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Axel E. Fischer: Größte Ausgabenposten im Bundeshaushalt sind nach wie vor die Ausgaben für die Rente

Redebeitrag zum Einzelplan 11 - Bundesministerium für Arbeit und Soziales

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als wir vor gut einem Jahr hier standen und über den Entwurf der Bundesregierung geredet haben, wussten wir nicht genau, ob wir uns auf eine kleine Untiefe zubewegen oder ob eine starke wirtschaftliche Krise bevorsteht. Die Entwicklung der vergangenen Monate mit Corona, Handelskriegen, Verschuldungskrise und Brexit hat uns nun nicht nur wirtschaftlich, sondern auch gesamtgesellschaftlich in eine tiefe Krise geführt.

Die Folgen sind für viele Menschen, Familien, Unternehmen, unsere Systeme der sozialen Sicherung gravierend. Ein Klima von Verunsicherung und Angst hat sich breitgemacht und lähmt weite Teile unserer Gesellschaft. Die Bundesregierung hat angesichts dieser brisanten Entwicklungen und vielfältigen Unwägbarkeiten ihren Haushaltsentwurf für das kommende Jahr diesmal drei Monate später als üblich vorgelegt.

Der Entwurf für den Arbeits- und Sozialhaushalt, den wir heute debattieren, ist quasi noch druckfrisch. Die darin ausgewiesenen Gesamtausgaben – das wurde schon erwähnt – betragen 164 Milliarden Euro. Das sind zwar 14 Milliarden Euro über dem ursprünglichen Ansatz für 2020, unter Berücksichtigung des Nachtragshaushaltes – Ekin Deligöz hat vorhin schon darauf hingewiesen – sind es aber 7 Milliarden Euro weniger. Das weist mit Blick auf die weitere Entwicklung auf einen verhaltenen Optimismus der Bundesregierung hin.

In der Tat, meine Damen und Herren, nach zehn Jahren Aufschwung dank erfolgreicher Wirtschaftspolitik der CDU/CSU-geführten Bundesregierung, dank des Aufbaus einer milliardenschweren Rücklage aus Arbeitslosenversicherungsbeiträgen bei der Bundesagentur für Arbeit und dank einer jahrelangen Nullverschuldungspolitik des damaligen Finanzministers Wolfgang Schäuble haben wir heute gute Voraussetzungen für die Bewältigung dieser Krise.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Das Kurzarbeitergeld verhindert derzeit den Anstieg der Arbeitslosigkeit. Es trägt dazu bei, dass die Entwicklungen am Arbeitsmarkt nicht katastrophal erscheinen. Gut 600 000 zusätzliche Arbeitslose im Vergleich zum Vorjahr: Das ist angesichts der Schwere der Krise moderat. Korrespondierend dazu ist der Rückgang der Anzahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im Vergleich zum Vorjahr nur gering.

Die Signale stehen momentan insgesamt auf Erholung. Die deutsche Wirtschaft hat sich im abgelaufenen dritten Quartal dieses Jahres deutlich erholt. Das macht den starken Einbruch im Frühjahr zwar nicht wett; aber auch wenn die Aussichten, gerade mit Blick auf Gastronomie, Hotellerie und Veranstaltungswirtschaft, alles andere als rosig sind, erscheint doch Licht am Ende des Tunnels.

Der Arbeitsmarkt hat sich in den letzten Wochen gefangen. Die Beschäftigung verzeichnet erneut einen leichten Zuwachs. Die Arbeitslosigkeit nimmt moderat ab, und auch die Unterbeschäftigung sinkt. Sinkende Kurzarbeiterzahlen – nach 6 Millionen Betroffenen im April noch gut 4 Millionen im Juli – und steigende Mehrwertsteuereinnahmen sind weitere deutliche Anzeichen für eine Erholung, ohne die eine Verlängerung des Kurzarbeitergeldes sicherlich nicht beschlossen worden wäre.

Arbeitslosigkeit, Strukturbrüche und Firmenpleiten sind mit dem Einsatz von Kurzarbeitergeld für eine bestimmte Zeit verhinderbar. Sinnvoll ist das für diejenigen Unternehmen, die nach der Krise wieder mit Gewinn wirtschaften können. Kurzarbeitergeld ist ein Instrument, um kurzfristig eine Krise zu überwinden; Kurzarbeitergeld ist aber kein erfolgreiches Wirtschaftsmodell und kann kein Dauerzustand sein.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Darauf hat dieser Tage zu Recht auch Friedrich Merz hingewiesen. Kurzarbeit verhindert neben allen positiven Wirkungen für Betroffene, dass kurzarbeitende Arbeitskräfte für andere Unternehmen zur Verfügung stehen, die auch in Coronazeiten durchaus rentabel wirtschaften und sich weiterentwickeln können. Gerade mit Blick auf den ständigen weltweiten Strukturwandel müssen wir aufpassen, dass wir perspektivisch rentable Betriebsstrukturen mit Zukunft auf diese Weise nicht behindern oder gar zerstören.

(Beifall des Abg. Carl-Julius Cronenberg [FDP])

Ohnehin werden uns in absehbarer Zeit finanzielle Probleme zu Einschränkungen bzw. zum Umsteuern zwingen. Die über ein Jahrzehnt aufgebaute Finanzrücklage der Bundesagentur für Arbeit wird gerade in Rekordzeit aufgebraucht,

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Was?)

erhebliche Steuermittel werden in diesem wie voraussichtlich auch im kommenden Jahr zusätzlich notwendig sein, um die Kurzarbeit zu finanzieren.

(Zuruf von der AfD: Hört, hört!)

Ob der von der Bundesregierung für das kommende Jahr vorgesehene Zuschuss in Höhe von 3,1 Milliarden Euro an die BA ausreichen wird, um die finanzielle Belastung der Kurzarbeit für den Haushalt der BA auszugleichen, hängt wesentlich von weiteren Entwicklungen der Wirtschaft ab. Die Bundesagentur für Arbeit ist derzeit der zentrale Akteur in dieser Krise.

Für den erheblich gewachsenen Arbeitsumfang – von der Bearbeitung von Anträgen für Kurzarbeitergeld, deren Prüfung bis hin zur Betreuung von 630 000 zusätzlichen Arbeitslosen – braucht die Bundesagentur vorübergehend mehr Personal. In einigen Bereichen, wie zum Beispiel bei der Fachkräftezuwanderung, besteht aufgrund der Coronaeinschränkungen ein geringerer Personalbedarf. Hier kann zwar Personal intern umgesetzt werden, aber die Aufgaben in den Bereichen lebenslanges Lernen und Flüchtlingsintegration bleiben bestehen und sollten gerade bei gestiegener Arbeitslosigkeit noch intensiviert werden.

Deshalb hat die BA einen erheblich höheren Personalbedarf, zumindest in den kommenden ein, zwei Jahren. Was danach kommt, wird die weitere Entwicklung zeigen. Entsprechend flexible Lösungen müssen gefunden und umgesetzt werden. Die Bundesagentur für Arbeit mit Herrn Vorstandsvorsitzenden Scheele an der Spitze scheint hier auf einem guten Weg zu sein, und ich nutze die Gelegenheit gerne, allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für ihr Engagement zu danken.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Lothar Binding [Heidelberg] [SPD])

Die Bundesregierung hat für die Grundsicherung für Arbeitsuchende im kommenden Jahr knapp 45 Milliarden Euro vorgesehen. Das ist weniger als in diesem Jahr. Es besteht die Hoffnung, dass von Arbeitslosigkeit betroffene Menschen wieder Arbeit im ersten Arbeitsmarkt finden werden. Für den Eingliederungstitel sind weiterhin 10,1 Milliarden Euro vorgesehen. Erfreulich sind erste positive Erfahrungen mit unseren neuen arbeitsmarktpolitischen Ansätzen wie dem Passiv-Aktiv-Tausch, die wohl dauerhaft zur Verbesserung der Lage am Arbeitsmarkt beitragen können.

Größte Ausgabenposten im Bundeshaushalt – darüber haben wir hier schon gesprochen – sind nach wie vor die Ausgaben für die Rente. Dynamisch ansteigend erreichen sie 2021 114,6 Milliarden Euro. 106,1 Milliarden Euro davon fließen über die Beteiligung des Bundes an der knappschaftlichen Rentenversicherung, über diverse Zuschüsse sowie Beitragszahlungen für Kindererziehungszeiten in die Rentenversicherung. 8,3 Milliarden Euro sind vorgesehen für die Grundsicherung im Alter. Das sind 1,5 Milliarden Euro oder 18 Prozent mehr als noch 2019. Meine Damen und Herren, Sie sehen: Das Wohl der Rentner liegt uns am Herzen. Perspektivisch werden die Themen „Arbeitsmarkt und Fachkräftegewinnung“ sowie „Renten und Sozialleistungen an die älteren Bevölkerungsteile“ zunehmend an Relevanz in der öffentlichen Debatte gewinnen.

Insgesamt gesehen beraten wir in den kommenden Wochen coronabedingt eher einen Haushaltsentwurf des Reagierens als des Agierens. Dies gilt umso mehr, je schneller wir zu einer normalen Haushaltsführung zurückkehren wollen, wie es die Bundeskanzlerin diese Woche gefordert hat.

(Zuruf von der FDP: Wenn Sie das jetzt noch tun würden!)

Insofern sehe ich den Beratungen mit großer Freude entgegen und bin mir sicher, dass wir aus dieser Vorlage einen noch besseren Haushalt machen werden.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)