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Dr. André Berghegger

André Berghegger: Wer in Zukunftsbereiche investiert, kann Wohlstand dauerhaft sichern

Haushaltsgesetz 2018 - Rede in der Schlussrunde zum Haushaltsgesetz 2018

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vor allen Dingen liebe Besuchergruppe aus meinem Heimatwahlkreis, aus dem Landkreis Osnabrück!

(Beifall bei der CDU/CSU – Eckhardt Rehberg [CDU/CSU]: Das hast du gut organisiert! Sehr gut!)

Die Haushaltswoche neigt sich dem Ende zu. Die Stimmung ist bereitet. Das haben wir gerade gehört. Ich würde sagen: Wir kommen wieder zur Sache, zum Haushalt 2018.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Irgendwie hat diese Debatte, diese Haushaltswoche, etwas von einer Buchbesprechung. Herr Finanzminister Scholz, Sie haben Ihr Werk vorgelegt. Die Reaktionen waren, wie erwartet, unterschiedlich. Die einen sind sehr wohlwollend; die anderen sagen pauschal: Grundlegend falsch. Aber den pauschalen Kritikern aus der Opposition sage ich: Gemach, gemach! Ganz so einfach ist das nicht. Lesen Sie nicht nur die Zusammenfassung, sondern lesen Sie ruhig das ganze Werk; dann erschließt sich nämlich einiges.

Ich gebe zu, dass nicht die gesamten 3 000 Seiten in analoger Form superspannend sind;

(Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben Sie die schon gelesen?)

aber man kann einiges daraus lernen. Es lohnt sich; denn diese 3 000 Seiten geben den Kurs unseres Landes für die nächste Zeit vor. Ich glaube, das ist eine gute Grundlage für den Kurs unseres Landes.

Wir werden es nicht allen Kritikern recht machen; denn die grundlegenden Ideen der Koalition würden wir dadurch verwischen. Wir werden das Geld nicht einfach in allen Bereichen verteilen, weil das nicht dem Anspruch an die Gestaltung eines Haushalts gerecht werden würde. Wir werden vor allen Dingen nicht denjenigen folgen, die am lautesten trommeln, sondern wir werden als Parlament – ich glaube, Ekin Deligöz hatte es gesagt – unser Budgetrecht, das Königsrecht des Parlaments, wahrnehmen, und wir werden das Handeln der Regierung bereiten, indem wir in der Koalition einen ausgewogenen Kompromiss finden werden.

Herr Scholz, ich glaube, Sie haben einen guten Regierungsentwurf vorgelegt. Er ermöglicht den Zusammenhalt in der Gesellschaft, und er ermöglicht weiterhin Wachstum als Grundlage für unseren Wohlstand in diesem Land. Einige grundsätzliche Anmerkungen hierzu:

Die Wirtschafts- und Finanzlage ist hoch erfreulich. Wolfgang Schäuble hat die historische Trendwende im Staatshaushalt 2014 eingeläutet. Seitdem hat der Bund keine neuen Schulden mehr aufgenommen. Wenn Herr Boehringer immer betont, wie wichtig es sei, Dinge zu wiederholen, so nehme ich mir an dieser Stelle die Freiheit heraus, das auch zu tun: Es ist eine große Bürde, diese Linie fortzusetzen; aber im Koalitionsvertrag ist ausdrücklich festgehalten, dass dieser richtige Weg – keine Neuaufnahme von Schulden – fortgesetzt wird.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Auch wenn es einigen vielleicht aus den Ohren herauskommt, aber gemäß dem Motto „Wiederholung ist die Mutter der Pädagogik“ sage ich: Die Politik der schwarzen Null ist das Symbol für solide Haushaltspolitik.

(Johannes Kahrs [SPD]: Nein! Keine neuen Schulden machen!)

– Johannes, du hast schon geredet. –

(Beifall der Abg. Otto Fricke [FDP] und Dr. Tobias Lindner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Diese Politik werden wir gemeinsam weiter fortsetzen. Sie ist nachhaltig und entlastet künftige Generationen.

Meine Damen und Herren, das nächste Ziel ist zum Greifen nahe – wir haben es im Laufe dieser Woche auch vernehmen können –: die Einhaltung des europäischen Stabilitätspaktes in einem weiteren Punkt, nämlich dass die gesamtstaatliche Schuldenquote unter 60 Prozent sinkt. In der mittelfristigen Finanzplanung ist das für das nächste Jahr vorgesehen. Auch das ist kein, wie hier immer oft gesagt wird, Fetisch, sondern es verhält sich vielmehr so: Maastricht sichert Unabhängigkeit. Wir werden haushalts- und finanzpolitischen Spielraum erhalten. Wir werden in diesem Punkt keiner Kontrolle der übrigen EU-Mitgliedstaaten mehr unterliegen. Und vor allen Dingen, liebe Kolleginnen und Kollegen: Wir erhöhen unsere Glaubwürdigkeit. Daran sollten wir uns messen lassen und arbeiten.

Als Nächstes möchte ich gerne mit der einen oder anderen Mär aufräumen, die ich diese Woche vermehrt gehört habe.

Erstens: die Investitionsquote. Ein Staat, der nur konsumiert, lebt auf Dauer von seiner Substanz. Das ist uns völlig klar. Wer aber in Zukunftsbereiche investiert, kann Wohlstand dauerhaft sichern. Das werden wir gemeinsam mit dieser Koalition tun. Die Kritik, die ich höre, dass die Investitionen in der mittelfristigen Finanzplanung abnehmen würden – –

(Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Quote sinkt! Das ist ganz einfach!)

– Darauf antworte ich ja jetzt, Frau Hajduk. Ich komme jetzt auf meine Metapher von der Buchbesprechung zurück, „Lesen bildet!“, und fordere Sie auf: Lesen Sie den Haushalt in Gänze,

(Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, habe ich!)

dann werden Sie feststellen, dass unter anderem ab 2020 – das wiederhole ich auch gerne – einige investive Ausgaben nicht mehr im Bundeshaushalt dargestellt werden.

(Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aha!)

Unter dem Stichwort „Entflechtungsmittel“ seien hier genannt: kommunaler Straßenbau und ÖPNV.

(Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und die wollen Sie jetzt auf die Bundesinvestitionsquote zukünftig anrechnen? Lächerlich! – Gegenruf des Abg. Eckhardt Rehberg [CDU/CSU]: Natürlich!)

Solche und andere Investitionen werden nicht mehr im Bundeshaushalt dargestellt, sondern den Ländern in Form von Erlösen aus Umsatzsteuerpunkten zugewiesen.

(Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, das sind kommunale Investitionen! – Gegenrufe des Abg. Eckhardt Rehberg [CDU/CSU])

– Vielleicht hört der eine oder andere noch zu. – Das haben die meisten hier in diesem Raum gemeinsam in der letzten Legislaturperiode im Rahmen der Neuordnung der Bund-Länder-Finanzen so beschlossen.

Wichtig ist nur: Die Investitionen werden weiter getätigt. Daran müssen sich auch die Länder messen lassen. Es darf nicht passieren, dass es zu solchen Entwicklungen wie vor einiger Zeit kommt, dass die Länder, als die Zweckbindung bei den Entflechtungsmitteln weggefallen war, selbst bestimmt haben, wie sie diese Mittel im Haushalt verwenden, und wir keine Kontrolle mehr darüber hatten. Aus meiner Sicht ist also entscheidend, dass gesamtstaatlich investiert wird, und nicht, wo und wie die Gelder in welchem Haushalt dargestellt werden.

Lassen Sie uns zweitens den Mittelabfluss bei dem einen oder anderen Titel anschauen. Als Beispiel dafür wurde in Gesprächen erwähnt und auch in dieser Woche das Kommunalinvestitionsförderprogramm 1 für finanzschwache Kommunen angeführt. Lediglich 22 Prozent der Mittel sind abgeflossen, 87 Prozent der Mittel sind verplant. Was sagt uns das? Dass wir nicht ein Problem bei der Bereitstellung von Geld haben, sondern ein Problem beim Mittelabfluss. Das heißt, wir haben viel zu komplexe Verfahren und eine hohe Bürokratie. Wir sollten daran arbeiten, das zu verbessern.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Ich bin einmal gespannt auf das KInvFG 2, das die Schulinfrastruktur betrifft. Wir werden im Sommer des Jahres – ich glaube, im Juni – den ersten Bericht dazu bekommen, wie denn diese 3,5 Milliarden Euro, die wir dafür bereitgestellt haben, bis jetzt in Anspruch genommen worden sind.

Dritter Punkt: Die anderen staatlichen Ebenen sollten nicht immer sofort nach dem Bund schreien. Ein starker Föderalismus funktioniert nur, wenn alle Ebenen mitmachen: Bund, Länder und Kommunen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Sehr richtig!)

Die anderen Ebenen und insbesondere der Bund sollten nicht dauerhaft in die Kernzuständigkeit der anderen Ebenen eingreifen.

Was meine ich damit? Ich sehe Grundgesetzänderungen grundsätzlich kritisch. Wir sollten das Grundgesetz nicht zu detailliert formulieren. Was wir jetzt vereinbart haben, tragen wir natürlich mit; das ist gar keine Frage. Wir werden in die Schulinfrastruktur investieren, aber es kann nicht sein, dass wir als Bund am Ende die Lehrer bezahlen, was eigentlich Länderaufgabe wäre.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Daran müssen sich die Länder messen lassen. Kernaufgaben der Länder sollten bei den Ländern bleiben.

Wenn die Länder entgegenhalten – was man immer mal wieder mal hört und was erstaunlich ist –: „Wir sind nicht leistungsfähig“, sei dazu angemerkt: Im letzten Jahr, 2017, haben die Länder insgesamt einen Überschuss in Höhe von rund 12 Milliarden Euro erzielt, Tendenz steigend.

(René Röspel [SPD]: Durchschnitt!)

– Nur zwei Länder nicht. – Das heißt, die Länderhaushalte können Prioritäten setzen und ihre Aufgaben sehr wohl erfüllen. Die Kommunen haben 9 Milliarden Euro als Jahresüberschuss erzielt; für die gilt dasselbe.

Ab 2021 müssen wir ein weiteres Phänomen feststellen: Länder und Kommunen erzielen bei den Gemeinschaftssteuern über 50 Prozent der Einnahmen, während der Bund unter 50 Prozent erzielt. Das ist eine Trendwende; die gilt es immer wieder ins Auge zu fassen.

Last, but not least haben wir in den letzten Jahren wie keine andere Regierung und die die Regierung tragenden Fraktionen zusammen die Länder und Kommunen entlastet. Das sagt selbst der Bundesrechnungshof andauernd. Die Grenze ist allmählich erreicht. Wir helfen, wo wir helfen können, aber wir müssen die Situation immer wieder objektiv darstellen.

Zu guter Letzt komme ich zur aktuellen Steuerschätzung. Herr Scholz, wenn ich der Presse Glauben schenken darf, dann schwimmen Sie in Geld: 63 Milliarden Euro Mehreinnahmen über die Legislaturperiode hinweg. Auch dazu sage ich: Gemach, gemach! Man soll das ganze System lesen und verstehen.

Von diesen 63 Milliarden Euro verbleiben rund 30 Milliarden Euro beim Bund, der Rest geht an die Länder und Kommunen. Das ist natürlich komfortabel; gar keine Frage. Aber von diesen 30 Milliarden Euro sind schon rund 20 Milliarden Euro eingeplant. Bei den Koalitionsverhandlungen wurden anhand einer internen Steuerschätzung des Finanzministeriums ungefähr 10 Milliarden Euro für die Umsetzung prioritärer Maßnahmen im Koalitionsvertrag verplant. Weitere rund 10 Milliarden Euro sind zur Absenkung der Kfz-Steuer im Rahmen der Umsetzung der Maut geplant. Das heißt, es verbleiben noch 10 bis 11 Milliarden Euro für die gesamte Legislaturperiode. Das ist bitte zu berücksichtigen. Die Begehrlichkeiten wachsen trotzdem.

Herr Scholz, ich kann nur an Sie appellieren: Bleiben Sie weiterhin so hanseatisch kühl und überlegt. Wir werden Sie im Haushaltsausschuss sicherlich unterstützen. Eines möchte ich noch anmerken: Wenn es finanzielle Spielräume dieser Art gibt, dann kann es aus meiner Sicht nur eine wesentliche Reaktion geben, die ganz klar lautet: Entlastung der Bürger;

(Beifall bei der CDU/CSU)

denn es sind die Menschen in diesem Land, die mit Fleiß und Arbeit zu dieser Finanzkraft beigetragen haben. Das müssen wir immer wieder realisieren.

Ich komme zum Schluss, meine Damen und Herren. Bei dieser Buchbesprechung gibt es eine entscheidende Besonderheit, nämlich die Anzahl der Autoren. Herr Scholz, Sie haben Ihren Regierungsentwurf vorgelegt. Wir werden diesen Regierungsentwurf im Haushaltsausschuss mit vielen Kolleginnen und Kollegen kritisch Korrektur lesen. Wir werden ihn konkretisieren und anpassen, aber das mit Ruhe und der gebotenen Sorgfalt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich lade Sie alle dazu ein; lassen Sie uns das Beste daraus machen. Ich freue mich auf die kommenden Beratungen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir machen auch Vorschläge!)