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Antje Tillmann: Wir investieren in diesem Haushalt massiv in die Zukunft

Redebeitrag in der Schlussrunde zum Haushaltsgesetz 2021

Liebe Präsidentin, danke für den Höhepunkt.

(Heiterkeit)

Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuhörerinnen und Zuhörer! Als wir vor über zehn Jahren die Schuldenbremse in unserer Verfassung verankert haben, hatten wir in Deutschland eine Verschuldungsquote von 82,4 Prozent. Wir haben uns seitdem auf eine Verschuldungsquote von 59,8 Prozent im Jahr 2019 runtergearbeitet – durch Wirtschaftswachstum, durch die Arbeit vieler in diesem Land, die ihre Ärmel hochgekrempelt haben und dieses Land nach vorne gebracht haben, aber auch dadurch, dass wir mit der Schuldenbremse die Ausgaben im Blick behalten haben.

An alle diejenigen, die heute die Schuldenbremse kritisieren und zusätzliche Ausgaben fordern – Herr Kindler zum Beispiel, er hat in den letzten zehn Jahren Maßnahmen gefordert, die den Haushalt über die Schuldenbremse hinaus belastet hätten –:

(Christian Dürr [FDP]: Stimmt!)

Wenn wir all das getan hätten, hätte die Coronakrise mit einer Verschuldungsquote von 100 Prozent begonnen.

(Christian Dürr [FDP]: So ist es!)

So hätten wir auf gar keinen Fall den Spielraum gehabt, jetzt in Maßnahmen zur Bewältigung der Situation zu investieren.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Quatsch!)

Wir haben es richtig gemacht. Deshalb halte ich es für absurd, jetzt über die Schuldenbremse zu diskutieren. Wir haben damals natürlich auch Ausnahmesituationen mit einkalkuliert, jeweils mit Tilgung. Und genau das tun wir am Ende dieser Haushaltsberatung: Wir investieren heute und werden schon in dieser Generation und nicht erst in der nächsten, Herr Kindler, die Schulden wieder abtragen. Das ist unsere gemeinsame Aufgabe. Das tun wir, weil wir es den Familien, den Unternehmen und den Kommunen schuldig sind. Den Familien sind wir es deswegen schuldig, weil sie einen großen Teil der Belastungen in der Coronakrise getragen haben. Herr Kollege Bülow, woher Sie die Information haben, dass der Familienetat gekürzt worden ist, kann ich nicht erkennen. Vermutlich haben Sie den Einzelplan 60 vergessen, in dem Kindergeld und Kinderfreibetrag etatisiert sind, die wir jetzt sogar zum zweiten Mal hintereinander erhöhen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Mit dem Familienentlastungsgesetz I haben wir Familien und Bürger schon um 12 Milliarden Euro entlastet. In der kommenden Woche werden wir weitere 7 Milliarden Euro draufsatteln. Innerhalb von zwei Jahren haben wir das Kindergeld um monatlich 25 Euro pro Kind erhöht; das haben wir vorher nie getan. Das war erforderlich – übrigens auch ohne Corona –; denn es entlastet Familien und gibt ihnen ein bisschen Spielraum. Wir haben gleichzeitig die Investitionsprogramme für Kinderbetreuung, Ganztagsbetreuung, sozialen Wohnungsbau und Baukindergeld auf den Weg gebracht und weiter finanziert. Wir haben den Freibetrag für Alleinerziehende verdoppelt, und wir werden mit dem Jahressteuergesetz weitere Maßnahmen auf den Weg bringen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Mit dem Familienentlastungsgesetz wird nicht nur das verfassungsnotwendige Existenzminimum freigestellt, sondern werden auch die Bürgerinnen und Bürger das achte Mal in Folge von der kalten Progression freigestellt. 2,2 Milliarden Euro sind dafür vorgesehen.

Aufgrund eines Rechenfehlers oder eines Schätzfehlers im Finanzministerium wird die kalte Progression im jetzt vorliegenden Gesetzentwurf sogar um 1,6 Milliarden Euro zu hoch kompensiert. Wir werden diesen Fehler aber nicht gegenrechnen. Wir werden den Bürgerinnen und Bürgern diese 1,6 Milliarden Euro zurückgeben, damit sie die Maßnahmen zur Bewältigung der Krise, durch die sie zusätzliche Kosten hatten, ob im Homeoffice oder über die Pendlerpauschale, gegenfinanzieren können. Wir haben für unsere Fraktion der CDU/CSU beschlossen: Diese 1,6 Milliarden Euro werden nicht gekürzt, sondern an die Familien und an die Bürgerinnen und Bürger weitergegeben.

Wir sind es den Unternehmen schuldig; denn das Einzige, was wirklich besser ist als Sparen, ist, die Konjunktur anzukurbeln, damit wir möglichst schnell auf die Steuereinnahmen von vor der Krise zurückkommen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Das hat auch in der Finanzmarktkrise gut funktioniert. Das werden wir auch jetzt wieder tun.

Wir haben bei den Covid-Gesetzen mit der Mehrwertsteuersenkung angefangen. Herr Dürr, Sie sind ja für sehr forsche Reden bekannt. Wenn ich bedenke, dass Sie beim Thema Covid 80 Prozent Ihrer Redezeit dazu verwandt haben, zu erklären, dass die Mehrwertsteuersenkung Unfug ist: Sie hätten Größe gezeigt, wenn Sie heute einfach gesagt hätten: Ich hatte unrecht;

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Christian Dürr [FDP]: Nein, die ist Quatsch!)

denn Sie waren im Unrecht.

(Christian Dürr [FDP]: Ihre Wirtschaftsinstitute sagen, das war Quatsch!)

Die Investitionen sind bei höheren Investitionsgütern massiv gestiegen. Jeder Statistiker sagt Ihnen: Die Investitionen in hochpreisige Produkte sind wegen der Mehrwertsteuersenkung gestiegen.

(Christian Dürr [FDP]: Alle sagen, es ist Quatsch, außer Antje Tillmann!)

– Außer Ihnen vielleicht. Die Statistiken sind ganz klar. Der Handel bestätigt das: Die Mehrwertsteuersenkung hilft.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Christian Dürr [FDP]: Fragen Sie mal die Wirtschaftsinstitute!)

Was auch hilft, sind die Maßnahmen im Covid-Steuergesetz, zum Beispiel die Verlustverrechnung, die wir für die Jahre 2020 und 2021 verbessert haben; Geld, das wir den Unternehmen zurückgeben, damit sie in diesem Jahr investieren, damit sie Wirtschaftswachstum produzieren und damit künftig zusätzliche Steuern zahlen, die dem Bundeshaushalt zugutekommen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Christian Dürr [FDP]: Lächerlich, Frau Tillmann, das wissen Sie!)

Wir haben die degressive Abschreibung auf den Weg gebracht. Wir haben die Anrechnung der Gewerbesteuer verbessert. Wir haben die Reinvestitionsfristen verbessert, weil wir wussten, dass Unternehmen vielleicht erst im nächsten Jahr investieren können, und wir haben die Forschungsförderung massiv erhöht.

Liebe Frau Kollegin Stark-Watzinger, Sie behaupten, im Bildungs- und Forschungsbereich sei die Quote zurückgegangen. Das hat natürlich auch damit zu tun, dass wir in erheblichem Umfang Mittel für Bildungsmaßnahmen an Länder und Kommunen geben und diese Mittel in deren Investitionsquote auftauchen und nicht mehr im Bundeshaushalt. Das sind einfach haushalterische Grundsätze mit den entsprechenden Auswirkungen auf den Bundeshaushalt. Tatsächlich sind deutschlandweit die Bildungsausgaben bei Weitem gestiegen und nicht gesunken, wie Sie es eben dargestellt haben.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Zuruf der Abg. Bettina Stark-Watzinger [FDP])

Dazu kommt eine ganze Reihe von Einzelprogrammen wie das Programm „INNO-KOM“, die IGF und das Innovationsprogramm für Geschäftsmodelle und Pionierlösungen. Wir investieren in diesem Haushalt massiv in die Zukunft, um künftige Steuereinnahmen zu akquirieren und damit die Tilgungsleistungen auch in Zukunft sicherzustellen.

Aber im Unternehmensbereich bleibt auch viel zu tun. Wir warten seit zwei Jahren auf die Umsetzung der ATAD-Richtlinie. Wir brauchen die Verbesserung der Thesaurierungsbegünstigung; das ist schon mehrfach angesprochen worden.

(Beifall der Abg. Katja Hessel [FDP])

Wir wollen den Zinssatz für Steuernachzahlungen reduzieren und an das aktuelle Zinsniveau anpassen.

(Beifall der Abg. Katja Hessel [FDP])

Und wir brauchen eine Reform der Hinzurechnungsbesteuerung, damit deutsche Unternehmen auch in den nächsten Jahren wettbewerbsfähig sind und in Deutschland die Steuern zahlen und nicht irgendwo anders.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Katja Hessel [FDP])

In einen dritten Bereich investieren wir mit diesem Haushalt ganz massiv; das sind die Kommunen. Nicht nur, dass wir zusammen mit den Ländern 100 Prozent der Gewerbesteuerausfälle kompensieren, sondern wir kompensieren auch 100 Prozent der Ausfälle im ÖPNV. Wir haben die Beteiligung an den Kosten der Unterkunft um 25 Prozent gesteigert, allein für 2021 auf 11 Milliarden Euro. Wir erstatten die Ausgaben für die Grundsicherung; sie steigen auf 8,3 Milliarden Euro. Wir investieren in den Städtebau und vieles mehr.

Wir geben Geld da aus, wo Menschen das spüren, wo Familien leben. Die Kommunen sind nach dieser Krise durch die Hilfe des Bundes gut aufgestellt für die Zukunft. Wir werden sie im Blick behalten und gucken, ob weitere Änderungen vorzunehmen sind. Sie sehen: Das ist ein ausgeglichener Maßstab zwischen Investitionen und Entlastungen der Bürgerinnen und Bürger.

Aber ich sage zum Schluss auch ganz offen: Wir müssen anfangen, mit dem Geldausgeben aufzuhören. Wir müssen die Tilgung so einhalten, wie wir es verabredet haben. 17 Jahre, in denen die Tilgung vorgesehen ist, sind eine lange Zeit. Wir müssen das Glück haben, dass in den nächsten 17 Jahren nicht die nächste Katastrophe, Krise oder Schwierigkeit kommt.

(Peter Boehringer [AfD]: Bei der EU sind es 40 Jahre Tilgung!)

Deshalb sage ich allen Bürgerinnen und Bürgern – ich hoffe, dass wir es in diesem Haus auch gemeinsam tragen –: Wir werden künftig nicht mehr jeden Wunsch erfüllen können. Aber, liebe Bürgerinnen und Bürger, lassen Sie sich auch nicht vormachen, dass mit einer Vermögensabgabe oder einer Steuererhöhung für Menschen, die über 200 000 Euro verdienen, dieser Haushalt zu konsolidieren wäre. Da sprechen wir über 3 Milliarden bis 4 Milliarden Euro. Das ist ein kleiner Betrag im Verhältnis zu unserem Problem; der wird es nicht lösen.

Ich habe ein bisschen die Sorge: Die Ankündigung der Steuererhöhung für wenige vor der Wahl ist die Steuererhöhung für alle nach der Wahl. Und das ist nicht der Weg, den wir uns vorgenommen haben.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)