen weltweit wettbewerbsfit gemacht werden. Was brauchen wir dazu? Wir brauchen erstens eine bessere Risikofinanzierung auch für Start-ups; denn Existenzgründungen – das wissen wir – sind der Motor für Wirtschaft und Wachstum. Wir brauchen zweitens mehr Bildungsangebote. Wir wissen, dass die Firmen und die Arbeitnehmerschaft sich verändern müssen. Das dient wiederum der Fachkräftesicherung. Und drittens – ganz wichtig – brauchen wir eine komplette Digitalisierung der jeweiligen Wertschöpfungsketten, damit nicht nur ein Bereich herausgenommen wird, sondern damit die Digitalisierung durchgängig erfolgt. Deswegen ist eine verstärkte Kooperation der Firmen untereinander notwendig; denn die Digitalisierung funktioniert nur über Vernetzung.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, unsere Wirtschaft kann nur im europäischen Verbund gegenüber den USA und Asien bestehen. Nur so erlangen wir Datensouveränität und Datensicherheit. Dazu ist die europäische Digitalisierungsstrategie außerordentlich wichtig.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich fasse zusammen: Wir brauchen erstens eine europäische Digitalisierungsstrategie, zweitens einen digitalisierten Mittelstand und drittens eine technologische Infrastruktur, die jedes Dorf, jede Gemeinde erfasst und dem digitalen Wandel auch in der Zukunft standhält.

Meine Damen und Herren, die Wirtschaft brummt. Seit acht Jahren haben wir einen Aufschwung. Wir haben ein stetiges Wirtschaftswachstum. Wenn uns dieser digitale Wandel gelingt, werden wir es schaffen, dass es weiterhin gut läuft. Wir dürfen dabei eines nicht vergessen: die Menschen mitzunehmen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU)