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Axel Fischer: Unser soziales Leben ist erheblich eingeschränkt

Bundesministerium für Arbeit und Soziales (Epl. 11)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Der Haushaltsentwurf 2021 für den Bereich Arbeit und Soziales, den wir heute hier debattieren, ist ein wichtiger Beitrag, um die aktuellen und die zu erwartenden negativen Auswirkungen der seit Frühjahr bestehenden Coronakrise abzufedern und gleichzeitig die erfolgreiche Modernisierungspolitik der Koalition fortzusetzen.

Nach einem Jahrzehnt wirtschaftlichen Aufschwungs sind Wirtschaft und Gesellschaft durch Corona in schwere Fahrwasser geraten. Nach ersten Erholungszeichen im Sommer verschärft sich mit dem von der Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel und den Ministerpräsidenten der Länder verhängten Lockdown die wirtschaftliche Situation seit Anfang November zusehends. Unser soziales Leben ist erheblich eingeschränkt. Wirtschaftlich, am Ausbildungs- und am Arbeitsmarkt läuft es nicht gut. Die kurze wirtschaftliche Erholung des Sommers wurde unterbrochen. Die aktuelle Verlängerung der Coronaeinschränkungen bis ins neue Jahr verschlechtert den Ausblick weiter. Es scheint fast so, als drohe unsere Gesellschaft auseinanderzudriften.

Vor diesem Hintergrund haben wir auf Basis des erst spät vorgelegten Haushaltsentwurfs der Bundesregierung für das kommende Jahr in den Beratungen der vergangenen Wochen einige notwendige Akzente, vor allem im Bereich der Rentenversicherung, der Arbeitsmarktpolitik und im Ausbildungsbereich, gesetzt. Die im ersten Regierungsentwurf geplanten Ausgaben, die bereits um 21 Milliarden Euro über den vor einem Jahr geplanten Ausgaben lagen, wurden für das kommende Jahr noch um knapp 1 Milliarde Euro auf 165 Milliarden Euro allein im Bereich Arbeit und Soziales ausgeweitet. So wollen wir dazu beitragen, den entstandenen und weiter entstehenden Schaden für die Betroffenen möglichst kleinzuhalten.

Meine Damen und Herren, die Aufwüchse resultieren im Wesentlichen aus Ansatzerhöhungen bei der Beteiligung des Bundes an den Kosten für Unterkunft und Heizung. Hier übernimmt der Bund verstärkt ehemals rein kommunale Aufgaben und Verpflichtungen zur Daseinsvorsorge für sozial Bedürftige. Beim Arbeitslosengeld II mussten angesichts verschlechterter Aussichten auf dem Arbeitsmarkt, aber auch wegen rechtlicher Änderungen noch 300 Millionen Euro draufgepackt werden. In Erwartung einer erhöhten Inanspruchnahme des Kurzarbeitergeldes auch im kommenden Jahr haben wir den von der Bundesregierung vorgesehenen Zuschuss an die Bundesagentur für Arbeit um 250 Millionen Euro angehoben. Die Ausgaben für arbeitsmarktpolitische Leistungen und Programme sowie für den Zuschuss an die Bundesagentur für Arbeit summieren sich damit auf 48,8 Milliarden Euro.

Erfreulicherweise zeigt sich unser Arbeitsmarkt derzeit trotz der teilweise erheblichen wirtschaftlichen Einbrüche noch relativ stabil. Zwar liegt die Zahl der Arbeitslosen rund eine halbe Million über der des Vorjahrs, und auch die Zahl der Kurzarbeiter dürfte derzeit deutlich höher liegen als noch mit 2,2 Millionen im September, aber die Nachfrage nach Arbeitskräften hat sich von April bis zum erneuten Lockdown Anfang November merklich erholt.

Welche Folgen sich angesichts der neuen Beschränkungen für die Beschäftigten in den ohnehin besonders betroffenen Sektoren wie Hotel, Gaststätten, Ausbildung und Kultur bzw. dem Dienstleistungssektor insgesamt und auch im kränkelnden verarbeitenden Gewerbe ergeben, ist derzeit nicht absehbar. Offenkundig sind jedoch – nach den Meldungen über Entlassungen und Konkurse im industriellen Bereich und ersten Insolvenzen größerer Dienstleister –, insbesondere im Automobilbereich, Berichte über umfassende Produktionsverlagerungen ins Ausland. Gerade auch Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel hat bereits mehrfach von einer Verschiebung der wirtschaftlichen Kräfteverhältnisse aufgrund der Coronakrise zulasten Europas und zugunsten Chinas und Südostasiens gesprochen.

Da stellt sich uns dann die Frage, ob wir die Coronakrise ebenso durchstehen können wie die Finanzkrise 2009 bzw. wie wir das am besten hinbekommen. Mit dem Kurzarbeitergeld ist es uns bislang gelungen, in einigen Bereichen die schlimmsten Folgen abzufedern. Aber Kurzarbeitergeld ist kein Geschäftsmodell, und dauerhaft finanzierbar ist es aus leeren öffentlichen Kassen bei erheblicher staatlicher Neuverschuldung schon gar nicht. Wohlstand wird von leistungsfähigen Arbeitskräften an produktiven Arbeitsplätzen erwirtschaftet, nicht durch die Auszahlung von Lohnersatzleistungen.

(Otto Fricke [FDP]: Sehr wahr!)

Meine Damen und Herren, angesichts der erheblichen derzeitigen Bedrohung und Aushöhlung großer Teile der wirtschaftlichen Basis unseres Gemeinwesens muss unser Hauptaugenmerk daher insbesondere auf die Sicherung von Arbeitsplätzen und Ausbildungsplätzen gerichtet sein. Es wäre fatal, wenn nach dem noch gut verlaufenden aktuellen Ausbildungsjahr 2020 im kommenden Jahr 2021 junge Menschen aufgrund der aus wirtschaftlichen Gründen notwendigen Zurückhaltung von Unternehmen keine Ausbildung antreten könnten.

Die aktuell gestiegene Zahl an Jugendarbeitslosen ist ein deutliches Warnsignal. Wir müssen unbedingt vermeiden, dass eine junge Coronageneration jetzt durch Unterrichtsausfall, vermeidbare emotional-soziale Belastungen oder fehlende Arbeits- oder Ausbildungsplätze um Lebenschancen gebracht wird und so zu einer zusätzlichen erheblichen Belastung für unser Gemeinwesen gemacht wird.

Daher begrüße ich ausdrücklich die Initiative der Bundesregierung zur Sicherung von Ausbildungsplätzen. Mit Ausbildungsprämien, Übernahmeprämien sowie über Zuschüsse wird kleinen und mittleren Unternehmen seit August dieses Jahres bei ihrem Ausbildungsengagement geholfen. Etwa 20 000 Prämien- und 900 Zuschussanträge wurden bislang bewilligt. Es ist zu hoffen, dass es mit unternehmerischem Willen und dem Programm „Ausbildungsplätze sichern“ insgesamt gelingt, die Ausbildungsplätze für die Fachkräfte der Zukunft im wirtschaftlichen Mittelstand als dem Herzen unserer Wirtschaft zu sichern. Nur gemeinsam können wir erfolgreich an einer guten Zukunft für unser Land arbeiten.

Meine Damen und Herren, abschließend noch ein Wort zur Entwicklung der Eingliederungstitel für Langzeitarbeitslose. Richtig ist, dass das Gesamtbudget zur Eingliederung von Langzeitarbeitslosen mit etwas mehr als 10 Milliarden Euro konstant auf erhöhtem Niveau verbleibt. Mit weiteren zusätzlichen Mitteln von bis zu über 1 Milliarde Euro wollen wir Langzeitarbeitslosen in einem ganzheitlichen Ansatz den Weg in den Arbeitsmarkt ebnen. Die Mittel haben sich bisher als auskömmlich erwiesen.

Abschließend möchte ich allen, die mitgeholfen haben, diesen Etat auf den Weg zu bringen, sehr herzlich danken, insbesondere Ekin Deligöz als Hauptberichterstatterin und den Mitberichterstattern Michael Groß, Ulrike Schielke-Ziesing, Gesine Lötzsch und Otto Fricke. Es war eine ausgezeichnete, inhaltlich gute Zusammenarbeit. Mein Dank gilt auch dem Ministerium und der Bundesagentur für Arbeit. Ich freue mich auf die weitere Zusammenarbeit im kommenden Jahr.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Otto Fricke [FDP])