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Antje Tillmann: Eine nationale Steuer wird mit der CDU/CSU nicht zu machen sein

Rede zur Aktien- und Europäische Finanztransaktionsteuer

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Man könnte meinen, wir würden heute über die Finanztransaktionsteuer abstimmen. Das ist aber gar nicht der Fall.

(Dr. Thomas de Maizière [CDU/CSU]: So ist es!)

Frau Stark-Watzinger kann es offensichtlich gar nicht abwarten, dass diese Finanztransaktionsteuer hier ins Gesetzgebungsverfahren kommt. Wir sind da bei Weitem nicht so schnell; wir haben erheblichen Diskussionsbedarf.

(Bettina Stark-Watzinger [FDP]: Es gibt aber schon Stellen im Finanzministerium!)

Die Steuer haben wir uns auch nicht erst gestern ausgedacht. Sie wissen, dass wir 2008, bei der Finanzkrise, zu der es durch riskante Investitionen und Handel im Aktienmarkt, aber auch im Hochfrequenzhandel gekommen ist, sehr wohl darüber nachgedacht haben – und zwar europaweit –, die Finanzmärkte sicherer zu machen. Europa war sich damals nicht nur einig, dass wir mehr Regulierung, mehr Aufsicht und mehr Sicherheit im Finanzmarkt brauchen, sondern damals ist auch die Idee der europäischen Finanztransaktionsteuer entstanden.

Dieses Modell ist unter Schäuble diskutiert worden. Leider stellte sich ziemlich schnell heraus, dass nicht alle EU-Mitgliedstaaten mitmachen werden. Übrig geblieben ist die verstärkte Zusammenarbeit von zehn interessierten Staaten in Europa, und darum geht es heute. Unser Finanzminister hat einen Vorschlag gemacht, wie es in diesem Rahmen der verstärkten Zusammenarbeit in Europa zu einer einheitlichen Finanztransaktionsteuer kommen könnte. Das ist die Minimallösung, die wir mitmachen. Das haben wir mehrfach gesagt; das steht im Koalitionsvertrag. Eine nationale Steuer wird mit der CDU/CSU nicht zu machen sein. Diese verstärkte Zusammenarbeit ist im Moment in der Diskussion, nichts anderes, keine nationale Finanztransaktionsteuer.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Nur zeigt die aktuelle Diskussion, dass wir Grund hatten, so lange diese Steuer nicht auf den Weg zu bringen. Denn je mehr man sich mit dieser Steuer befasst, desto mehr Probleme sieht man. Ja, Sie haben recht: Alles das, was wir uns vorgestellt haben, um den Finanzplatz sicherer zu machen, ist in dieser Steuer nicht mehr enthalten.

Der Hochfrequenzhandel ist bisher nicht besteuert. Dazu verweise ich aber darauf, dass das Gesetz durchaus noch Spielraum offenlässt – es gibt ja noch nicht einmal einen Referentenentwurf – und dass wir uns sehr wohl anschauen werden, wie die Franzosen das machen; die haben nämlich eine spezielle Hochfrequenzsteuer. Wir sind mit dem Finanzministerium im Gespräch, auch eine solche Steuer in den Referentenentwurf aufzunehmen, sobald er vorgelegt wird – aber auch das nur europäisch, keinesfalls national.

Und ja, Sie haben auch recht, dass die Sicherheit der Finanzmärkte bei diesem Gesetz nicht mehr im Vordergrund steht.

(Zuruf der Abg. Bettina Stark-Watzinger [FDP])

Die Sicherheit der Finanzmärkte haben wir aber längst anderweitig umgesetzt, zum Beispiel, indem wir Hochfrequenzhändler unter BaFin-Aufsicht gestellt haben,

(Zuruf der Abg. Bettina Stark-Watzinger [FDP])

zum Beispiel, indem wir Gebühren für das exzessive Nutzen von Handelssystemen eingeführt haben,

(Zuruf von der CDU/CSU: Sehr gut!)

zum Beispiel, indem wir Mindestpreisänderungsgrößen für Algorithmen festgelegt haben. Das heißt, Sicherheit auf den Finanzmärkten haben wir durch zahlreiche andere Gesetze, übrigens ohne Ihre Beteiligung, auf den Weg gebracht,

(Cansel Kiziltepe [SPD]: Genau!)

sodass dieser Teil bei dem Gesetz gar nicht mehr im Vordergrund steht.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Ich bin lange genug Finanzpolitikerin, um zu wissen, dass es nicht per se unanständig ist, wenn ein Steuergesetz dazu dient, Steuereinnahmen zu erheben.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Es kann nicht Ihr Ernst sein, dass Sie das problematisch finden.

(Bettina Stark-Watzinger [FDP]: Doch! Für die Sparer!)

Aber – jetzt werden Sie mir vermutlich wieder zustimmen – es ist nicht sehr sinnvoll, wenn ein Steuergesetz Steuern in Bereichen einnimmt, bei denen wir auf der anderen Seite die Bürgerinnen und Bürger mit Steuergeldern unterstützen möchten. Deshalb will ich gar nicht verhehlen, dass wir beim Vorschlag des Finanzministers durchaus Diskussionsbedarf haben, zum Beispiel, wenn Altersvorsorge und Kleinsparer betroffen sind.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Denn auch das war Bedingung für unsere Zustimmung im Koalitionsvertrag: dass Altersvorsorgeprodukte nicht belastet werden und dass der Kleinsparer nicht belastet wird.

Herr Scholz hat in seinem Entwurf schon eine Opt-out-Lösung gefunden für Altersvorsorgeprodukte.

(Bettina Stark-Watzinger [FDP]: Wie grenzen Sie das ab?)

Das können wir national tun, das ist europäisch vorgesehen. Ich will aber gar nicht verhehlen, dass auch das natürlich Schwierigkeiten mit sich bringt. Denn was machen wir mit den Instituten, die nicht selber handeln? So können wir doch nicht sagen: Wenn das Steuerberaterversorgungswerk Aktien kauft, dann ist das steuerfrei bei der FTT, aber nicht, wenn ein Dienstleister dazwischengeschaltet wird. – Das heißt, nur über einen Freibetrag bei der FTT werden wir da keine Lösung finden, die uns befriedigt. Wir denken im Moment darüber nach, über die Einkommensteuer sicherzustellen, dass die Altersvorsorge nicht belastet wird.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Gar nichts geregelt ist hinsichtlich der Kleinsparer. Bei der FTT einen Freibetrag für Kleinsparer einzuführen, wird – das wird uns von allen Seiten gesagt – nicht funktionieren, ist ja auch als Optionsmodell gar nicht vorgesehen in der europäischen Lösung. Das heißt, auch da sind wir noch nicht so weit, dass wir dem Entwurf zustimmen können. Auch da diskutieren wir Lösungen, zum Beispiel über eine Erhöhung des Sparerfreibetrags.

All das ist in der Debatte. Deshalb können wir uns heute auf gar keinen Fall für eine Position entscheiden. Aber wir werden auch auf gar keinen Fall dem Antrag der Linken zustimmen, die diese ganzen europäischen Bemühungen heute einstampfen und heute eine nationale Steuer einführen wollen. Das ist mit uns nicht zu machen.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das habt ihr doch selber gefordert, zum Beispiel Herr Söder!)

Die vielen ungeklärten Fragen, die ich genannt habe, werden in den nächsten Monaten noch gemeinsam mit dem Finanzministerium geklärt werden müssen. Ich gebe gerne zu: Dass all diese Fragen und Bedenken auch vom Wissenschaftlichen Beirat im BMF geteilt werden, macht uns diese Aufgabe nicht leichter. Sie können ganz gelassen abwarten, was kommt. Unsere Position steht klar fest: Kein nationaler Alleingang, keine Belastung der Altersvorsorge, keine Belastung der Kleinsparer! Nur dann sind wir bereit, weiter mitzudiskutieren.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Dann kauft ein paar Hubschrauber weniger! Dann reicht das auch! Dasselbe Geld! 1,5 Milliarden!)

Das steht vor uns, und wir freuen uns, wenn Sie bei den Beratungen mitwirken.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Dagmar Ziegler [SPD])